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Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Januar 2006, Seite 4

Kolumne von Jakob Moneta

Briefwechsel zwischen zwei Kriegsgegnern

‹Ich kann nicht durch Morden mein Leben erhalten›, so lautet der Titel des von Heinz Deutschland herausgegebenen Briefwechsels zwischen Käte und Hermann Duncker von 1915 bis 1917.
Die Briefeschreiber gehörten zum linken Flügel der deutschen Vorkriegssozialdemokratie und damit zu jener kleinen, aber schon weit über die Arbeiterbewegung hinausreichenden Gruppe von Menschen, die bereits damals die Ursachen des Krieges benannt, sich diesem Völkermorden entgegen gestellt und vor seinen absehbaren Folgen gewarnt haben. Hermann Duncker wird vielen als Mitbegründer der Marxistischen Arbeiterschule (MASCH) bekannt sein. Aber nur wenige dürften wissen, dass Käte Duncker Redakteurin der Zeitschrift Die Gleichheit war, die von Clara Zetkin geleitet wurde. Sie war jedoch auch im Krieg Mitglied der Gruppe «Internationale» des Spartakusbunds, unterlag einem Redeverbot und musste sich polizeilichen Verhören unterziehen. Kätes unbestechliches Urteil geht in manchen Punkten über das von Hermann hinaus, der sich vor allem dagegen wehrte, durch «Morden sein Leben zu erhalten».
Käte Dunckers Briefe belegen die Belastungen, die der Krieg vor allem den politisch aktiven Frauen aufbürdete: Die Sorge sowohl um das Überleben des Mannes an der Front, aber auch der Familie zu Hause, die Jagd nach Lebensmitteln, die Verantwortung für die Kinder, für ihre Ernährung, Bekleidung, wie auch für ihre geistige und seelische Entwicklung. «Mich haben diese Jahre ein Jahrzehnt gekostet», schreibt sie , «ich fühlte mich vor dem Krieg noch nicht 40 und fühle mich jetzt über 50.»
Am 19.1.1917 beschreibt Käte, wie man für alles stundenlang anstehen muss und bereits Kartoffeln und Brot knapp werden. Dann folgt jedoch ein politischer Bericht: «Der Parteivorstand scheint mit dem Parteiausschuss zusammen gestern die Spaltung, d.h. den Ausschluss der Arbeitsgemeinschaft sowie der links stehenden Arbeitsgruppen perfekt gemacht zu haben. Ich bin neugierig, wie er den Beschluss in die Tat umsetzt. Der Vorwärts ist das traurigste Blatt, das du dir denken kannst. Jetzt ist die reine Verteidigungsstellung Deutschlands über jeden Zweifel erhaben. Das Friedensangebot war ein verflucht schlauer Trick, um die Hungerwut jetzt von den Herrschenden und Besitzenden abzulenken. Die anderen wollen ja keinen Frieden, da müssen wir eben weiter hungern, das ist die Stimmung bei der größeren Hälfte der Frauen hier.»
Sie wurde beauftragt, die Spartakusgruppe auf der Friedenskonferenz in Stockholm zu vertreten, wo sie in einer hervorragenden Rede erklärt: «Wenn der Krieg ohne Zutun des Proletariats zu Ende geht, als ein Geschenk von oben, als ein Resultat von diplomatischen Verhandlungen, dann bedeutet ein solcher die Besiegelung der Niederlage, die der Sozialismus im Kriege davon getragen hat. Wenn der Friede erkämpft wird unter Anwendung aller Machtmittel des Proletariats, dann wird ein solcher Friede den Sieg des Sozialismus vorbereiten und die Internationale zu einer Macht gestalten, die eine Wiederholung des entsetzlichen Völkermords für alle Zeiten verhindert.»

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