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Beim Wandern oder «Kraxeln» sich begegnende Naturfreunde
grüßen «Berg frei», sich erinnernd an die Gründungszeit ihrer Organisation, als
der Zugang zu Berggipfeln und in die meisten Wälder noch verboten war. Der freie Zugang in die Berge
und an die Seen war eine der frühen Forderungen der Arbeiterbewegung , gerichtet noch gegen die
adeligen Grundbesitzer des vorvergangenen Jahrhunderts.
Im Jahr 1895 wandten sich ein Lehrer und
ein Arbeiter per Anzeige in der Wiener Arbeiterzeitung an die Öffentlichkeit, um eine
«touristische(n) Gruppe» von Freunden der Natur zu gründen. Die Gründer erhofften sich,
Wiener Arbeiter «von der Geißel der Schänke und des Spießertums zu befreien».
Die Verbindung von Entspannung und Erholung
vom Arbeitsalltag mit Arbeiterbildung und -kultur ist die Essenz des Gründungsgedankens der
Naturfreundebewegung. 1905 sprang der Funke über die Alpen, und in München gründete sich die
erste Ortsgruppe in Deutschland.
Rasend schnell entstanden in den folgenden
Jahren überall in Deutschland Ortsgruppen und Fachgruppen zu den unterschiedlichsten Themen. Der Bau
von Berghütten und kleinen Heimen in Wandergebieten, in denen Gruppen und Familien zu Erholung
absteigen konnten, war in diesen Jahren einer der Arbeitsschwerpunkte der meisten Ortsgruppen. Dabei wurde
das Baumaterial oft über viele Kilometer auf dem Rücken zu den Häusern geschleppt.
Es war dieser Enthusiasmus, diese gelebte
Solidarität, die in vielen Arbeiterorganisationen wie Konsumgesellschaften, Arbeitersportvereinen etc.
zu finden war, um die die Naturfreunde von den bürgerlichen Wanderverbänden beneidet wurden.
Das Wandern und Bergsteigen war in den 20er
Jahren eine Mode wie heutzutage Jogging und Nordic Walking. Zahlreiche Gebirgs- und Wandervereine buhlten
um Mitglieder und Einfluss. Zusätzlich bildete sich praktisch zur gleichen Zeit die
«Wandervogelbewegung», die stark bürgerlich geprägt war und im Gegensatz zu den
an der Aufklärung und an einem sozialistischen Menschenbild orientierten Naturfreunden die
blaue Blume der Romantik hochhielt.
In den letzten Jahren der Weimarer Republik
wurde der Verband stark von den Auseinandersetzungen zwischen den großen Arbeiterparteien
geprägt. Die Mehrheit, die sozialdemokratisch orientiert war, setzte Anfang der 30er Jahre einen
rigiden Ausgrenzungskurs gegen die kommunistisch geführten Ortsgruppen durch. Diese Spaltung konnte
nicht in allen Ortsgruppen durchgeführt werden, insbesondere die Mitglieder kleiner
linkssozialistischer Gruppen verfügten in der Bewegung über großen Einfluss und stemmten
sich gegen die Scharfmacher auf beiden Seiten.
Exemplarisch geschildert werden der
Ausschluss (und die späteren Aktivitäten im antifaschistischen Widerstand) einer trotzkistisch-
kommunistischen Ortsgruppe der Naturfreunde Sachsen im Buch Rote Bergsteiger von B.Weinhold, das vor kurzem
im Neuen ISP Verlag erschienen ist.
Verbot und Zerschlagung der Organisation,
Enteignung der Hütten und Häuser ließen in der Nazi-Zeit viele Mitglieder resignieren.
Einige wenige versuchten, die Strukturen auf lokaler Ebene zu reorganisieren. Die meisten Versuche wurden
aufgedeckt und niedergeschlagen. Der bekannteste Widerstandskämpfer aus den Reihen der Naturfreunde
war Georg Elser, dessen Anschlag Hitler 1939 nur knapp verfehlte.
In den Nachkriegsjahren konzentrierte sich
die Organisation auf den Ausbau und Erhalt der zurückerhaltenen Häuser. Die politischen
Aktivitäten der Naturfreundebewegung konzentrierten sich in den 50er und 60er Jahren im wesentlichen
auf Aktionen gegen die Remilitarisierung und die Beteiligung an der Ostermarschbewegung. Schon vor
Entstehung der Ökologiebewegung betrieben die Naturfreunde Aufklärung über die Folgen der
Umweltzerstörung. Die Häuser wurden zu Anziehungspunkten für günstige Ferienaufenthalte
für Reisegruppen und vor allem Familien. Das gemeinsame Naturerlebnis beim Wandern, Klettern oder
Paddeln stand im Vordergrund. Die Ausbildung von Wander- und Kletterführer, die über soziale und
ökologische Kompetenz verfügen, ist noch immer eine wichtige Aufgabe.
Ein Austausch mit den sog. Neuen Sozialen
Bewegungen, der inhaltlich mehr als geboten erschien, konnte nicht realisiert werden, weil die
Ressentiments auf beiden Seiten zu groß waren. Der Prozess des schleichenden Niedergangs, der
einhergeht mit einer zunehmenden «Vergreisung» des Verbandes, hält bis dato an.
Innerhalb der Linken werden die
Naturfreunde nur noch als Servicedienstleister zur Organisierung von Kinder- und Jugendfreizeiten bzw. von
Seminaren genutzt. Der Verband wird nicht genutzt als Auseinandersetzungsfeld für politisches
Eingreifen. Dass in der Mitgliedschaft ein reges Interesse an linken Debatten besteht, kann man im
Verbandsorgan Naturfreundin nachlesen. Immer dann, wenn sozialdemokratische Funktionäre versuchen,
ihre Linie durchzusetzen, hagelt es Leserbriefe mit kritischem Inhalt. Bei den Festveranstaltungen im
vergangenen Jahr war eines wirklich deutlich zu spüren: Für die Naturfreunde ist die Geschichte
eine Geschichte von Klassenkämpfen, und auf welcher Seite Naturfreunde sich positionieren, kann man
seit 100 Jahren sehen.
Michael Barg
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