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Am 14.1.2006 starb in Berlin unser Genosse und Mitarbeiter Manfred Behrend.
Ein Sozialismus mit Demokratie und menschlichem Antlitz war gleichermaßen Ziel wie Motor dieses
streitbaren Publizisten und durchaus kein Widerspruch Propagandisten einer sozialistischen
Einheit. Das hat ihn und uns über die im Allgemeinen noch immer tiefen Gräben zwischen Ost- und
West-Linken hinweg verbunden. Manfred konnte und wollte beides, den historisch fundierten Streit um die
Wahrheit im alten aufklärerisch-emphatischen Sinne (Es «darf daran erinnert werden», schrieb
er immer wieder, «dass nach Ansicht der Marxisten nur die Wahrheit revolutionär ist») und
die gleichzeitige Suche nach breiten politischen Bündnissen gegen den gegenwärtigen
imperialistischen und neoliberal gewendeten Kapitalismus.
Der 1930 geborene und aus sozialistischem
Elternhaus kommende Behrend nutzte in den Jahren 19511953 als gelernter Messerschmied die
Möglichkeit, an der Ostberliner Arbeiter- und Bauernfakultät die Hochschulreife zu erlangen. Er
widmete sich daraufhin bis 1957 einem Geschichtsstudium an der Ostberliner Humboldt-Universität und
sympathisierte mit den kommunistischen Dissidenten und sozialistischen Oppositionellen der
osteuropäischen Revolte von 1955/56. Unter Pseudonym berichtete er in unabhängigen linken
Zeitungen Westdeutschlands von den entsprechenden Ereignissen und Diskussionen in Ostdeutschland. Nachdem
er dann einige Jahre als politischer Journalist und Verlagslektor gearbeitet hatte, wechselte er 1962 ins
Deutsche Institut für Zeitgeschichte, später fusioniert und umbenannt zum dem ZK der SED
unterstellten Institut für internationale Politik und Wirtschaft (IPW).
In den wissenschaftspolitischen Nischen des
Systems perfektionierte er das Handwerk des zuweilen subversiven Chronisten. Seine in den 70er Jahren
entstandene Biografie des westdeutschen CSU-Vorsitzenden Franz Josef Strauß jenes
führenden Vertreters des konservativen Flügels der westdeutschen Bourgeoisie, den Manfred nicht
zu Unrecht auf eine Stufe mit Otto von Bismarck, Winston Churchill oder Charles de Gaulle stellte
konnte in der DDR nicht veröffentlicht werden: die friedliche Koexistenz der Systeme hätte wohl
schweren Schaden genommen… Das überarbeitete und erweiterte Werk erschien dann 1995 im Neuen ISP
Verlag (und kann über den Buchhandel noch bezogen werden).
Nach 1990 mauserte sich der Konservatismus-
und Rechtsextremismusexperte einerseits zum Chronisten der westdeutschen «Abwicklung» der DDR
(u.a. in dem von seiner Frau Hanna Behrend herausgegebenen Werk Die Abwicklung der DDR. Wende und deutsche
Vereinigung von innen gesehen, 1996 ebenfalls bei ISP erschienen; einige wenige Restexemplare sind noch
direkt beim Verlag zu beziehen) und verfolgte andererseits mit großer Akribie den Transformations- und
Anpassungsprozess der zur PDS gewendeten ehemaligen SED. Sein letzter Beitrag in der SoZ war eine kleine
Geschichte der PDS, die er in den Sozialistischen Heften im Dezember veröffentlichte. Es handelt sich
dabei um die Kurzfassung eines umfangreichen Buches zum Thema, das Manfred noch kurz vor seinem Tod
fertigstellen konnte und das voraussichtlich im März im Neuen ISP Verlag erscheinen wird (Eine
Geschichte der PDS. Von der zerbröckelnden Staatspartei zur Linkspartei).
Wer sich umfassender über Leben und
Werk Manfred Behrends informieren möchte, dem sei das im letzten Frühjahr, zum 75.Geburtstag
Manfreds, erschienene und ebenfalls von Hanna Behrend herausgegebene, fast 550 Seiten starke Werk Zeiten
der Hoffnung Zeiten des Zorns. In der Sicht eines DDR-Chronisten (Berlin: Verlag am Park/Edition
Ost, 2005; vgl. Besprechung in SoZ 5/05) empfohlen. Es versammelt eine Auswahl von Beiträgen aus einem
Leben voll von Hoffnung und Zorn. Auch das verband uns bis zum Schluss.
Im Vorwort zu diesem Buch schreibt Hanna
Behrend, Manfreds Lehre aus der Inkonsequenz der SED/PDS im Kampf für eine sozialistische DDR-
Entwicklung seit 1990 war, «fortan nur noch solche politischen Bewegungen, Vorhaben und Projekte zu
unterstützen, die tendenziell Voraussetzungen zu schaffen versuchen, um ‹alle Verhältnisse
umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches
Wesen ist› (Marx). Dieser Maxime ist M.B. bis heute treu geblieben.» Wir sind stolz, dass
Manfred die SoZ zu diesen wenigen, von ihm bevorzugten Projekten zählte.
SoZ-Redaktion
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