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«Globalisieren wir die Hoffnung, globalisieren wir die
Kämpfe», rufen die Gegner der weltweiten kapitalistischen Konkurrenz, verharmlosend
«Globalisierung» genannt, seit Jahren den Regierungen und internationalen Finanzinstitutionen
entgegen. Die Hafenarbeiter haben jetzt Ernst damit gemacht.
Mit einer spektakulären europaweiten Streikaktion, begleitet von einer europäischen
Demonstration vor dem Europaparlament in Straßburg, haben die Hafenarbeiter die EU-Richtlinie zur
Förderung der Konkurrenz in den Häfen (Port Package II) zur weiteren Liberalisierung in den
Häfen zu Fall gebracht. Sie setzen damit ein Beispiel: für Automobilarbeiter,
Dienstleistungsbeschäftigte, Bauern und viele andere, die von Lohn- und Sozialdumping betroffen sind.
Mit Entschlossenheit und einer internationalen Organisation des Kampfes kann das Ausspielen von
Belegschaften gegeneinander beendet werden.
In Europas Häfen lief am 16.Januar nichts mehr. 50000 Hafenarbeiter von Schweden und Polen bis
Portugal und Griechenland weigerten sich, hereinkommende Schiffe zu entladen, auch die deutschen Nord- und
Ostseehäfen waren dabei. In Straßburg demonstrierten 10000 Docker vor dem Europaparlament,
darunter 1500 aus Spanien, 2000 aus Deutschland, 8000 aus den Niederlanden. Parallel dazu gab es
Demonstrationen in Hamburg, Antwerpen, Rotterdam. Vor dem EP war die Polizei in Kampfmontur aufgefahren.
Nach anfänglichen Scharmützeln flog ein Steinhagel, bei dem 100 Quadratmeter Glasfassade zu Bruch
gingen. Die Polizei setzte Tränengas und Wasserwerfer ein.
An den Aktionen in Deutschland nahmen nach
Angaben von Ver.di 4500 Beschäftigte teil. Zu den Aktionen hatten die Europäische Föderation
der Transportarbeiter (ETF) und der Europäische Gewerkschaftsverband Öffentliche Dienste
gemeinsam aufgerufen.
Neben den Gewerkschaften haben sich auch
die Hafenbetriebe gegen die EU-Richtlinie ausgesprochen. Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee nannte
die Richtlinie «gefährlich» und «kontraproduktiv», sie würde «die
maritime Wirtschaft und unsere Seehäfen schwächen».
Die von der Kommission vorgelegte Richtlinie sah vor, dass das Be- und Entladen der Schiffe künftig
vom Land- und Bodenpersonal der Reedereien erledigt werden könne. Bislang dürfen das nur die in
den Häfen ansässigen Unternehmen. Die Richtlinie wollte zeitlich befristete Konzessionen für
Lotsendienste, Schleppdienste und das Löschen von Ladungen vergeben. Die Konzessionsinhaber sollten
nicht verpflichtet werden, Hafenarbeiter zu bisherigen Konditionen zu übernehmen.
Die Reedereien beschäftigen vielfach
Seeleute aus Ländern, in denen es keine gesetzlich oder tariflich geschützten Löhne und
Sozialleistungen gibt. Sie wären nicht mehr an Tarifverträge gebunden. Unter den Hafenleuten ist
deshalb die Angst groß, dass diese zu einem Bruchteil des Lohns ihre Arbeit übernehmen und sie
selbst vor die Tür gesetzt werden. Auch die Hafenbetriebe in Europa fürchten um ihre Existenz
und zwar unabhängig davon ob sie im privaten oder öffentlichen Besitz,
Aktiengesellschaften oder kommunale Betriebe sind: die Richtlinie sei «zu bürokratisch» ,
und enthalte «zuviel rechtliche Unsicherheit». Sie befürchten zudem eine Überlastung
der Häfen und die Senkung der Sicherheitsstandards. Es sind die Verbände der Reeder, die die
Richtlinie der Kommission unterstützen und vorantreiben.
Die Kommission hat diese Richtlinie schon einmal, nämlich 2003 vorgelegt. Damals hatte das EP sie
in 1.Lesung abgelehnt. Die Abgeordneten waren sehr irritiert, dass sie jetzt zum zweiten Mal, in fast
unveränderter Form, vorgelegt wurde ihre Einwände waren übergangen worden. Am
Mittwoch, den 18.Januar, stimmten 532 Europaparlamentarier gegen die Richtlinie, 120 dafür (in der
Mehrheit Abgeordnete der spanischen Volkspartei), 25 enthielten sich. Nach der Abstimmung zog auch der EU-
Kommissar für Transport und Verkehr, Jacques Barrot, seine Unterstützung für die Richtlinie
zurück.
