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Am 1.Januar 2006 ist Harry Magdoff gestorben. Über Jahrzehnte war er
Mitherausgeber der sozialistischen Zeitschrift Monthly Review und einer der maßgebenden
Imperialismustheoretiker der englischsprachigen Linken.
Geprägt wurde Magdoff, 1913 in der New
Yorker Bronx geboren, durch das Massenelend der Großen Depression, aber auch durch die
Klassenkämpfe jener Zeit, die schließlich zur gesetzlichen Anerkennung der Gewerkschaften sowie
der Einführung sozialer Sicherungssysteme in Roosevelts New Deal geführt haben. Als sich nach
Ende des Zweiten Weltkrieges die Kalten Krieger gegen den fortschrittlichen Flügel in der New-Deal-
Koalition durchsetzten, verlor Magdoff seine Posten in der öffentlichen Verwaltung und sah sich statt
dessen antikommunistischer Anfeindungen ausgesetzt. Danach verdiente er seinen Lebensunterhalt als Wall-
Street-Analyst, Verleger und löste 1969 den kurz zuvor verstorbenen Mitbegründer und -herausgeber
von Monthly Review, Leo Huberman, ab.
Bekannt wurde Magdoff mit seinem 1969 (und
1970 auf deutsch) veröffentlichten und weit verbreiteten Buch Das Zeitalter des Imperialismus. Die
darin entworfene Theorie, die im Laufe der folgenden Jahre in vielen Aufsätzen und Büchern
vertieft wurde, versteht Imperialismus als Spaltung der kapitalistischen Weltwirtschaft in Metropolen und
Peripherien.
Bei der Durchsetzung dieser hierarchisch
strukturierten Weltwirtschaft spielt der Kolonialismus als gewaltsamer Türöffner kapitalistischer
Produktionsverhältnisse eine wichtige Rolle, der aber für den Fortbestand des Imperialismus nicht
entscheidend ist. Nachdem die Spaltung in Metropolen und Peripherien von den europäischen
Kolonialmächten durchgesetzt war, konnte sich schließlich ein «Imperialismus ohne
Kolonien» unter Führung der USA etablieren.
Entscheidend für die
Führungsrolle der USA war eine Reihe von Basisinnovationen am Ende des 19.Jahrhunderts, die in den
entstehenden Großkonzernen wirkungsvoll angewendet wurden. Diese später als Fordismus bezeichnete
Betriebsweise führte zu außerordentlich raschem Wachstum und wurde schließlich zum
weltweiten Vorbild effizienten Wirtschaftens.
Magdoff betonte allerdings auch, dass die
Wachstumspotenziale dieser Betriebsweise ohne staatliche Intervention nicht hätten ausgeschöpft
werden können, sondern zu Stagnation geführt hätten. Unter diesen Bedingungen bot der Kalte
Krieg eine ausgezeichnete Gelegenheit, mit Hilfe einer permanenten Kriegsökonomie Nachfrage und
Beschäftigung zu stabilisieren und gleichzeitig politische Opposition sowie soziale Forderungen mit
dem Verweis auf die notwendige Verteidigung der freien Welt gegen den Kommunismus im Zaum zu halten.
Magdoff hat stets auf die politischen und
wirtschaftlichen Grenzen des US-Imperialismus hingewiesen. Erstere sah er im Zusammenspiel von
Bürgerrechtsbewegung in den USA sowie Befreiungsbewegungen in der Peripherie, letztere in den
nachlassenden Wachstumsimpulsen des Militärkeynesianismus und der gleichzeitig explosionsartig
anwachsenden Verschuldung von Staat, Unternehmen und privaten Haushalten.
Während seine Hoffnung,
antiimperialistische Bewegungen mögen innerhalb der USA einen sozialistischen Flächenbrand
auslösen, spätestens in den frühen 80er Jahren enttäuscht wurden, haben sich seine
Analysen globaler Schuldenakkumulation sowie hieraus resultierender Instabilität und damit
begründeter Militärintervention als leider allzu richtig erwiesen.
In der (west)deutschen Linken fanden
Magdoffs Arbeiten vergleichsweise wenig Widerhall. In den 70ern ließen sie sich nicht bruchlos in
parteikommunistische Orientierungen an Moskau oder Peking einbinden und genügten andererseits nicht
den werttheoretischen Ansprüchen der wesentlich akademisch geführten Weltmarktdebatte.
In den 80er Jahren ließ die Suche nach
postfordistischen Auswegen aus der kapitalistischen Krise Magdoffs Beharren auf der Stagnationstendenz des
Kapitals unattraktiv erscheinen und in den 90ern stand seine Betonung der imperialistischen Verflechtung
von Wirtschaft und Politik quer zur linken Globalisierungsdebatte.
Nachdem die globalisierungskritische
Bewegung, die sich lange einseitig auf vermeintlich entpolitisierte Märkte konzentriert hat, ihre
erste Mobilisierungsphase hinter sich gelassen und in eine Phase der Neuorientierung eingetreten ist,
bestehen allerdings Chancen, dass Magdoffs theoretisches Erbe aufgegriffen und weiterentwickelt wird.
Ingo Schmidt
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