SoZ - Sozialistische Zeitung |
Da stürzt sich nun, wer kann, auf diesen weltberühmten Jubilar, der
bereits vor seinem 250.Geburtstag am 27. Januar 2006 auf mehr als 20000 Titel blicken könnte, die
über ihn veröffentlicht worden sind. Hunderte von neuen Büchern sind allein im
Jubiläumsjahr zusätzlich erschienen. Doch nicht nur die Buch- und Musikverlage hoffen auf ein gutes
Geschäft.
Seine Geburtsstadt Salzburg hat Mozart gehasst, dennoch wirbt die Stadtverwaltung zugunsten der Hoteliers
jetzt mit ihrem . Auch Wien will 30 Millionen Euro für Mozart-Events ausgeben. Mozart-Briefmarken in
Österreich und Deutschland dürfen bei dieser Show natürlich nicht fehlen. Nicht nur die
bekannten Schokokugeln mit Marzipan, die und die vom Aldi, auch die Äpfel aus der Steiermark sollen mit
Mozarts Namen schneller ihre Käufer finden.
, dozierte der Vorsitzende der Obstpartner
Steiermark (OPST), Gerhard Meixner, . OPST-Geschäftsführer Manfred Stessel:
Mozart ist zu einer Marke auf dem banalen
Warenmarkt von cleveren Marketingstrategen entfremdet worden. Mit wurde die Solinger Metallfirma
Steinbrück & Drucks GmbH so bekannt, dass man sich entschloss die Marke für die
neugegründete Aktiengesellschaft Mozart AG zu benutzen. Ob für Rasierklingen, Stahlschneider,
Äpfel, Möbel, Pralinen, Hotelbetten oder für den Börsengang, Mozarts Name bürgt
für Umsatz, Seriosität und hohe Renditen. Dabei stellt Mozarts Musik, wie Adorno schreibt, von sich
aus nicht «die marktgängigen Emotionen bei, noch verhält sie durch Pomp, Macht und rhythmische
Befehlsgewalt den Konsumenten zu jener Art von Gehorsam, die er sich wünscht. Trotzdem hat Salzburg seinen
Touristenwert. Mozart wird durch mehrfache Fälschungen adaptiert. Zunächst datiert man ihn
zurück ins Rokoko, das er gerade sprengt. Es ist ein Rokoko, das von den Pralinéschachteln auf
stilisierte Cembaloweiber mit Haarknoten, Kerzenlicht und Silhouette heruntergekommen ist.»
An Adornos Fähigkeit, Mozart historisch zu begreifen und zu analysieren, reicht keines der neu
erschienenen Bücher heran. Mozarts Schaffenskraft kann eigentlich nur begriffen werden, wenn man die
Bedeutung seines Engagements für die Freimaurerei richtig einzuordnen versteht. Sie war seine ideologische
Triebfeder. Wolfgang Hildesheimer behauptet gar, . Konsequent hält Hildesheimer die Oper, die
ausführlich die Rituale und ethischen Grundsätze der Freimaurer zeigt, die Zauberflöte, für
. Zwar folgt Piero Melograni ihm nicht in dieser Einschätzung, aber auch er erkennt nicht, wie diese Oper
an die Vernunft und die Liebe der Menschen appelliert, um die Erde menschlicher zu gestalten. , singen Pamina
und Papageno in einem Duett, der hohe Zweck der Liebe zeige
Melograni banalisiert diese wunderschöne
Botschaft. Die Moral der Zauberflöte sei, . Die Zauberflöte, deren Libretto Schikaneder schrieb
auch ein Freimaurer , fordert die Menschen zu Tugend, Verschwiegenheit und Wohltätigkeit auf.
Eigenschaften, die damals wie heute nicht dem gesellschaftlichen Zeitgeist entsprechen.
