SoZ - Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Februar 2006, Seite 4

Kolumne von Thies Gleiss

Betmann for ever

Nur wenige Tage nach seinem medial breit ausgelebten Hinschied wurde Karol Woytila alias Papst Johannes Paul II. schon zum Superstar der nächsten geplanten Orgie des Aberglaubens auserkoren. Unter deutlicher Verletzung des geltenden Kirchenrechts, das Seligsprechung erst frühestens fünf Jahre nach dem Tod des Seligen erlaubt, eröffnete sein Nachfolger bereits das Verfahren zur Kanonisation.
Nun läuft die wissenschaftliche — auch Hokuspokus kann mit viel Seriösität betrieben werden — Untersuchung der päpstlichen Kongregation für Selig- und Heiligsprechungen auf Hochtouren und die Marketing- und Medienmanager vom Vatikan proben das Großevent.
Um seliggesprochen zu werden, ist ein tadelloser religiöser Lebenswandel nötig, man muss dem Märtyrertod gestorben sein oder zumindest unter den Gegnern des Christentums barbarisch gelitten haben, und ein kleines Wunder ist auch noch nötig. Unter Woytilas Regentschaft ist die Zahl der Sellig- und Heiligsprechungen inflationär gesteigert worden.
Mit fast 1300 Selig- und 500 Heiligsprechungen hat Johannes Paul II. vielfach mehr Kanonisationen vollzogen als alle Päpste vor ihm, er hat dabei allerdings stillschweigend noch eine weitere Voraussetzung hinzugefügt: wer künftig als Heiliger Trinksprüche und Fürbitten hören wollte, musste auch rechts sein. Befreiungstheologen oder ermordete Kirchgänger im Kampf gegen Kapitalismus und Kolonialismus blieben ausgeschlossen.
Woytila selbst soll zwar schon vor Jahren ein kleines Wunder vollbracht haben, als ein mexikanisches Kind nach einem Kuss von ihm von der Leukämie geheilt wurde, aber seine wirkliche Wunderleistung und seine überragende Lebensführung besteht in etwas anderen: er war stramm rechts und hat den Kommunismus im Alleingang besiegt. So klang es jedenfalls noch vor einem dreiviertel Jahr in den Nachrufen auf den verstorbenen Papst.
Der Kölner Kardinal Meisner, als langjähriger Bischof von Berlin, Kenner des Kommunismus, meint anerkennend: «Nur wer Gott kennt, kennt auch die Menschen. Mit dieser Kenntnis zog der Papst den Kommunisten den Boden unter den Füßen weg.»
Bereits in den 50er Jahren erkämpfte Woytila mit diesem Prinzip einen Kirchenbau in Mitten der «kommunistischen Plattenbau- Modellsiedlung» von Nova Huta bei Krakau. Und wie Batman höchst selbst erlebte der Ex- Polenpräsident Lech Walesa den Betmann aus Rom:
«Damals war ich in der Opposition und suchte Leute für den Kampf gegen den Kommunismus. Bevor der Papst nach Polen kam, hatte ich in 20 Jahren gerade mal zehn Leute sammeln können. Zehn Leute aus einem 40-Millionen-Volk. Die Menschen glaubten nicht daran, dass man den Kommunismus besiegen kann. In dieser Situation wird ein Pole zum Papst gewählt, kommt nach Polen und spricht den bekannten Satz aus: ‹Habt keine Angst, verändert das Antlitz dieser Erde.› Nach einem Jahr hat unsere Bewegung 10 Millionen Leute — ich mache nichts anders, ich arbeite nicht besser, doch auf einmal sind es so viele Freiwillige.» Der Woytila- Biograf Andreas Englisch notiert ähnliche Zauberkraft:
«Ich erinnere mich genau daran, dass Jaruzelski nach dem Beginn des Kriegsrechts über die paar betenden Mütterchen, die auf Wunsch des Papstes zur Madonna vorn beteten, schallend gelacht hat. Da hat er gesagt: Was wollen die paar frommen Mütterchen in Polen eigentlich bewegen? Und ich war dabei, als ihm das Lachen vergangen ist, als die Leute begannen, das Sowjetimperium auseinanderzunehmen.»
Man könnte also meinen: alles klar. Aber so läuft das im Vatikan nicht, wäre ja auch unwissenschaftlich. Deshalb findet jetzt ein echtes Zeugenbefragungsprogramm in Polen statt. Zuerst war der gerade abgelöste Präsident Alexander Kwasniewski dran. Der war damals noch «Kommunist», ist aber schon lange zum Sozialdemokraten mutiert und lässt sich von seiner Frau auch mal in die Kirche schleppen. Jetzt soll aber noch der Altstalinist, erklärte Atheist und Chef der Kriegsrechtsregierung in Polen von 1980, General Jaruzelski, als Zeuge aussagen.
Unter der Führung vom Rektor der Päpstlichen Akademie in Krakau, Bischof Tadeusz Pieronik, wird eine echte Anhörung über das Wirken von Woytila beim Sieg über den Kommunismus durchgeführt. Im Seligsprechverfahren gibt es traditionell das Prozedere, dass ein Anwalt des Glaubens, der früher sogar Advocatus diaboli genannt wurde, alle Wundergeschichten kritisch hinterfragen muss, bevor der aktuelle Papst dann entscheidet.
Advocatus diaboli — das wäre vielleicht noch ein passender Titel für einen stalinistischen Zeugen wie Jaruzelski. Aber es scheint so, als ob der Kriegsrechtsgeneral der polnischen Bürokratie ernsthaft an dem esoterischen Sektenzauber teilnimmt. So als ob er noch heute demütig einen Sieg des katholischen Aberglaubens über den Sozialismus abnicken will. Vielleicht sollte statt Johannes Paul dann doch lieber der General gleich selbst seliggesprochen werden.

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