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Wie akut ist deiner Meinung nach die Gefahr eines Krieges gegen den Iran?
Die militärischen Vorbereitungen werden nicht mehr allzu lange Zeit benötigen. Die
möglichen Angriffspläne liegen nach Informationen aller Experten und Insider fertig in den
Schubladen. Was die politischen Entscheidungen betrifft: Wenn man Insidern der US-Regierung wie Seymour
Hersh Glauben schenken kann, ist die Entscheidung auch hier schon längst gefallen. Die Frage ist also
nicht mehr ob, sondern wann der Zeitpunkt für militärische Luftangriffe gegen iranische Atom- und
Militäranlagen kommt. Dieser Zeitpunkt hängt davon ab, wie weit die Weltöffentlichkeit, vor
allem die westliche und europäische, zweifelsfrei davon überzeugt werden kann, dass alle
diplomatischen Mittel ausgereizt wurden und auf diesem Weg keine Lösung mehr möglich ist, dass
jedoch andererseits auf jeden Fall verhindert werden müsse, dass der Iran ein Atomwaffenstaat wird.
Dann wird das Argument von der militärischen Intervention als letztem Mittel wirksam. Wenn die
Weltöffentlichkeit sich diese Meinung zu eigen macht und wir sind ziemlich nah an diesem Punkt
angelangt dann wird zugeschlagen.
Im Vorfeld des Irakkriegs gab es eine lange Periode, in der versucht wurde, das Regime im Irak
zu isolieren durch den Aufbau einer Koalition der Willigen und das Aufbrechen einer Solidarität
unter den Regierung im Nahen Osten. Hast du den Eindruck, dass eine solche Koalition der Willigen heute
schon steht?
Die Koalition der Willigen für den Irakkrieg hatte vor allem die Funktion, die Staaten
dafür zu gewinnen, dass sie am Bodenkrieg mitwirken. Dazu mussten die USA die Türkei und Saudi-
Arabien als Länder gewinnen, von denen aus operiert werden sollte. Dies alles ist im Fall Iran nicht
nötig, denn da wollen die USA unter keinen Bedingungen mit Bodentruppen intervenieren, sondern
ausschließlich aus der Luft.
Dafür haben sie die militärischen
Möglichkeiten bereits ausgenutzt. Sie haben einen Luftwaffenstützpunkt im Indischen Ozean, die
Insel Diego Garcia; sie haben eine Flotte im Persischen Golf stationiert, von der aus Flugzeuge abgeschickt
werden können; und sie haben, sofern dies nötig ist, die wahrscheinliche Unterstützung
Israels, sodass sie die Nachbarstaaten nicht brauchen.
Eine offene Frage ist, ob die Türkei
mitmacht. Vor zwei, drei Wochen gab es hastige Konferenzen in Ankara, auf der israelische Offiziere, NATO-
Offiziere und US-Generäle gemeinsame Gespräche geführt haben. Die türkischen Zeitungen
berichteten, dass es dabei um den Iran ging.
Es wird immer behauptet, der Iran verstoße gegen das Völkerrecht, weil es sein
Programm zur Urananreicherung wieder aufgenommen hat. Stimmt das?
In der Sache stimmt das aber nur bis 2002. Um das zu verstehen, muss man den Hintergrund
kennen.
Bis 2002 hat der Iran auf dem Schwarzmarkt
Zentrifugen gekauft, die angemeldet hätten werden müssen. Das hat der Iran nicht gemacht. Der
Iran wiederum sagt, sie hätten öffentlich angekündigt, dass sie Zentrifugen in Russland
kaufen wollen. Das war Anfang der 90er Jahre. Unter den Druck der USA hat Russland damals die Verhandlungen
abgebrochen. Danach, sagt die iranische Regierung, habe sie versucht, die Zentrifugen legal in China zu
kaufen, aber auch das wurde unterbunden. Die Regierung hat also gemerkt, dass sie auf legalem Weg an die
Zentrifugen nicht herankommt. Dann hat sie sich auf den Schwarzmarkt begeben und auch sehr viel höhere
Preise dafür bezahlt. Soweit wir wissen, hat sie sie vor allem über Pakistan erhalten.