Hamburg, Bremerhaven, Travemünde, Lübeck, Rostock, Nordenham, Brake, Emden, Rotterdam,
Antwerpen, Brüssel, Gent, Seebrügge, Piräus, Thsessaloniki, Barcelona, Santander, Bilbao,
Liverpool, Marseille, Le Havre, Kopenhagen, Göteborg, Stockholm…
In der Europäischen Union gibt es
über 200 größere und mittlere Häfen, die täglich etwa 1,5 Milliarden Tonnen Waren
umschlagen. In ihnen arbeiten mehr als 60 000 Docker. Sie fürchten um ihre Arbeitsplätze. In
Belgien, in den Niederlanden und in Deutschland sind die größten Häfen. Die Hafenunternehmen
sagen, die europäischen Häfen seien «die effizientesten und preiswertesten der Welt».
13 Hafenarbeiter, darunter neun Belgier, zwei Franzosen, ein Spanier und ein Niederländer, wurden
in Straßburg verhaftet und sofort vor Gericht gestellt. Sie wurden wegen
«Gewalttätigkeit» (Steinewerfen), «Beamtenbeleidigung» und Beamtenverletzung zu
Haftstrafen zwischen einem Monat auf Bewährung und vier Monaten Zuchthaus verurteilt. Die
Höchststrafe wurde gegen einen Belgier verhängt, der die Scheiben einer Bushaltestelle
eingeschlagen haben soll. Er erhielt zudem ein Jahr Einreiseverbot nach Frankreich. Die Polizei spricht von
64 Verletzten in ihren Reihen. Das EP behauptet Gebäudeschäden in Höhe von «mehreren
Hunderttausend Euro».
Die konzertierte Aktion der Hafenarbeiter zeigt: Bei aller Übermacht sind die Unternehmer so
mächtig nicht, dass gegen sie nicht auch Erfolge möglich wären. Die absolute Vorbedingung
dafür ist die Geschlossenheit im Kampf. Das haben bereits die französischen Nein-Komitees gegen
die EU-Verfassung gezeigt, das beweisen die Hafenarbeiter jetzt erneut. Die Richtlinie ist nicht deshalb im
Europaparlament durchgefallen, weil am Parlamentsgebäude in Straßburg ein paar Scheiben zu Bruch
gingen, sondern weil die beiden Gewerkschaften, die in Europa die Hafenarbeiter organisieren, sich auf
einen gemeinsamen Protest verständigt haben und europaweit die Häfen dicht gemacht wurden.
Diese Geschlossenheit fehlt beim Widerstand
gegen die Bolkestein-Richtlinie noch. Da lässt der Schulterschluss zwischen den Gewerkschaften und den
anderen sozialen und globalisierungskritischen Bewegungen noch viel zu wünschen übrig. Der EGB
zieht am 14.Febuar nach Straßburg (zum Zeitpunkt der 1.Lesung), die sozialen Bewegungen können
aber nur an einem Samstag demonstrieren, also am 11.2. Der DBG hat dem noch die Krone aufgesetzt, indem er
am Samstag nach Berlin aufruft auch da gebe es ein Parlament!
Dessen ungeachtet wird am 11.2. in
Straßburg eine große europäische Demonstration stattfinden. Doch es gibt Anzeichen, dass es
damit nicht genug ist. Wie von EP-Abgeordneten zu hören ist, will die Kommission jetzt aufs Tempo
drücken und die Richtlinie durchziehen, bevor auch diese im Sumpf wachsender Handlungsunfähigkeit
und zunehmender europäischer Proteste untergeht. Es heißt, sie wolle nach der Lesung im EP dem
EU-Ratsgipfel am 25.März in Brüssel eine überarbeitete Vorlage vorlegen und auf ihre
Verabschiedung drängen.
Die Versenkung der Bolkestein-Richtlinie
ist die derzeit größte Herausforderung für die sozialen Bewegungen in Europa. Wenn das nicht
gelingt, ist der Fortschritt, der mit dem französischen und niederländischen Nein erzielt wurde,
wieder zunichte gemacht.
Angela Klein
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