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Evo Morales und seine Partei Movimiento al Socialismo (MAS Bewegung
zum Sozialismus) gewann am 18.Dezember mit 54% der Stimmen die Präsidentschaftswahl in Bolivien.
Morales, ein Aymara, ist der erste indigene Präsident des Landes.
Die Wahl war ein landesweites Referendum über die neoliberale Wirtschaftspolitik. Nach 20
Jahren der Privatisierung und der Kürzungen bei den Sozialausgaben bleibt Bolivien das ärmste
Land Südamerikas. Morales Sieg am 18.Dezember war eine entschiedene Botschaft der Mehrheit der
bolivianischen Bevölkerung an die internationalen Finanz- und Industriemagnaten.
In den Tagen nach der Wahl traf sich
Morales in Cochabamba mit Führungspersönlichkeiten der sozialen Bewegungen, die ihn
unterstützt hatten. Dieser Schritt brach mit dem traditionellen Muster von Treffen des
neugewählten Präsidenten mit den Führern der politischen Parteien, die die offizielle
Opposition bilden.
Kurz danach verkündete Morales, dass
er ein aus dem Jahr 1985 stammendes Dekret zurücknehmen wird, das die Privatisierung staatlicher
Betriebe und die der Arbeit vorsieht. Damit wird die gesetzliche Grundlegung des Neoliberalismus in
Bolivien im Kern erschüttert.
Morales deutete auch an, dass er die
Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom Mai 2005 wodurch die bestehenden Verträge mit
transnationalen Öl- und Gasgesellschaften außer Kraft gesetzt wurden dazu benutzen will,
neue Verträge auszuhandeln, die für Boliviens Haushalt günstiger sind.
Gleichzeitig beschwichtigte Morales die
konservativen Führer der an Öl- und Gasvorkommen reichen östlichen Provinzen, die eine
Autonomie anstreben und mit der Lostrennung gedroht haben, falls Morales mit dem Abbau des Neoliberalismus
zu weit ginge. Morales billigte den privaten Abbau der Eisen- und Manganmine in Mutún entgegen dem
Protest von Umweltschützern, Gewerkschaftern und Bauerngruppen.
Morales garantierte in einer Stellungnahme
auch das Privateigentum der Großunternehmen und Großgrundbesitzer. Trotz der von manchen als
unwiderlegbar betrachteten Beweise sprach er das spanisch-argentinische Unternehmen Repsol von der
Anschuldigung des gesetzwidrigen Handels mit Kohlenwasserstoff frei.
Morales hofft die Extraprofite aus den natürlichen Ressourcen für die Bezahlung wesentlicher
Verbesserungen beim Lebensstandard der bolivianischen Werktätigen, der Bauern, der Armen und
Erwerbslosen zu nutzen.
Aber anders als Venezuelas Präsident
Hugo Chávez erbt Morales keine bereits verstaatlichte und entwickelte Kohlenwasserstoffindustrie. Die
Notwendigkeit, mit ausländischen Investoren über Kapital zur Entwicklung zu verhandeln, wird
Morales Spielraum für Verstaatlichungen begrenzen.
Sein geäußerter Plan sieht nur
die Verstaatlichung der unterirdischen Ressourcen vor Gas, Öl und die Mineralien im Boden
und lässt den oberirdischen Abbau weitgehend in privater Hand.
Trotz fortgesetzter Abhängigkeit von
ausländischen Investitionen wird Morales aus anderen Gründen in einer starken Position sein. Die
Preise von Naturgas sind seit dem Beginn des Irakkriegs rasch gestiegen prozentual schneller als die
Ölpreise. Sollten Europas transnationale Konzerne, die gegenwärtig Boliviens
Kohlenwasserstoffindustrie dominieren, und die US-Gesellschaften sich bei den Verhandlungen über neue
Verträge stur zeigen, wartet China auf seine Chance. Und Chávez selbst ist möglicherweise
bereit, zur Finanzierung der Entwicklung bolivianischen Gases wesentlich beizutragen.