Das zeigt, dass man bei der Diskussion
differenzieren muss, warum der Iran den illegalen Weg gegangen ist und die Zentrifugen nicht gemeldet hat.
So oder so ist das ein Verstoß gegen das Völkerrecht, das ist klar. Nach Bekanntwerden dieses
Vorgangs, also seit 2002, ist Iran dasjenige Land der Welt, das der IAEO am uneingeschränktesten
Zugang zu allen Anlagen verschafft hat, nicht nur zu solchen, die eindeutig als Atomanlagen definiert
werden. Iran gestattet der IAEO heute jeden Zugang, den diese Behörde fordert. Das ist natürlich
ein Stück Souveränitätsverzicht, aber es sollte eine vertrauensbildende Maßnahme sein
das wird in der ganzen Debatte derzeit unterschlagen. In den Medien dominiert die Behauptung, der
Iran verstoße gegen das Völkerrecht, aber es ist so, dass der Iran nur bis 2002 dagegen
verstoßen hat. Seitdem kooperiert er das sind zwei völlig unterschiedliche
Verhaltensweisen.
Richtet sich die militärische Aggression überhaupt gegen die Tatsache, dass der Iran
über Nukleartechnologie verfügt?
Nein, nicht dagegen, dass der Iran Nukleartechnologie hat, sondern gegen die Anreicherung. Die
Anreicherung kann sowohl militärisch wie auch zivil genutzt werden, sowohl für Atomkraftwerke wie
auch zur Herstellung von Atomwaffen. Der Iran möchte das Uran bis zu 3% Konzentration anreichern
können für den Einsatz in Atomkraftwerken auf eigenem Boden und ist auch bereit, diesen Prozess
kontrollieren zu lassen, damit die Konzentration auf 100% ausgeschlossen ist. Dafür ist er bereit, mit
Firmen zu kooperieren und sich der Kontrolle der IAEO zu unterstellen. Das akzeptieren die westlichen
Mächte nicht, vor allem nicht die USA und die IAEO, auch die EU nicht, sie sagen: Wir wissen nicht, ob
es bei der Anreicherung auf 3% bleibt. Es kann durchaus sein, dass der Iran eine parallele
Anreicherungsanlage aufbaut, die relativ rasch zur Herstellung von Plutonium in der Lage wäre.
Für die Antikriegsbewegung ist das eine schwierige Frage. Natürlich muss der Iran
gegen eine militärische Aggression verteidigt werden. Gleichzeitig ist man grundsätzlich gegen
den Besitz von Atomwaffen.
Ich glaube nicht, dass irgendjemand gut beraten wäre, dafür einzutreten, dass der Iran
eine Atommacht wird. Es gibt da aber verschiedene Aspekte.
Erstens kann man natürlich sagen:
Solange das Völkerrecht gilt, hat jedes Land das Recht, Atomwaffen zu besitzen, ohne Diskriminierung
es sei denn, dieser Besitz wird allen Staaten verboten und es wird dafür gesorgt, dass das
gegenüber allen Staaten durchgesetzt wird. Es kann in der Tat nicht zugelassen werden, dass nach
Belieben die USA oder die IAEO Dinge, die im Atomwaffensperrvertrag nicht einwandfrei geregelt sind, dem
einen Land (in der Dritten Welt oder im Westen) erlauben, dem anderen aber nicht. Das ist unakzeptabel,
auch für die Friedensbewegung, das gilt nicht nur für den Iran, auch für Brasilien und
andere potenzielle Urananreicherungsländer.
