SoZ - Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Februar 2006, Seite 21

GB/Kenya/BRD 2005, Drehbuch: Jeffrey Caine, Regie: Fernando Meirelles. Mit Ralph Fiennes, Rachel Weisz u.a. seit dem 12.1.2006 in den Kinos

Der ewige Gärtner

Selten schafft es eine kleine linke Initiative, in der Mainstreamkultur Beachtung zu finden. Dieser Ausnahmefall ist jetzt eingetreten und dieses seltene Glück wurde der BUKO-Pharma-Kampagne mit Sitz in Bielefeld zuteil. «Die BUKO Pharma-Kampagne in Bielefeld — nicht zu verwechseln mit Hippo in meinem Roman — ist eine finanziell unabhängige, personell unterbesetzte Vereinigung vernünftiger, hochqualifizierter Menschen, deren Ziel es ist, die Missetaten der pharmazeutischen Industrie, insbesondere deren Geschäfte in der Dritten Welt, ans Licht zu zerren.» So schreibt der Bestsellerautor John le Carré im Nachwort seines Romans Der ewige Gärtner, das als Vorlage für den gleichnamigen Film diente, den der brasilianische Regisseur Fernando Meirelles realisierte.
Bielefeld und «Hippo» (alias BUKO- Pharma-Kampagne) sind Schauplatz bzw. Akteur in Kapitel 16 des Romans. Im Film ist der Auftritt kürzer und wird nach Berlin verlegt. Die Gruppe erhält im Film nicht das Profil, das sie im Buch hat. Während der Protagonist im Buch mit der Aktivistin Birgit ein ausführliches, die Praktiken der Pharmaindustrie erhellendes Gespräch führt, reicht es im Film nur zu einem kurzen Gespräch auf der Straße, wobei Birgit recht verängstigt wirkt und dann schnell mit dem Fahrrad davon fährt.
Das ist nicht die einzige Verkürzung des Films. Um le Carrès vielschichtige Geschichte multiplexkinokompatibel zu machen, wird die Liebesgeschichte zwischen Tessa und Justin in den Vordergrund geschoben. Als Argument könnte man anführen, dass dies die einzige Möglichkeit ist, die Geschichte visuell erträglich zu machen. Es bleibt aber die Frage, ob der Film die Botschaft, die le Carré in seinem Buch offensichtlich wichtig war — dass das Treiben der Pharmaindustrie in der Dritten Welt (und nicht nur dort) tendenziell lebensgefährlich ist — wirklich vermittelt oder in einer Romanze ertränkt. Schon in City of God war festzustellen, dass Meirelles dazu neigt, soziale Probleme zu romantisieren. Auch in Der ewige Gärtner entgeht er dieser Gefahr nicht ganz.
Was macht den Film trotzdem sehenswert? Erstens die tolle schauspielerische Leistung der Mitwirkenden. Zweitens die Machart des Films, der ohne hektische Schnitte auskommt und wirklich schöne Bilder zeigt. Und dann drittens eben doch der Mut, ein schwieriges Thema in einem Mainstreamfilm anzugehen. Bei der Gratwanderung zwischen kommerziellem Erfolg und Vermittlung einer humanitären Botschaft sollte man die Latte nicht allzu hoch anlegen. Was nutzt schon ein Film, der zwar allen politische Reinheitsgeboten entspricht, den dann aber nur ein paar Leute in wenigen Programmkinos zu sehen bekommen?
John le Carré, der bisher eher als Autor von Spionageromanen im Zeitalter des Kalten Krieges bekannt wurde, demonstriert in seinem Buch, dass mit dem Ende des Kalten Krieges nicht das Ende der Geschichte gekommen ist. Man könnte hinzufügen, dass der Kapitalismus nur übrig geblieben und keines seiner Probleme gelöst ist. Dazu gehören, dass ein großer Teil der weltweit vertriebenen Medikamente entweder unnütz oder sogar gefährlich sind. Die wirklich nützlichen Medikamente sind besonders für die Menschen in der Dritten Welt nicht bezahlbar.
So entsteht ein Teufelskreis: Weil man an die im positiven Sinne wirksamen Medikamente nicht rankommt, greift man zu anderen, die mehr Probleme verursachen als lösen. Neun von zehn AIDS-Kranken in Afrika haben keinen Zugang zu lebenswichtigen Medikamenten. Aber auch die im Film gezeigte Praxis, noch nicht ausgereifte oder gar gefährliche Mittel in Ländern der Dritten Welt zu testen — im Film heißt das fiktive Mittel «Dypraxa» und das gar nicht fiktive Land, in dem so etwas wirklich passiert, Kenya — ist nach Auskunft der BUKO-Pharma-Kampagne realistisch. Wenn auch der Schriftsteller und die Filmemacher schon aus juristischen Gründen Wert auf die Feststellung legen, dass die Handlung des Films erfunden ist, so wirft er doch einen durch eine Liebesromanze abgemilderten Blick auf eine brutale Realität.

Andreas Bodden

John le Carré: Der ewige Gärtner, München: List, 2002, 558 S., 19,95 Euro.

BUKO-Pharma-Kampagne, August-Bebel-Str.62, 33602 Bielefeld, mail@bukopharma.de, www.bukopharma.de.





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