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King Kong wurde im Jahr 1933 geboren. Die Produktionsgesellschaft RKO stand
in diesem Jahr am Rande des Bankrotts. Konkurrenten wie Paramount und MGM waren im Besitz einer weit
größeren Anzahl von Kinos und hatten die größeren Stars unter Vertrag. Erst 1940 gelang
es RKO, aus den roten Zahlen zu kommen. In der Zwischenzeit wurde die Firma hauptsächlich durch die
populären Filme mit Ginger Rogers und Fred Astaire über Wasser gehalten.
Wir können Ginger und Fred dafür
dankbar sein. Ohne das Geld, das sie für RKO zusammentanzten, hätten wir keinen King Kong
bekommen, keine Cat People und vor allem keinen Citizen Kane. Um den Filmklassiker von Orson Welles zu
finanzieren, ließ RKO 1941 einen Teil seiner Studios und Requisiten öffentlich versteigern.
Welles konnte gehässig feststellen, dass sein Film mit den Tanzschuhen von Ginger Rogers bezahlt
wurde!
Das Beispiel zeigt, dass die prekäre
finanzielle Lage die Filmgesellschaft zum Erfindungsreichtum zwang. RKO produzierte viele schlechte Filme,
aber auch auffallende, innovative Filme, die beim Publikum eine Saite zum Klingen bringen sollten. Auf
einen Zufallstreffer hoffend ging RKO Risiken ein und King Kong war ein absoluter Hit.
Dass King Kong eine Low-budget-Produktion
ist, merkt man dem Film an. Die ersten zwanzig Minuten, die erzählen, wie Fay Wray für die
Hauptrolle in einem Film verpflichtet wird, der auf einer Insel spielen soll, sind durchweg fade und
schlecht gespielt. Viele haben diesen Teil vergessen; für sie beginnt der Film mit der Szene des
Opferfests, wenn die Eingeborenen «Kong! Kong! Kong!» singen. Erst dann tut die Magie ihr Werk,
und von da an hat sich der Film beinahe Szene für Szene in unser kollektives Gedächtnis
eingeprägt. Von der Szene, in der Kong die kleine Wray hochhebt, bis zum Showdown auf dem Empire State
Building.
Der Charakter des Films als Low-budget-
Produktion wird vollkommen deutlich, wenn man sich auch The Most Dangerous Game aus der Videothek besorgt.
Beide Filme wurden gleichzeitig von den Regisseuren Ernest B. Schoedsack und Merian C. Cooper produziert.
In beiden Filmen spielen Fay Wray und Robert Armstrong die Hauptrollen. Die Kosten der schönen
Ausstattung wurden geteilt. In The Most Dangerous Game macht der wahnsinnige Graf Zaroff aus sportlichem
Vergnügen Jagd auf Menschen. Es ist äußerst belustigend zu sehen, wie Zaroffs Jagdbeute
über denselben umgestürzten Baumstamm flüchtet, der uns aus King Kong so vertraut ist, sowie
durch die Schlucht und den Morast, wo Kong gegen den Pterodactylus kämpft.
Woher rührt die enorme Anziehungskraft
von King Kong? Im Wesentlichen ist es natürlich die Geschichte von der «Schönen und dem
Biest», und der Film kann somit als eine typische Männerfantasie betrachtet werden, worin die
Zweifel über die eigene Attraktivität aufgelöst werden. Kongs Verliebtheit und das
Minderwertigkeitsgefühl, ein «großer garstiger Affe» zu sein, werden stark betont.
Szenen wie die, in denen Kongs dicke Finger mit Wrays zartem weißen Kleid spielen, appellieren aber
auch an eine Fantasie von Macht über Frauen.
Der amerikanische Filmhistoriker Phil Hardy
hat auf einen anderen Aspekt verwiesen, von dem nicht allein die USA der 30er Jahre betroffen waren,
sondern auch das Kino selbst. Kong ist auch «das Symbol subversiver Kraft, die aus der Depression
geboren ist, aber nach wie vor dem ewigen Aufruf zur Rebellion eine Stimme verleiht». War es lediglich
ein glücklicher Zufall, dass er von einer Filmcrew gefangen genommen wurde, ein nonkonformistischer
Geist, dazu bestimmt zu gehorchen und in einem Traumpalast gezähmt zu werden, dessen Verzauberung
damals jeder verstand, aber der vielleicht insgeheim auch jedem zuwider war? Die echte mythische
Tragödie Kongs ist nicht, dass er mit Fay Wray nicht Liebe machen konnte, sondern dass für
uns wirklich ein Grund zur Verzweiflung besteht, da es selbst Kong nicht gelingt, sich dem Konformismus zu
entziehen.
Unabhängig von allen psychologischen
oder politischen Erklärungen: Film ist und bleibt vor allem eine Art Zauberlaterne, und Willis
OBrien, der Mann, der Kong lebendig machte, versetzt uns in Erstaunen. OBrien benutzte dazu
stop motion. Mit dieser Technik wird eine Trickfigur stets ein wenig verändert, wonach eine einzige
Aufnahme gemacht wird. Bei 24 Aufnahmen pro Sekunde und Kongs nahezu ständiger Präsenz im Film
muss dies eine gewaltige Geduldsarbeit gewesen sein. Kein einziges digitales Monster der letzten zehn Jahre
erreichte je die emotionalen Nuancen, die OBrien seiner Kreatur verlieh: Liebe, Erstaunen, Kummer,
destruktive Raserei. Und wenngleich er mittlerweile überholt und unbeholfen erscheint, ist die
Tatsache, dass King Kong uns derart zu berühren versteht, der liebevollen Sorgfalt zu danken, die
OBrien Aufnahme für Aufnahme seiner Schöpfung widmete.
