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Der Name Jackson Pollock ruft bei verschiedenen Leuten unterschiedliche
Assoziationen ab: Genie, Trinker, Erneuerer, Frauenfeind, Sozialist, CIA. In allem liegt ein Element der
Wahrheit, wenngleich diese wie gewöhnlich weitaus komplizierter ist.
Jackson Pollock wurde 1912 in Cody in Wyoming (USA) als einer von fünf Brüdern geboren,
von denen zwei politisch aktiv waren einer trat der KP bei , während Jackson und sein
Bruder Charles Maler wurden.
Die Hinführung zu linker Politik kam
durch seinen Vater. Seine Eltern waren irisch-schottischer Abstammung, und sein Vater war Anhänger von
Eugene V. Debs, dem Präsidentschaftskandidaten der Sozialistischen Partei, sowie ein Mitglied der
syndikalistischen Gewerkschaftsbewegung der Industrial Workers of the World (IWW).
Auch war er, nachdem er 1930 nach New York
gezogen war, wo er zusammen mit dem regionalistischen Maler Benton studierte, von den mexikanischen
Wandmalern Diego Rivera und David Alfaro Siqueiros sehr beeindruckt. Siqueiros half er 1936 einen
Umzugswagen für den 1.Mai vorzubereiten.
Politisch war dies für die Linke in
New York und anderswo eine wichtige Phase. Stalin hatte den Kampf um die Kontrolle über die
Sowjetunion gewonnen und Trotzki kämpfte ein Nachhutgefecht und tat sein Bestes, um die politischen
Köpfe und Herzen der Linken zu gewinnen. Auch die Welt der Kunst war ein Schlachtfeld in diesem Krieg.
Siqueiros bspw. war ein loyaler Stalinist und an einem Mordanschlag auf Trotzki beteiligt, während
viele andere Künstler zu Trotzki hielten. Dies geschah jedoch mehr als Reaktion auf das von Stalin und
seinen Kohorten ausgehende Diktat des «sozialistischen Realismus». Zu diesem politischen
Durcheinander stießen Künstler, die aus dem faschistischen Europa geflüchtet waren und
zahlreiche neue und aufregende künstlerische Entwicklungen mitbrachten. Darunter waren viele
Surrealisten und Vertreter der abstrakten Kunst, von denen sich Pollock inspirieren ließ.
Für Pollock waren die 30er und 40er
Jahre in vieler Hinsicht zentrale Jahrzehnte. Seine Trunksucht wurde für ihn zu einem realen Problem,
das ihn sein restliches Leben lang quälen sollte und zu häufigen Klinikaufenthalten und
schließlich zu seinem Tod führte. Zweitens verschaffte ihm Roosevelts Federal Art Project die
Gelegenheit zu malen, wodurch ncht nur sein Lebensunterhalt gesichert, sondern auch seine
künstlerische Entwicklung gefördert wurde. Und drittens lernte er seine Ehefrau Lee Krasner
kennen, eine Künstlerin und nach Auffassung einiger eine Trotzkistin. Für Pollocks
künstlerische Entwicklung war letzteres das wichtigste Ereignis, das jedoch für Krasner sowohl
emotional wie künstlerisch mit großen Opfern verbunden war.
Pollocks Stil hatte sich entlang der Linie der Abstraktion entwickelt, zusammen mit Künstlern wie
Willem De Kooning, Franz Kline und Mark Rothko. Die Abstraktion ist eine nichtdarstellende Kunst, bei der
Form, Linie und Farbe das Gemälde auf ähnliche Weise definieren wie musikalische Noten eine
Sinfonie. Durch seine Frau traf Pollock seine künftige Wohltäterin, die von abstrakter Kunst
begeisterte Peggy Guggenheim. Guggenheim, eine der reichsten Frauen der Welt, förderte die abstrakte
Kunst, die zu dieser Zeit nicht besonders bekannt oder beliebt war. Sie verschaffte Pollock Aufträge
und ein Jahresstipendium sowie eine Ausstellung. Somit konnte er sich ohne Geldsorgen ganz dem Malen
widmen. Er zog von New York nach Long Island, wo Pollock vom Stress des Stadtlebens befreit schien, und
eine Zeit lang gab er das Trinken auf.
In Long Island wandelte sich Pollock vom
abstrakten Künstler zum abstrakten Expressionisten, wenngleich dies schon in New York mit Guggenheims
Auftrag begonnen hatte. Der abstrakte Expressionismus wurde als wahrhaft amerikanische Kunstform
beschrieben, doch wie die meisten Kunstformen entstand er nicht aus heiterem Himmel, noch kamen seine
Vorläufer aus Amerika. Die abstrakte Kunst hatte ihren Ursprung in den Gemälden des Russen
Kandinsky, der sie zusammen mit anderen europäischen und US-Künstlern entwickelt hatte. Die
Ursprünge des Expressionismus liegen in der Kunst Deutschlands und des nördlichen Europa im
späten 18. und 19.Jahrhundert. Der Expressionismus versucht die Emotionen und Gefühle des
Künstlers in das Gemälde zu integrieren. Ein Beispiel für Expressionismus ist das
berühmte Gemälde «Der Schrei» von Edvard Munch (1893).
