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«Arbeit ist eine Beschäftigung, für die man Geld bekommt, und
hat man keine Arbeit, so hat man auch kein Geld.»* Dies ist keineswegs «nur» die
verkürzte Sichtweise einer neunjährigen Schülerin. Auch nach den gängigen
Arbeitstheorien, die sich fast alle auf Lohnarbeitstätigkeiten in Industrie und Verwaltung
beschränken, gehören Arbeiten, die außerhalb bezahlter Lohnarbeit stattfinden, in den
«Restbereich», der für die Reproduktion der menschlichen Arbeitskraft zuständig ist.
Es ist also danach zu fragen, was eigentlich Arbeit ist, und warum der «enge»
Arbeitsbegriff wenig taugt. Es gilt, Kriterien für einen erweiterten Arbeitsbegriff zu entwickeln und
Abgrenzungen vorzunehmen, weil nicht alles, was Menschen in ihrer wachen Zeit tun, Arbeit sein kann.
Arbeit ist sowohl selbstständige
Arbeit als auch abhängig geleistete, bezahlte Erwerbsarbeit. Diese ist zu unterteilen in
ungeschützte (meist sozialversicherungsfreie) Erwerbsarbeit, Teilzeitarbeit (mit und ohne tarifliche
Absicherung), tariflich abgesicherte «Normal»-Arbeit. Arbeit ist auch Haus- und Sorgearbeit,
Erziehungsarbeit, Pflegearbeit für Alte, Kranke und Behinderte, unbezahlte Konsumarbeit,
Subsistenzarbeit, ehrenamtliche politische und kulturelle Arbeit, bürgerschaftliches Engagement,
«freiwillige» unbezahlte soziale Arbeit, unbezahlte Arbeit in Selbsthilfegruppen und neuerdings
auch Arbeit in «Arbeitsgelegenheiten» im Sinne von 1-Euro-Jobs.
Die Diskussion darüber, wie Arbeit und
Leben in der Zukunft gestaltet sein sollen, muss von einem umfassenden Arbeitsbegriff ausgehen, der (jetzt)
bezahlt und (jetzt) unbezahlt geleistete Arbeit einschließt und auch die verschiedenen Arbeitsorte in
die geschlechtsspezifischen Analysen einbezieht. Bei den meisten Diskussionen um die Zukunft der Arbeit
geht es um die Zukunft jenseits der (tarifvertraglich bezahlten) Erwerbsarbeit, meist im Niedriglohnsektor
und meist auf Kosten von Frauen. Die Argumentationen über die Wichtigkeit der Arbeit jenseits von
Markt und Staat ideologisieren die Unbezahltheit und scheinbare Unbezahlbarkeit der Arbeit, nicht selten
auf Kosten von Frauen. Zudem sind die Arbeiten, die unbezahlt und ehrenamtlich oder mit 1-Euro-Jobs
ausgeführt werden, meist Reparaturarbeiten für die sozialen, gesundheitlichen, psychischen und
ökologischen Schäden, die im Sektor der Erwerbsarbeit aber auch in Familien und anderen
Zusammenlebensformen verursacht wurden.
Eine Neubewertung und Neuverteilung der
Arbeit setzt voraus, dass die Frage gestellt wird, welche Arbeiten in den verschiedenen Arbeitsbereichen
wünschenswert, sinnvoll und gesellschaftlich nützlich sind. Daher sind Tätigkeiten, die der
Zerstörung der Umwelt und der zwischenmenschlichen Beziehungen sowie kriegerischen
Auseinandersetzungen dienen, nicht im Arbeitsbegriff zu verankern. Wenn der Anspruch, die
Lebensqualität für alle Menschen und die Lebensgrundlagen künftiger Generationen zu sichern,
ernst genommen wird, wird ein Umdenken in breitem Umfang dringend notwendig.
In Zukunft muss es darum gehen, die herkömmliche Trennung von ökonomisch und
außerökonomisch determinierten Arbeitsbedingungen sowie deren geschlechterspezifische Zuordnung
grundsätzlich in Frage zu stellen. Daraus kann dann abgeleitet werden, welcher institutioneller
Änderungen es in Beruf, Gemeinwesen und Haushalt bedarf, damit Frauen und Männer die dort
anfallenden Arbeiten ebenbürtig erledigen können, geschlechts- und schichtsspezifische
Differenzen abgebaut und neuen Unterschichtungen (auch) zwischen Frauen verschiedener Herkunft und
verschiedener Ethnien vermieden werden. Es gilt, Menschenrechte für alle einzufordern,
«illegale» Verhältnisse zu legalisieren und die eigenständige Existenzsicherung aus
möglichst selbstbestimmter Arbeit für alle zu ermöglichen. Es geht um eine Arbeitsmarkt- und
Sozialpolitik, die alle Menschen als eigenständige Individuen behandelt und Mindestarbeitsbedingungen,
Mindestlöhne und weltweite Ethikcodes gesetzlich festlegt.
Für die gewerkschaftliche
Arbeitspolitik ergibt sich für die Zukunft die Notwendigkeit, sich dem ungeheuer weiten Feld der
Arbeit als Ganzem zuzuwenden. Menschen aus großen und kleinen Fabriken, aus Verwaltungen, «neue
Selbstständige», Ich- und Familien-AGs, die meist weder Produktionsmittel besitzen, noch andere
für sich arbeiten lassen, Menschen aus Schatten- und Alternativwirtschaft und lokaler Ökonomie
wie auch aus Hauswirtschaft, bürgerschaftlichem Engagement und ehrenamtlicher Arbeit müssen in
die Entwicklung von Konzepten und in Handlungsstrategien zur «Zukunft der Arbeit» einbezogen
werden. Das gilt auch für gewerkschaftliche Strategien, Handlungskonzepte und Aktionen. Ohne Allianzen
zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Kräften wie Politik, Gewerkschaften, Unternehmen, sozialen
Bewegungen und Frauenverbänden und ohne die Kooperation zwischen verschiedenen Akteuren werden
Veränderungen im Sinne einer Aufhebung der rassistischen und sexistischen Ungleichheiten schwer zu
erreichen sein.
Für Gewerkschaftsfrauen reicht es
nicht, undifferenziert die Forderung «Her mit der Hälfte des Kuchens» zu stellen, denn das
hieße, die Hälfte vom verschimmelten Kuchen zu fordern. Wir müssen über Konzepte und
Gestaltung der ganzen Bäckerei nachdenken. Es wird auch nicht reichen, einfach nur mehr Frauen in
politische Positionen und Führungspositionen in Wirtschaft und Verwaltung zu bringen. Es braucht
Frauen und Männer, die mit den herrschenden Verhältnissen nicht einverstanden sind. Menschen, die
Macht nicht mit Unterdrückung verbinden, sondern für die Macht heißt, «etwas
hervorzubringen: eine andere Lebensweise, eine andere Welt, einen inspirierenden Sinn» (Rossana
Rossanda).
Gegen-Macht im Mahlwerk der neoliberalen
Globalisierung wird ebenso notwendig wie Mit-Macht. Es gilt, konkrete Utopien für das viel zitierte
«gute Leben» oder für die andere Welt, von deren Möglichkeit immer mehr Menschen
überzeugt zu sein scheinen, zu entwickeln und dann auch für deren Durchsetzung zu kämpfen.
In einer globalisierten Welt werden sich solche Zukunftsvorstellungen allerdings nicht auf einen
Nationalstaat, auch nicht auf Europa beschränken lassen. Weltweite Arbeit an konkreten Utopien ohne
Unterdrückung von Menschen durch Menschen ist eine Aufgabe für die Zukunft.
Gisela Notz
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