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Nur wenige Tage nach seinem medial breit ausgelebten Hinschied wurde Karol
Woytila alias Papst Johannes Paul II. schon zum Superstar der nächsten geplanten Orgie des
Aberglaubens auserkoren. Unter deutlicher Verletzung des geltenden Kirchenrechts, das Seligsprechung erst
frühestens fünf Jahre nach dem Tod des Seligen erlaubt, eröffnete sein Nachfolger bereits
das Verfahren zur Kanonisation.
Nun läuft die wissenschaftliche
auch Hokuspokus kann mit viel Seriösität betrieben werden Untersuchung der
päpstlichen Kongregation für Selig- und Heiligsprechungen auf Hochtouren und die Marketing- und
Medienmanager vom Vatikan proben das Großevent.
Um seliggesprochen zu werden, ist ein
tadelloser religiöser Lebenswandel nötig, man muss dem Märtyrertod gestorben sein oder
zumindest unter den Gegnern des Christentums barbarisch gelitten haben, und ein kleines Wunder ist auch
noch nötig. Unter Woytilas Regentschaft ist die Zahl der Sellig- und Heiligsprechungen
inflationär gesteigert worden.
Mit fast 1300 Selig- und 500
Heiligsprechungen hat Johannes Paul II. vielfach mehr Kanonisationen vollzogen als alle Päpste vor
ihm, er hat dabei allerdings stillschweigend noch eine weitere Voraussetzung hinzugefügt: wer
künftig als Heiliger Trinksprüche und Fürbitten hören wollte, musste auch rechts sein.
Befreiungstheologen oder ermordete Kirchgänger im Kampf gegen Kapitalismus und Kolonialismus blieben
ausgeschlossen.
Woytila selbst soll zwar schon vor Jahren
ein kleines Wunder vollbracht haben, als ein mexikanisches Kind nach einem Kuss von ihm von der
Leukämie geheilt wurde, aber seine wirkliche Wunderleistung und seine überragende
Lebensführung besteht in etwas anderen: er war stramm rechts und hat den Kommunismus im Alleingang
besiegt. So klang es jedenfalls noch vor einem dreiviertel Jahr in den Nachrufen auf den verstorbenen
Papst.
Der Kölner Kardinal Meisner, als
langjähriger Bischof von Berlin, Kenner des Kommunismus, meint anerkennend: «Nur wer Gott kennt,
kennt auch die Menschen. Mit dieser Kenntnis zog der Papst den Kommunisten den Boden unter den
Füßen weg.»
Bereits in den 50er Jahren erkämpfte
Woytila mit diesem Prinzip einen Kirchenbau in Mitten der «kommunistischen Plattenbau-
Modellsiedlung» von Nova Huta bei Krakau. Und wie Batman höchst selbst erlebte der Ex-
Polenpräsident Lech Walesa den Betmann aus Rom:
«Damals war ich in der Opposition und
suchte Leute für den Kampf gegen den Kommunismus. Bevor der Papst nach Polen kam, hatte ich in 20
Jahren gerade mal zehn Leute sammeln können. Zehn Leute aus einem 40-Millionen-Volk. Die Menschen
glaubten nicht daran, dass man den Kommunismus besiegen kann. In dieser Situation wird ein Pole zum Papst
gewählt, kommt nach Polen und spricht den bekannten Satz aus: ‹Habt keine Angst, verändert
das Antlitz dieser Erde.› Nach einem Jahr hat unsere Bewegung 10 Millionen Leute ich mache
nichts anders, ich arbeite nicht besser, doch auf einmal sind es so viele Freiwillige.» Der Woytila-
Biograf Andreas Englisch notiert ähnliche Zauberkraft:
«Ich erinnere mich genau daran, dass
Jaruzelski nach dem Beginn des Kriegsrechts über die paar betenden Mütterchen, die auf Wunsch des
Papstes zur Madonna vorn beteten, schallend gelacht hat. Da hat er gesagt: Was wollen die paar frommen
Mütterchen in Polen eigentlich bewegen? Und ich war dabei, als ihm das Lachen vergangen ist, als die
Leute begannen, das Sowjetimperium auseinanderzunehmen.»
Man könnte also meinen: alles klar.
Aber so läuft das im Vatikan nicht, wäre ja auch unwissenschaftlich. Deshalb findet jetzt ein
echtes Zeugenbefragungsprogramm in Polen statt. Zuerst war der gerade abgelöste Präsident
Alexander Kwasniewski dran. Der war damals noch «Kommunist», ist aber schon lange zum
Sozialdemokraten mutiert und lässt sich von seiner Frau auch mal in die Kirche schleppen. Jetzt soll
aber noch der Altstalinist, erklärte Atheist und Chef der Kriegsrechtsregierung in Polen von 1980,
General Jaruzelski, als Zeuge aussagen.
Unter der Führung vom Rektor der
Päpstlichen Akademie in Krakau, Bischof Tadeusz Pieronik, wird eine echte Anhörung über das
Wirken von Woytila beim Sieg über den Kommunismus durchgeführt. Im Seligsprechverfahren gibt es
traditionell das Prozedere, dass ein Anwalt des Glaubens, der früher sogar Advocatus diaboli genannt
wurde, alle Wundergeschichten kritisch hinterfragen muss, bevor der aktuelle Papst dann entscheidet.
Advocatus diaboli das wäre
vielleicht noch ein passender Titel für einen stalinistischen Zeugen wie Jaruzelski. Aber es scheint
so, als ob der Kriegsrechtsgeneral der polnischen Bürokratie ernsthaft an dem esoterischen
Sektenzauber teilnimmt. So als ob er noch heute demütig einen Sieg des katholischen Aberglaubens
über den Sozialismus abnicken will. Vielleicht sollte statt Johannes Paul dann doch lieber der General
gleich selbst seliggesprochen werden.
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