SoZ - Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, März 2006, Seite 4

Deutschgebot

Wider alle Vernunft

von LARISSA PEIFFER-RÜSSMANN

Deutsch ist die Unterrichtssprache, in Deutsch sind alle Schulbücher und Deutsch ist die Sprache der Ämter — das ist für viele der Migrantinnen und Migranten nicht immer ganz einfach. Da ist es entspannend, sich mit Landsleuten mal ganz ungezwungen in der eigenen, der vertrauten Sprache, unterhalten zu können, auch in der Schule. Doch plötzlich heißt es: Nur noch Deutsch in den Pausen! Wer nicht Deutsch spricht, wird zum Integrationshemmnis hochstilisiert.
Es zählen nicht mehr die 6 Stunden Unterricht am gleichen Vormittag, es wird nicht die fehlende Förderung in der deutschen Sprache angemahnt. Jetzt geht die Diskussion in die Richtung, wo viele sie gerne haben möchten. Der Schuldige an der Misere ist der Migrant selber. Bei den unerwünschten Sprachen geht es natürlich nicht um Englisch oder Französisch, sondern um Türkisch, Arabisch und Russisch — sie haben auf deutschen Schulhöfen nichts zu suchen. Solche Sprachverbote kennen wir eigentlich nur aus zutiefst undemokratischen Ländern wie der Türkei, wo kurdischen Kindern in den Schulen das Sprechen der eigenen Muttersprache untersagt wird. Ist das jetzt die neue Form der Angleichung?
Die Entscheidung einer Berliner Realschule, in den Pausen nur noch Deutsch zuzulassen, ist die hilflose Reaktion auf die offizielle Migrationspolitik der Ausgrenzung, der es nicht um Integration geht, die vielmehr davon ablenken will, dass sie nicht für einen angemessenen Sprachunterricht und damit für mehr Bildungsgerechtigkeit sorgt. Es ist eine weitere Variante des reaktionären Trends in unserer Gesellschaft.
Unterschlagen wird die Erkenntnis, dass die Muttersprache für die geistige Entwicklung der Kinder von immenser Bedeutung ist. Wider alle Vernunft wird der muttersprachliche Ergänzungsunterricht abgebaut und die Diskussion durch das Deutschgebot weiter angeheizt und der Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Bildungserfolg gerade bei Migrantenkindern ignoriert. Dabei könnte die Zwei- und Mehrsprachigkeit, richtig genutzt, ein großer Vorteil für diese Kinder sein. Statt Verdrängung der Herkunftssprachen wäre die Erziehung zum Verständnis für kulturelle Vielfältigkeit das Gebot der Stunde.

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