Der zweite Aspekt ist: Hinter dem Vorwand
der Verhinderung der Weiterverbreitung von Atomwaffen beabsichtigen die USA, den Iran als regionale
Mittelmacht zu schwächen. Sie wollen verhindern, dass der Iran durch eigene Atomwaffen bekommt, was
Israel schon hat, und damit das israelische Atomwaffenmonopol in der Region in Frage gestellt wird. Israel
und die USA wollen auf keinen Fall, dass ihre bestehende Dominanz in der Region beseitigt wird. Vielmehr
soll der Iran, evtl. auch durch Regimewechsel, mit seinen Öl- und Gasreserven gefügig gemacht und
den strategischen Interessen der USA unterworfen werden. Das sind die wahren Ziele, die sich hinter dem
Vorwand verbergen, dem Iran die Herstellung von Atomwaffen unmöglich zu machen. Diese wahren Ziele
müssen auf jeden Fall von der Friedensbewegung bekämpft werden, deshalb müsste sie
allmählich auch mobilisieren, um den Krieg noch zu verhindern. Denn wir wissen nicht, was aus einem
solchen Krieg erwächst, unabhängig von der Möglichkeit, dass der Iran zu einem
Atomwaffenstaat wird, und was daraus für die Region und für den Weltfrieden folgt.
Der dritte Aspekt ist: Natürlich kann
die Friedensbewegung zusammen mit der Antiatomkraftbewegung und mit allen Kräften, die für
erneuerbare Energien eintreten, die EU auffordern, Energiealternativen mit erneuerbaren Energien
anzubieten, um mit dafür zu sorgen, dass der Iran seine energiepolitischen Ziele erreicht. Das hat die
EU bisher systematisch nicht gemacht und das wäre ein Punkt, wo eine breite Basis gegen den Krieg und
für Alternativen geschaffen werden kann.
Der iranische Staatspräsident vermittelt den Eindruck, als wollte er mit seinen
antiisraelischen Ausfällen sein Volk auf einen Krieg vorbereiten.
Den Eindruck habe ich auch. Ich gehe davon aus, dass er inzwischen die Möglichkeit eines
Krieges als sehr hoch einschätzt und mit seinen antiisraelischen Angriffen dabei ist, die islamische
Welt und die Araber für den Fall des Falles zu mobilisieren, um eine gemeinsame Front mit Hamas in
Palästina, mit Hizbollah im Libanon, mit den Schiiten im Irak aufzubauen.
Unter den arabischen Regierungen der Region hat der Iran keine Verbündeten?
Syrien schon, aber ob Syrien dann mit dem Iran in den Krieg zieht, ist eine ganz andere Sache.
Sonst sehe ich keinen Staat als Verbündeten.
Gibt es eine konkrete Mobilisierungsperspektive, die du vermitteln kannst?
Ja. Am 4./5.Februar findet in München der Gegengipfel zur NATO-Sicherheitskonferenz statt
[siehe Seite 11]. Dort werden wir das Thema diskutieren. Ich habe zusammen mit dem Netzwerk
Friedenskooperative den Vorschlag für eine Vermittlungspause ausgearbeitet. Wir schlagen vor, dass
Kofi Annan eine Vermittlungskommission unter seinem Vorsitz einsetzt, in der exponierte Vertreter beider
Seiten an Vorschlägen mitwirken, wie der Konflikt ohne Krieg bewältigt werden kann. Ich dachte an
ehemalige Staatspräsidenten wie Bill Clinton, Gerhard Schröder, den ehemaligen iranischen
Staatspräsidenten Mohammad Khatami, den früheren finnischen Präsidenten Martti Athissari und
an zwei religiöse Persönlichkeiten, eine islamische und einen Vertreter vom Papst. Wir
müssen Zeit gewinnen und die Eskalation, die derzeit im vollen Gang ist, durchbrechen.
Informationen und Meinungen sollten keine Waren sein. Und Geld ist ein Fetisch.
Dennoch und ganz praktisch: Die Online-SoZ sieht nur umsonst aus. Wir brauchen Eure Euros.
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