SoZ - Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Februar 2006, Seite 18

Für einen linken Frauenaufbruch

Am 15.September 2005 kamen Frauen aus dem gesamten Bundesgebiet zum Linken Frauenaufbruch in den geschichtsträchtigen Club Voltaire nach Frankfurt. Die Vorstellungsrunde erinnerte fatal an den sarkastischen Titel des 1981 von Ulla Jelpke herausgegebenen Buches Das höchste Glück auf Erden, Frauen in Linken Organisationen. Nahezu alle Frauen, sie waren aus verschiedenen Organisationen und Parteien, berichteten davon, wie schwer es im Jahr 2005 ist, sich, trotz formaler Bekenntnisse zur Frauenemanzipation, Gehör für Fraueninteressen in den linken Organisationen zu verschaffen.
Es sind Parteien, in denen Männer mittleren und älteren Alters dominieren, die ihre politischen Erfahrungen in hierarchisch strukturierten Organisationen, Gewerkschaften und Parteien gemacht haben. Auch die Linkspartei steht bei den Wählerinnen bislang nicht besonders hoch im Kurs, gerade mal 25% der Wähler waren Frauen.

Damals

Beim SDS-Kongress 1968 gab Helke Sander die Initialzündung zur mit ihrer berühmten Rede zur Frauenemanzipation. Die Frauen schmissen Tomaten gegen das Podium, ein Großteil der Frauen verließ den SDS. Die radikalste unter den Frauenbewegungen und Linken in Europa waren zu der Zeit die in Italien. Lotta continua, die größte der linken Parteien, scheiterte schließlich an dem Konflikt mit den Frauen. Das Konzept des demokratischen Zentralismus ließ den Interessen der Frauen keinen Spielraum. Die Frauen verließen die Parteien. Der berühmte Brief von 12 Genossinnen aus der linken PdUP: , machte in der Frauenbewegung Furore.
Auch in der Linken in Lateinamerika und den USA gab es ähnliche Entwicklungen. Angela Davis berichtete bei unseren Gesprächen in Oakland ihre Erfahrungen:
«Ich studierte in San Diego, fand meinen politischen Zusammenhang aber in Los Angeles in der Black Panther Political Party. Im Laufe der Zeit erfuhr ich die patriarchalen Strukturen, die auch in den Organisationen der Freiheitsbewegung der Schwarzen bestimmend waren. Das war die gleiche Zeit, in der die Frauenbewegung geboren wurde und in ihr Embryostadium kam. Ich war betroffen, dass es zu jener Zeit keinen Platz für schwarze Frauen in der Frauenbewegung zu geben schien. Zwischendurch hatte ich das Gefühl, wenn ich Teil der Frauenbewegung war, konnte ich nicht schwarz sein. Wenn ich aktiv in der Bewegung der Schwarzen war, musste ich mein Frausein wegtun. Zur selben Zeit gab es sexistisches Verhalten und männliche Dominanz in der Bewegung der Schwarzen. Ich war Mitglied einer Organisation, die vielleicht die wichtigste Basisorganisation in Los Angeles war. Es war das gewaltfreie Studentenkomitee, das quasi von Frauen gemacht wurde. Wir hielten das Büro in Schwung, wir organisierten die Projekte, wir entwickelten die Strategien, wie das so üblich ist bei Frauen. Aber wenn eine Kundgebung gemacht wurde, wenn eine Pressekonferenz abgehalten wurde, tauchte plötzlich einer der Männer auf und nahm alles für sich in Anspruch. Es gab sexistisches Verhalten und männliche Dominanz in der Bewegung der Schwarzen. Wir kamen in eine große innere Auseinandersetzung, an der unglücklicherweise die Organisation kaputtging.»

Und heute

Seit dem ist viel geschehen. Die Frauenbewegung hat unendlich viel gearbeitet, hat viele Missstände öffentlich gemacht, hat den Schleier der Privatheit von Gewaltverhältnissen gezogen.
Über das Frankfurter Treffen berichtete ich für die Junge Welt. Die harsche Frankfurter Kritik der verschiedenen Frauen: , wurde von der Jungen Welt gestrichen. Überschrieben hatte ich den Artikel: . Die Junge Welt machte daraus: . Schritte einer Anpassung?
Dabei haben wir jeden nur erdenklichen Grund, radikal und fordernd zu sein. Wir leben in einer Zeit, in der das Leben auf der Erde durch Gewaltverhältnisse bestimmt ist. Es gibt keinen sicheren Ort. Gewalt ist zu Hause, bei der Arbeit, in unseren Vorstellungen. Gewalt wird über die Medien, über Computerspiele und Gewaltpornographie propagiert. Jede Form von Gewalt ist miteinander verbunden. Die Absichten, die Vergewaltigung hervorbringen, haben mit den Absichten zu tun, die Kriege erzeugen und uns an den Rand der globalen Vernichtung gebracht haben.
Seit 1999 wird bspw. in Russland Gewalt gegen Frauen statistisch erfasst. Jährlich kommen dort etwa 14500 Frauen nach Mißhandlungen durch ihren Lebenspartner ums Leben. Das sind in einem Jahr mehr tote Frauen durch private Gewalt als tote sowjetische Soldaten in zehn Jahren Afghanistankrieg. In Deutschland suchen jährlich etwa 40000 Frauen die Frauenhäuser auf.
Elementare Verletzungen der Menschen- und insbesondere der Frauenrechte spielen sich im Zusammenhang der Globalisierungsprozesse ab. Die Globalisierung spielt sich weltweit weitgehend auf dem Rücken der Frauen ab.
Der größte Teil der Arbeiterinnen in den Weltmarktfabriken, in den Freihandelszonen sind Frauen. Körperliche Bestrafungen, Beschimpfungen und sexuelle Belästigungen sind in den Produktionsstätten der Freihandelszonen an der Tagesordnung. Prostitution, Prostitutionstourismus, Pornografie, Verkauf von Frauen und Kindern aus Asien, aus Osteuropa, aus Afrika in die Bordelle der westeuropäischen und nordamerikanischen Staaten sind zu einem Riesengeschäft geworden.
Die Verhältnisse haben sich, trotz einiger Verbesserungen, weltweit gesehen, nicht grundlegend geändert. Frauen sind 52% der Weltbevölkerung, wir machen zwei Drittel der Arbeit. Wir bekommen dafür ein Zehntel des Lohns und haben 1% des Besitzes weltweit.
Gleichheit, schrieb Germaine Greer im Jahre 2000, «das Recht auf einen gleichen Anteil an den Profiten einer Wirtschaftstyrannei bedeutet, ist sie mit Emanzipation unvereinbar. Freiheit in einer unfreien Welt ist nichts als ein Freibrief zur Ausbeutung. Lippenbekenntnisse zum Feminismus in den Industriestaaten sind eine geschickte Verschleierung der Vermännlichung der Macht und der Verweiblichung der Armut in den Entwicklungsländern.»
Von der Linkspartei verlangen wir: Einen wirklichen Dialog mit den Bewegungen zu führen, sie nicht zu instrumentalisieren als sog. .

Ellen Diederich

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