Morales zentrale politische
Herausforderung wird darin bestehen, die Loyalität der sozialen Bewegungen zu bewahren und
gleichzeitig das Vertrauen der herrschenden Klasse Boliviens zu erhalten. Anders als Brasiliens
Präsident Lula, der als ehemaliger Gewerkschaftsführer seine Anhänger durch die
Aufrechterhaltung einer neoliberalen Politik enttäuscht hat, ist Morales einer breiten sozialen
Bewegung unmittelbar rechenschaftspflichtig, welche seit 2000 ebenso Präsidenten wie transnationale
Konzerne vertrieben hat. Boliviens soziale Bewegungen können und werden reagieren, sollte Morales ihre
Erwartungen eines radikalen sozialen Wandels enttäuschen.
Der von Morales Sieg über seine
neoliberalen Rivalen geweckte Enthusiasmus wird angesichts seiner seit 2002 zunehmend moderateren Bilanz
durch Vorbehalte gedämpft. Morales war eine entscheidende Gestalt bei der Beilegung der Gaskriege von
2003 und 2005. Während des größten Teils des Jahres 2004 war er die Hauptstütze der
Regierung von Präsident Carlos Mesa, der in die neoliberalen Fußstapfen des gestürzten
Präsidenten Gonzalo Sánchez de Lozada getreten war.
Morales war 2005 die letzte prominente
Gestalt, die spät die Massenkampagne für die Verstaatlichung von Naturgas und Öl
unterstützte, und seine heutigen Versicherungen an die Adresse des globalen Kapitals haben bereits bei
einigen der Gruppen Unruhe hervorgerufen, die die größten Kapazitäten zur Mobilisierung
aufweisen.
In den letzten Tagen seiner Wahlkampagne
proklamierte Morales: Bezeichnenderweise sagte er nicht: Morales künftiger Vizepräsident
Álvaro García Linera erklärte freimütig, dass ihre Partei, das MAS, eine -Formation und ihr
Ziel der sei.
Wenn sich das MAS behauptet, ist der
Neoliberalismus dabei, aus Bolivien zu verschwinden. Aber der Sozialismus bleibt ein Projekt, das laut MAS
um 50100 Jahre verschoben werden muss. Stattdessen will Morales eine neue Übereinkunft mit dem
globalen Kapitalismus, die auf einer wiederbelebten Rolle des Staates für das Wohlergehen seiner
Bürger beruht.
In Bolivien geht es darum, ob der
Neoliberalismus wegreformiert werden kann oder ob zur Überwindung des Neoliberalismus eine Revolution
wie beim Sturz des Kapitalismus erforderlich ist. Die imperialistischen Mächte haben
dies erkannt und beschlossen, die scharfen Kanten in Bolivien etwas zu glätten. Der IWF hat Bolivien
251 Millionen Dollar Schulden erlassen, und Spanien hat weitere 120 Millionen Dollar Schulden
abgeschrieben.
Diese Schritte verschaffen Morales
Geldmittel, die er in soziale Programme stecken kann. Aber die Dynamik der stark polarisierten
Klassenkräfte könnte die Hoffnung des Imperialismus nach so wenig Wandel wie möglich
durchkreuzen und Morales Hoffen auf so viel Wandel wie möglich. Es ist extrem
unwahrscheinlich, dass der Neoliberalismus der von Washington und dem Großteil der EU zu 100%
unterstützt wird ohne Kampf niedergerungen werden kann.
Morales verdient die Unterstützung der
sozialistischen Linken für jeden Schlag, den er gegen diese Politik richtet und unsere Kritik
für jede Anpassung an den globalen Kapitalismus. Schließlich ruht das Schicksal von
Neoliberalismus und Kapitalismus in den Händen der Massen, die zunehmend die Kontrolle über ihre
Zukunft geltend machen.
Tom Lewis
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