Die New Yorker Künstler brachten diese
beiden Stile zusammen und produzierten einen nichtdarstellenden Expressionismus, dessen berühmtester
Vertreter Jackson Pollock werden sollte. Dessen Stil wird wegen der von ihm entwickelten Technik manchmal
auch Action Painting genannt. Er befestigte die Leinwand auf dem Fußboden, sodass er leicht um sie
herumgehen konnte. So konnte er die Farbe direkt auf die Leinwand tropfen oder spritzen, wobei er den
Pinsel benutzte, um Muster zu erschaffen. Manchmal bedeckte er Teile des Bildes mit festen Farbschichten,
dann wieder benutzte er Stöcke zum Malen oder verwendete Sand oder andere Materialien. Viele sahen
darin nur ein Chaos: jeder sei in der Lage, Farbe auf eine Leinwand zu spritzen und dies ein Gemälde
zu nennen. Für Pollock war dies jedoch ein bewusster Prozess, die Farbe landete auf dem
gewünschten Platz. Gewissermaßen war dies das, was die Surrealisten mit dem Automatismus zu
erreichen suchten: die Produktion einer Kunst direkt aus dem Unbewussten.
Auf die Frage, warum er auf diese Weise malte, antwortete Pollock: «Der moderne Maler kann dieses
Zeitalter, das Flugzeug, die Atombombe, das Radio nicht in den Formen der Renaissance oder einer anderen
Kultur der Vergangenheit ausdrücken. Jedes Zeitalter findet seine eigene Technik.» Dies ist eine
wichtige Aussage, denn der abstrakte Expressionismus ist als unpolitisch beschrieben worden, weshalb ihn
die CIA auch als Waffe im Kalten Krieg benutzte. In ihrem Buch Who paid the Piper. The CIA and the Cultural
Cold War enthüllte Frances Stoner Saunders, dass die CIA Pollocks Kunst und die anderer Künstler
subventionierte, um das Zentrum der Kunstwelt in die USA zu verschieben. Es gibt keinerlei Anzeichen
dafür, dass Pollock oder viele andere eine Vorstellung von dem hatten, was da geschah.
Die CIA benutzte eine Frontorganisation,
den Congress for Cultural Freedom, die zusammen mit der Rockefeller und der Ford Foundation die ihrer
Meinung nach kulturelle Dominanz der Linken bekämpfen sollten. Stalin benutzte den
«sozialistischen Realismus», um die Tugenden des «Sozialismus» darzulegen, und Paris
beherbergte linke Intellektuelle wie Sartre oder Picasso. Die CIA sah im abstrakten Expressionismus das
perfekte Werkzeug, um das künstlerische Kräftezentrum zu verschieben. Der abstrakte
Expressionismus drückte für die CIA Freiheit und Individualismus aus und wies keinerlei offenen
politischen Kontext auf.
Natürlich war dies nicht das erste
Mal, dass finanzielle oder politische Interessen die Kunst dazu benutzten, ihre Ideale zu fördern,
wenngleich dies gewöhnlich nicht heimlich geschehen ist. Die Medici in der Renaissance, die
katholische Kirche während der Gegenreformation, die Satchi mit der britischen Kunst in der
einen oder anderen Weise waren sie alle erfolgreich. Deshalb stellt sich die Frage, ob Pollock ohne diese
Unterstützung so erfolgreich gewesen wäre. In einem gewissen Maße haben Künstler stets
eine Art Mäzen benötigt, damit ihr Werk die entsprechende Aufmerksamkeit erhält, sogar ein
Michelangelo. Ob sie wirklich gut sind, wird vielleicht eher durch die Zeit entschieden, wenngleich dies
nicht immer stimmt.
Pollock setzte seine Tätigkeit auch
fort, als er wieder anfing heftig zu trinken. Die alten Dämonen verfolgten ihn wieder. Wenngleich er
weiter ausstellte, wurde dem abstrakten Expressionismus sein Platz an der Sonne von neuen Kunstformen
streitig gemacht. Pollock hatte nun regelmäßig Konflikte mit Lee. Dies und Pollocks Technik, bei
der er über der Leinwand gebeugt mit einem phallusähnlichem Objekt Farbe auf die Leinwand
spritzte, führte zu einer skeptischen Einschätzung seiner Arbeit aus feministischer Sicht.
Die Frage, die sich viele auf der Linken stellen, lautet, ob der abstrakte Expressionismus eine
selbstgefällige bürgerliche Kunst der negativsten Art ist. Oberflächlich betrachtet scheint
diese Kunstform keinerlei Anhaltspunkte für eine dialektische Analyse zu liefern. Schaut man jedoch
auf die historischen Zeitumstände und die Absichten und Ideen des Malers, kann man ein besseres
Verständnis dieser Kunst erlangen. War Pollocks Erwähnung der Atombombe zufällig und ohne
Bedeutung oder deutete sie zu Beginn des nuklearen Wettrüstens die Furcht von Pollock und anderen
Künstlern vor dem an, was aus solch einem Wettrüsten resultieren kann? Die Künstler sind
gegenüber ihrer Umgebung nicht immun, und was um sie herum geschieht, kommt im Allgemeinen in ihrer
Kunst wieder zum Vorschein. Der abstrakte Expressionismus hat zu vielen Diskussionen über die Natur
der Kunst, die Gefühle, die Gesellschaft und darüber, wie wir die Welt sehen, geführt,
worüber die herrschende Klasse nicht allzu sehr begeistert ist.
Schließlich ist nichts falsch daran,
Kunst aus ästhetischen Gründen zu mögen, ohne sie erst dahingehend zu Tode zu analysieren,
ob sie in einen sozialistischen Rahmen hineinpasst.
Kenny McEwan
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