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Popmusik ist auch ein Ausdruck der fluiden Vergänglichkeit postmoderner
Kultur. 1992 war Chiapas eher in Hippiekreisen und unter Castańeda-Schülern bekannt, als die Region,
in der die alte Maya-Stadt Palenque liegt, als unter linken Aktivisten. Manu Chao spielte noch in einer
Punk Band namens Mano Negra, und wer damals Ska hörte, schaute vor allem nach London.
Vier Musikstudenten in Mexiko-Stadt hatten
die Idee, eine Art Latin Ska zu kreieren, politisch sahen sie sich in der Tradition der mexikanische
Revolution und nannten daher ihre Band nach dem Roman von Mariano Azuelas «Los de abajo», den er
1915 über diese Revolution geschrieben hatte. Schnell wuchs die Band auf zehn Mitglieder an und es
wurden nicht nur Ska und Latino-Musik gemischt. Tropi Punk nannten sie ihre Musik, die jedoch weit entfernt
ist von der einfachen Struktur der Punk-Musik. Rockiger Stilmix war von Beginn an das Markenzeichen von
LdA, und mit zunehmender Zahl ihrer Produktionen nahm auch die Anzahl der Einflüsse zu.
Das die Kasseten mit diesem Stilmix Anfang
der 90er Jahre von den Plattenlabels in Mexiko abgelehnt wurden, verwundert nicht. So fluide die Kultur
auch ist, die Kulturindustrie ist das ein oder andere Mal doch zu überraschen, was den Trend angeht.
So kursierten die ersten beiden in Eigenproduktion hergestellten Kassetten in der mexikanische Rockszene,
bis eine dieser Kasseten in New York bei David Byrnes Luaka Bob Label landete. «Das war eine herrlich
aufregende Kombination von Rockenergie, Salsa, Reggae und Cumbia», erinnert sich David Byrne.
«Wir fragten sie dann, ob sie uns ein Live-Video schicken könnten und bekamen eins, wo sie auf
einer Gewerkschaftsparty spielten. Sie spielten ihren ‹salsafied› Rock und das Publikum sprang
herum und mischte sich auf wie verrückt.»
Eine Live-Band sind LdA geblieben.
Annähernd achtmal um den Globus sind sie in den letzten 14 Jahren getourt, wenn wir die
zurückgelegten Kilometer addieren. «Wir kaufen unterwegs unentweg CDs und hörten Radio, egal
wo wir sind, und wir versuchen etwas über die Musik zu lernen, der wir begegnen.» Ihrer vierten
CD LdA v. The Lunatics ist das anzuhören. Auch die Gastmusiker und -musikerinnen präsentieren
diese Einflüsse. So etwa Natacha Atlas die «Tan lejos, tan cerca» mit ihrer Stimme
bereichert. Oder Neville Staples, Ex-Sänger der Ska-Legende The Specials. Sein Song «The lunatics
have taken over the asylum», in den 80er Jahren in Bezug auf Thatcher und Reagan geschrieben, wird zu
«El manicomio está in manos de los locos» und gilt für Fox und Bush sicher genauso.
Neville Staples, der eingangs verkündet: «Rude Boys, this is made in Mexico» , gibt so quasi
die offizielle Bekanntmachung, dass das Skazentrum nun wieder zurück in Lateinamerika.
Haben Panteon Rococo auf ihrer letzten CD
Subcomandante Marcos zu Wort kommen lassen, so nehmen Los de Abajo diesen Ball auf. «Resistencia»
zitiert FZLN-Comandante Esther, deren Ansprache in Resistencia hineingesampelt wird. Posaunistin Odisea
Valenzuela singt dieses Widerstandslied, sodass es nicht nur Ausdruck von Bewegung ist, sondern dass es
selbst bewegt. So wie Asian Dub Foundation Teile einer Rede von Tariq Ali einflechten, wird hier eine
Kollagetechnik verwandt, die politische Inhalte mit der Art, Musikstile zu zitieren, entsprechend einsetzt.
Auch in den anderen Stücken bleibt die Anbindung der Band an die sozialen und politischen Bewegungen
trotz des Wechselns auf ein Majorlabel deutlich.
Es entsteht eine Musik, die
Persönliches und Politik in eine Tanzmusik einbindet, von der die Einflüsse der Musikstile rund
um den Globus eingeimpft wurden und die ihre Wurzeln in der mexikanischen Straßenmusik
gleichermaßen als Leitfaden beibehalten hat. Mestizo Rock ist für diese Musik der weitaus
treffendere Begriff, doch der Bewegungsdrang, den sie auslöst ist weiterhin Tropi Punk.
Wirkliche Minuspunkte gibt es allerdings
für EMI. Bei so engagiertem song writing in dem Booklet lediglich ein Bild der Band, ein paar
Danksagungen und die Titel aufzuführen, aber keinen einzigen Text, doch dafür in den Kopierschutz
zu investieren das verleiht der ganzen Produktion einen üblen Beigeschmack.
Thomas Schroedter
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