SoZSozialistische Zeitung |
Rosa Luxemburg, Leo Trotzki zwei herausragende revolutionäre Gestalten, beide ermordet, sie
1919 von der Schergen der deutschen Reaktion, er 1940 durch einen Agenten Stalins. In beider Wirken und
Schriften finden sich trotz nicht zu verkleisternder Unterschiede viele
Berührungspunkte, ja Gemeinsamkeiten.
Denken und Leben einer Revolutionärin
nennen die Herausgeber der Schriften Rosa Luxemburgs nicht zufällig ihr Buch. Nicht nur die radikale
Aktivistin, die Hand anlegt an den Gang der Geschichte, wird gezeigt, sondern ebenso die
«mitfühlende» Rosa. Durchaus in ihrem Selbstverständnis: «Rücksichtsloseste
revolutionäre Tatkraft und weitherzigste Menschlichkeit dies allein ist der wahre Odem des
Sozialismus. Eine Welt muss umgestürzt werden, aber jede Träne, die geflossen ist, ist eine
Anklage, und ein zu wichtigem Tun eilender Mensch, der aus roher Grausamkeit einen Wurm zertritt, begeht
ein Verbrechen.»
Luxemburg war Zeit ihres Lebens eine
schöpferische «Querdenkerin»: In der Auseinandersetzung mit dem sozialdemokratischen
Gradualismus, der friedlich in den Sozialismus hineinwachsen wollte; im Kampf gegen den Militarismus und
den heraufdämmernden (Welt-)Krieg begriff sie «als erste klar und systematisch die Notwendigkeit
einer grundlegenden Änderung der Strategie und Taktik der Arbeiterbewegung … angesichts der
veränderten objektiven Faktoren und des beginnenden imperialistischen Zeitalters» (Ernest
Mandel).
Aber auch dass Fehltritte, die eine
wirklich revolutionäre Arbeiterbewegung begehe, geschichtlich unermesslich fruchtbarer und wertvoller
seien als die Unfehlbarkeit des allerbesten Zentralkomitees.
Analytische Schwächen Rosa Luxemburgs
werden nicht unter den Teppich gekehrt, vor allem ihr ziemliches Unverständnis der nationalen Frage
auch ihres Geburtslands Polen. Und vor dem Kampf ihrer Geschlechtsgenossinnen, «der
fundamentalen Ausbeutung ihres eigenen Geschlechts verschloss sie die Augen».
Für Stalin war die «rote
Rosa» schlicht eine «Abweichlerin»: Luxemburg ersann «ein utopisches und
halbmenschewistisches Schema, das der permanenten Revolution, durchdrungen von einer durch und durch
menschewistischen Verneinung des Bündnisses der Arbeiterklasse mit der Bauernschaft. Im weiteren wurde
dieses halbmenschewistische Schema der permanenten Revolution von Trotzki aufgegriffen und zu einer Waffe
im Kampf gegen den Leninismus gemacht». Helmut Dahmers Schriften-Auswahl zeigt dagegen die enorme
Vielschichtigkeit des theoretischen und praktischen Wirkens Trotzkis.
Der Abschnitt «Historische und
politische Analysen» dokumentiert den scharfen Analytiker Trotzki, der bereits in der Revolution 1905
erkannte, dass der Sturz des Zarismus nicht vor den bürgerlichen Eigentumsverhältnissen halt
machen wird und die Revolution eine «permanente» (Marx ) sein wird.
Das Kapitel «Faschismus und
Stalinismus» erweist Trotzki als einen der herausragenden Faschismustheoretiker und gleichzeitig als
revolutionären Praktiker, der um eine linke Antwort auf die braune Flut ringt. Während sich die
stalinisierte Kommunistische Internationale in geistigem Schablonentum und Ultralinkstum übte und
damit ebenso wie die Sozialdemokratie die bitter benötigte
«Arbeitereinheitsfront» hintertrieb (um später in einer 180-Grad-Kehre via
«Volksfront» bei der «demokratischen» Bourgeoisie anzudocken), war Trotzki bemüht,
Punkt für Punkt gangbare Vorschläge zu machen, damit die politische Spaltung der Arbeiterklasse
aufgehoben und damit die Basis gelegt wird, den Vormarsch des mörderischen Faschismus zu stoppen.
Der Abschnitt «Perspektiven des
Sozialismus» beleuchtet Trotzki als revolutionären Programmatiker, der sich gegen die von
Sozialdemokraten und Stalinisten praktizierte Trennung von «Minimal»- und
«Maximalprogramm» wendet. «Sofern die alten partiellen ‹Minimal›-Forderungen der
Massen mit den destruktiven und erniedrigenden Tendenzen des verfallenden Kapitalismus in Konflikt geraten
und das geschieht auf Schritt und Tritt , schlägt die IV.Internationale ein System von
Übergangsforderungen vor, deren Sinn darin besteht, dass sie immer offener und entschiedener gegen die
Grundlagen der bürgerlichen Herrschaft selbst gerichtet sind.»
Helmut Dahmers Einleitung zu den Texten
macht aus Trotzki Marx sei Dank keinen Säulenheiligen. Trotzki hat ebenso wie
Rosa Luxemburg des öfteren theoretisch wie praktisch kräftig daneben gehauen. Insbesondere
in seiner «jakobinischen Phase» (19181921/22). Aber das Plus bei Trotzki überwiegt bei
weitem.
Wer Bausteine für einen Marxismus des
21.Jahrhunderts sucht, wird sie in den Schriften Rosa Luxemburgs und Trotzkis finden.
Hermann Dworczak
Informationen und Meinungen sollten keine Waren sein. Und Geld ist ein Fetisch.
Dennoch und ganz praktisch: Die Online-SoZ sieht nur umsonst aus. Wir brauchen Eure Euros.
Spendet steuerlich abzugsfähig!
VsP, Postbank Köln, BLZ 370100 50,
Kontonummer 603 95 04