Mozarts Werk ist nicht nur ein Geschenk seines
Talents an uns, sondern wäre sicher ohne die engagierte Einbindung Mozarts in den damaligen Kampf um
Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit nicht entstanden. Ohne den aufklärerischen Geist des Regenten
von Wien, Joseph II., der die Freimaurerei gegen den Widerstand des Papstes Pius VI. verteidigte, hätte
wohl keine der drei Opern Le nozze di Figaro, Don Giovanni und Così fan tutte entstehen können. Die
Opernkomposition gab Mozart dabei am ehesten die Möglichkeit, musikalisches Talent mit Einmischung in die
Lebensgestaltung der Menschen zu verbinden. , schreibt Adorno,
Mozart lernte den Librettisten seiner Opern Le
nozze di Figaro, Don Giovanni und Così fan tutte, Lorenzo Da Ponte, in der Freimaurerloge kennen, jenem
Bund, in dem sich seinerzeit die revolutionären Geister trafen. Joseph II. akzeptierte einen in Frankreich
von Ludwig XVI. verbotenen Text von Beaumarchais für die Oper Le nozze di Figaro. Am 1.Mai 1786 wurde
diese Oper in Wien uraufgeführt, was drei Jahre später viele Revolutionäre als bewerteten. In
dieser Oper erfährt Figaro von seiner künftigen Frau Susanna, dass der Herr Graf, dem beide zu
Diensten stehen, von ihr das fordert. Figaro ersinnt nun ein tolles Verwirrspiel. Das einfache Volk, in
Gestalt des Dieners Figaro, zeigt sich als schlauer, dabei aber stets menschlicher Gegenspieler des
Aristokraten.
Martin Geck behauptet gar, die Freimaurerloge
sei für Mozart nur eine Art Vaterersatz gewesen. Damit verkennt er die weltanschauliche Basis der
Schaffenskraft Mozarts völlig. Volkmar Braunbehrens schreibt, Mozart sei ein gewesen. Modebewusstsein sei
nicht im Spiel gewesen, als er der Loge beigetreten sei. Denn .
Mozart wurde am 14.Dezember 1784 aus
Überzeugung Freimaurer. Wie sonst hätte er Lieder und Kantaten komponieren können, die den Geist
und die Aufgabe der Logenbrüder so glanzvoll huldigten, wenn er nicht die Botschaft der damaligen
Freimaurer in sich aufgesogen hätte. Nur aus großartigem Talent kann Kunst nicht gedeihen. ,
heißt es in einem dieser Texte, Mozarts Musik ist in diesem Sinne tief gespürte
gattungsmäßige Emotionalität, die sich gegen die eitle Sektiererei der Aristokratie zur Wehr
setzte. , heißt es in einem anderen Mozart-Lied.
In keinem der Buchneuerscheinungen werden diese Lieder, komponiert für die Festlichkeiten in der Loge,
ernsthaft mit der Schaffenskraft des gefeierten Komponisten in Verbindung gebracht. Aber gerade in dieser
gattungsmäßigen Emotionalität liegt Mozarts Aktualität noch immer begründet. Denn noch
immer halten wir die Konkurrenzkämpfe von Konzernen und Menschen für ein Naturgesetz. Mozart
komponierte, unter historisch sicher anderen Bedingungen, gegen diese falsche Ideologie. Er sang mit seinen :
«Süß der Gedanke, dass nun die Menschheit wieder Stätte, wo jedes Bruderherz ihm, was er
war, und was er ist, und was er werden kann, so ganz bestimmt, wo Beispiel ihn belehrt, wo echte Bruderliebe
seiner pflegt und wo aller Tugenden heiligste, erste, aller Tugenden Königin, Wohltätigkeit in
stillem Glanze thront. Dieser Gottheit Allmacht ruhet nicht auf Lärmen, Pracht und Saus, nein, im Stillen
wiegt und spendet sie der Menschheit Segen aus.»
Wenn das keine Botschaft an jene
Marketingexperten ist, die aus Mozart eine Marke für ihre bornierten Geschäftserfolge machen wollen.
Aber auch für jene sollten diese Zeilen ein Signal sein, die nicht bereit sind, gegen die Sektiererei, die
den einzelnen Erfolg höher wertet als den gattungsmäßigen Fortschritt. Mozart folgte in
vielerlei Hinsicht seinem . Im Don Giovanni wird deutlich, dass die Liebe allein nicht den Fortschritt der
Menschheit garantiert, wenn dieser sich mit sozialer Unterwürfigkeit paart. , singt Masetto, der Geliebte
des Bauernmädchens Zerlina, die sein für sich begehrt, Masetto ist ein Feigling, er kämpft
nicht um die Liebe seiner Zerlina, die allerdings ebenfalls vom Reichtum und Charme ihres Herren so geblendet
ist, dass sie dessen Anmache fast mit offenen Armen empfängt.