Schoedsack und Cooper drehten bereits 1933
eine Fortsetzung, Son of Kong. Erneut lieferte OBrien prächtige Animationen, aber der komische
Film war ansonsten enttäuschend. 1949 machte dasselbe Team noch einen weiteren Film dieser Art, Mighty
Joe Young, der erfolgreicher war. Der Film handelt von der besonderen Varieténummer, die der
Nachtklubbesitzer OHara aus Afrika mitbringt: ein riesiger Gorilla, der allerdings nur der
schönen Terry Moore gehorcht. In einer der witzigsten Szenen hält Joe Young ein Podium über
seinen Kopf, auf dem Moore sitzt und Klavier spielt.
Willis OBrien schrieb Jahre
später noch ein Drehbuch mit dem Titel «King Kong versus Frankenstein». Gottlob ist dieser
Film nie realisiert worden. Der Titel wurde dann in «King Kong versus the Ginko» geändert
und später in «Prometheus versus King Kong». Nachdem sich eine Reihe von
Hollywoodproduzenten mit der Idee befasst hatte, wurde sie an die japanischen Toha-Studios verkauft, und
1963 kam Kingu Kongu tai Gojira («King Kong gegen Godzilla») heraus.
Zwei mythische Geschichten trafen in dem
angespannten Moment aufeinander, als die USA und Nachkriegs-Japan ihren gegenseitigen Umgang lernen
mussten. Gojira, eine Art feuerspeiender Tyrannosaurus rex, entstand durch eine Atombombenexplosion. Es
fällt nicht schwer, in den sich beinahe rituell wiederholenden 15 Gojirafilmen das japanische Trauma
von Hiroshima und Nagasaki zu erkennen: kein love interest, keine individuellen Opfer, kein
Spannungsaufbau, allein die massive anonyme Vernichtung ganzer Städte durch ein Nuklearmonster. In
Kingu Kongu tai Gojira, dem sechsten Gojirafilm, wird Kong als ein Nisei-Gott vorgestellt, der auf den
Salomonen lebt, einer Inselgruppe, die sich im Besitz der USA befindet. Kong verteidigt die armen Fischer
gegen einen riesigen Oktopus und nimmt es im Finale mit Gojira auf, dem Symbol der amerikanischen
Aggression. Dass dieser Kampf auf dem heiligen Berg Fuji stattfindet, ist natürlich kein Zufall, und
die Vernichtung Tokyos ist bei solch einem Zweikampf nur mehr ein Detail.
Ein «offizielles» Remake von King
Kong erschien 1976. John Guillermin inszenierte die Geschichte, aber der Film war vor allem das Werk von
Dino de Laurentiis, einem italienischen Produzenten, der hinter vielen Dingen stand, von Fellinis La Strada
bis zu Conan the Barbarian, solange es nur Geld einbrachte. Das Remake erhielt ein großes Medienecho,
es gab einen Oskar für die Spezialeffekte, aber die Kritiken waren vernichtend und der Film geriet
schnell wieder in Vergessenheit. Guillermin hatte Kong zu menschlich gemacht. Immerhin hatte das wilde
Monster in der ursprünglichen Version zwei Menschen gefressen und einen Unschuldigen vierzig
Stockwerke tief fallen lassen! Die denkwürdigste Szene des Remake: Jessica Lange nimmt auf Kongs Hand
eine Dusche unter einem Wasserfall.
Als De Laurentiis Pläne für ein
Remake in den 70er Jahren bekannt wurden, gab es verschiedene Produzenten, die noch kommerzieller als er
waren und davon profitieren wollten. So entstanden Filme wie Mighty Peking Man und Yeti, il gigante del XX
secolo. In England drehte der ägyptisch-amerikanische Regisseur Farouk Agrama 1976 die Parodie Queen
Kong. Die Schauspieler kamen vornehmlich aus Filmserien wie Carry On und Confessions Off. Generell ist
Queen Kong recht amüsant. Mitunter sinkt das Niveau auf das des widerwärtigen britischen
«Komikers» Benny Hill herab, aber einige Gags erinnern an das Beste aus Filmen wie Airplane! und
Naked Gun. Wann immer die Eingeborenen Queen Kong ihr Opfer darbringen, decken sie vor der Riesenäffin
einen Riesentisch mit dazugehöriger rot-weiß karierter Riesentischdecke! Das Empire State
Building wird in dieser urbritischen Komödie durch Big Ben ersetzt. Natürlich ist das Lustobjekt
diesmal nicht weiblich; Queen Kong erhält einen Mann als Opfergabe.
Tatsächlich handelt es sich hier um
eine feministische Persiflage. Die Umkehrung der Geschlechterrollen ist ein Aufhänger, der nicht lange
standhält, aber es werden dazu so viele Gags geliefert, dass der Film unterhaltend bleibt. Vor allem:
die Schauspielerinnen, die in Unterwäsche komische antisexistische Lieder singen, beschwören ein
sympathisches Zeitbild von radikalem Feminismus, sexueller Befreiung und unsagbarer Freude daran, den
Bürgerschreck zu spielen.
De Laurentiis hatte keinen Sinn für
den Humor und ließ den Film gerichtlich verbieten. Das DVD-Zeitalter verlieh zum Glück vielen
alten Filmen ein zweites Leben und seit kurzem findet man nun auch Queen Kong wieder in den Läden.
Gerade rechtzeitig, um vom Hype um Peter Jacksons King Kong zu profitieren. Es bleibt, wie sehr sie uns
auch zum Träumen bringen kann, schließlich doch eine Filmindustrie.
Barend de Voogd
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