SoZ - Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Februar 2006, Seite 17

Buchempfehlung: München: Bertelsmann, 2005, 320 Seiten, 19,90 Euro

Jean Ziegler: Das Imperium der Schande,

Dass wir nicht am Beginn eines neuen goldenen Zeitalters stehen, steht fest — obwohl die Unternehmensgewinne der Großen boomen. Oder weil? Aber deshalb von zu sprechen? Der Schweizer Jean Ziegler tut es in seinem neuen Buch Das Imperium der Schande und schreibt: Wohingegen das Elend der Armen immer krasser wird: 100000 Menschen sterben täglich an Hunger oder dessen Folgekrankheiten.
Ziegler begründet seine Behauptung aus seinem reichen Erfahrungsschatz als langjähriger UN-Mitarbeiter, zuletzt als Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung, und nutzt seine intime Kenntnis des Geschäftsgebahrens solcher Schweizer Großkonzerne wie Nestlé und Novartis sowie der Großbanken seines Heimatlands. Im Grunde sagt er dabei nichts absolut Neues, aber wie er es in seiner bekannt harschen, rücksichtslosen Sprache benennt und zu einer schlüssigen Gesamtschau verknüpft, das nimmt den Leser schon mit. Die wahren Massenvernichtungswaffen sind für ihn Verschuldung und Hunger und nicht die vergeblich bei Saddam Hussein gesuchten.
Ganz konkret wird Ziegler in den beiden Teilen zu Brasilien und Äthiopien. In letzterem hat sich besonders die Lage der Millionen von Kaffeebauern dramatisch verschlimmert: Die Aufkaufpreise sind auf rund ein Drittel des Wertes von vor 1990 gefallen. Dies aber weniger wegen des der Marktkräfte, sondern weil die Großkonzerne 1989 das International Coffee Agreement liquidierten, das vorher stabile Preise sicherte. Ähnlich verheerend wirkte die aggressive Kampagne von Nestlé in Afrika zur Etablierung von Milchpulver als Babynahrung, und ebenso bescherte die stark gepushte Markteinführung von Flaschentrinkwasser, z.B. in Bangladesh, Nestlé riesige Profite.
Einen der raren Hoffnungsträger sieht Ziegler in Brasiliens Präsidenten Lula da Silva, der mit Mut und Geschick ein Null-Hunger-Programm gestartet hat. Wie weit er damit kommt, wird allerdings davon abhängen, ob es gelingt, die zu annullieren, die z.B. während der Militärdiktatur zwischen 1964 und 1985 aufgelaufen sind. Für das vielen halbherzig erscheinende Agieren Lulas wird angedeutet, dass Lula sonst vielleicht das Schicksal Salvador Allendes drohe.
Als verantwortlich für das Elend der Armen prangert Ziegler die neuen Feudalherren, die der internationalen Konzerne, an und weiß doch: Was also angesichts solcher Verstrickung tun, wenn er seiner Vision einer alle Menschen umfassenden sozialen Gerechtigkeit, eines universellen Anspruchs auf Glück treu bleiben will?
Seine kleine Münze ist das Aufklären — , aus dem wird. Und dann? Ziegler bemüht den Geist der Französischen Revolution: und , weil der Widerspruch ist.
So bleibt als Fazit: Ein in der Diagnose außerordentlich starkes, überzeugendes Buch, sicher eines der wichtigen des Jahres 2005.

Werner Schmiedecke

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