Beide Eigenschaften sind dem modernen
untergebenen Arbeiter und Angestellten nicht so fremd. Zwar haben sich die Anzüge der Herren stark
verändert, auch ihr Charme hat sich längst auf die Vorstellung reduziert, dass Geld erotisch mache,
doch die Beziehung von und gibt es noch immer. Auch im Diener des Giovanni, Leporello, kann sich der moderne
Mensch durchaus erkennen, wenn dieser singt: «Keine Ruh bei Tag und Nacht, nichts, was mir
Vergnügen macht, schmale Kost und wenig Geld, das ertrage, wems gefällt! Ich will selbst den
Herren machen, mag nicht länger Diener sein. Gnädger Herr, Ihr habt gut lachen! Tändelt
Ihr mit einer Schönen, dann muss ich als Wache frönen. Ich will selbst den Herren machen, mag nicht
länger Diener sein.»
Mozart bietet Orientierung in eine Richtung,
die jenen Herrschaften allerdings gegen den Strich geht, die den Meister heute nur deshalb lauthals umjubeln,
weil sein Name ihr Geschäft oder Ansehen zu heben verspricht. «Nur gewaltsam, oder gelegentlich, wird
man bei Mozart, in dessen Musik so deutlich der Einstand zwischen spätem aufgeklärten Absolutismus
und Bürgerlichkeit Goethe tief verwandt widerhallt, antagonistische Momente musikalisch
identifizieren können. Vielmehr ist gesellschaftlich bei ihm die Gewalt, mit der seine Musik in sich
selbst zurückgeht.»
Mozart lebte und gestaltete seine Utopie vom besseren, vom menschlicheren Leben. Er war aber kein
Romantiker, sondern ein wahrhafter Künstler, der den Menschen mit den Mitteln seiner Kunst das eigene
entfremdete Leben ins Selbstbewusstsein zauberte, um eine Katharsis der eigenen Seele zu ermöglichen. Wem
beim Hören und Sehen der Zauberflöte die Tränen rollen, der ist deutlich sichtbar im Begriff,
seine Seele zu reinigen. Mit kitschiger Sentimentalität, wie sie manch zarte Seele bei Pilcherfilmen
überkommt, haben Zauberflötentränen nichts gemeinsam. Ob diese Tränenkur im Alltag
allerdings zu der Erkenntnis und Lebensumstellung führen wird, ist natürlich eine Frage des
Bewusstseins, das sich an den konkreten Klassenverhältnissen einer Gesellschaft orientieren muss.
Was in der Zauberflöte noch auf die der
Freimaurer beschränkt blieb, sollte allgemein gelebtes Leben der Menschen werden, so jedenfalls stand
Mozart der Sinn. Dass die Zauberflöte auch die Herzen der modernen Menschen bewegt, macht die Sehnsucht
deutlich, mit der wir noch immer versuchen unser Leben nach gattungsmäßigen, also nach
menschheitlichen Gesichtspunkten zu ordnen. Wir wollen nicht Rädchen in einem objektivierten
Marktmechanismus sein, der allein Kapitalinteressen folgt, sondern wollen als Menschen zu Subjekten wachsen,
die die abstrakten Kategorien der Ökonomie bewusst und demokratisch prägen.
Diese Mozarts gefällt allerdings den
Marketingexperten nicht. Die vielen Entfremdungen in unserem Leben bewusst zu machen und zu fühlen, ist
deren Sache nicht, leben sie doch gerade von diesen unseren Entfremdungen. Doch warum sollten wir eigentlich
nicht der Botschaft des Sarastros in der Zauberflöte folgen wollen, in dessen Arie es heißt: «In
diesen heilgen Hallen kennt man die Rache nicht, und ist ein Mensch gefallen, führt Liebe hin zur
Pflicht. Dann wandelt er an Freundes Hand vergnügt und froh ins bessre Land. In diesen heilgen
Mauern, wo Mensch den Menschen liebt, kann kein Verräter lauern, weil man dem Feind vergibt. Wen solche
Lehren nicht erfreun, verdienet nicht, ein Mensch zu sein.»
Sicher ist der Weg in dieses noch ein langer
und dornenreicher, aber er klingt mit Mozarts Noten nicht nur schön, er ist auch möglich!
Jürgen Meier
.
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