SoZ - Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, März 2006, Seite

Zwei Monate im Kölner Stadtanzeiger

Arbeitsplatzvernichtung in Deutschland

Die Konzerngewinne explodieren, Aktienkurse und Dividenden steigen, die Wirtschaft rechnet nach Jahren der Stagnation erstmals wieder mit beschleunigtem Wachstum. Doch dies alles schlägt weder auf die Kaufkraft noch auf die Arbeitsplätze durch. Anfang Februar waren wieder über 5 Millionen Menschen offiziell erwerbslos. Und auch 2006 wollen die Unternehmer in Deutschland weiter Personal abbauen — dem Vernehmen nach 11%.
Eine systematische Auswertung der Ausgaben des Kölner Stadtanzeigers von Ende November bis Mitte Februar belegt dies. Dabei gehört gerade die exportorientierte Industrie (Auto, Telecom) zu den größten Jobkillern — siehe dazu die nachstehende Aufstellung.

29.11.05

Das Samsung-Werk in Berlin mit 750 Beschäftigten soll geschlossen werden. Samsung hatte nach der Wende das einst größte Bildröhrenwerk der DDR gekauft, gefördert durch ein 30- Millionenprogramm der Stadt Berlin. Das Förderprogramm und die damit verbundene Arbeitsplatzgarantie sind Ende 2005 ausgelaufen.
Auch JVC will ihr Werk in Berlin- Reinickendorf dicht machen, obwohl die Belegschaft laut IG Metall angeboten hat, eine Kamera künftig um 7,50 Euro billiger zu fertigen als in Malaysia.
Der Zigarettenhersteller Reemtsma will 250 von 550 Beschäftigten in Berlin entlassen.
Die Arbeitslosenquote liegt in Berlin offiziell bei 19%. Jeder Siebte lebt hier unterhalb der Armutsgrenze.

29.11.05

Die Handelskette Spar schickt 1300 von 2800 Beschäftigten in die Beschäftigungsgesellschaft.

1.12.05

Der japanische Elektrokonzern Matsuhita schließt ein Bildröhrenwerk in Esslingen mit 600 Beschäftigten. Als Grund wird der Preisverfall für Bildröhren angegeben.

1.12.05

Der Mischkonzern Freudenberg will in Deutschland über 500 Stellen abbauen.

13.12.05 <

Elektrolux will das AEG-Werk Nürnberg schließen. 1750 Beschäftigte sollen entlassen werden. Ein Angebot der Belegschaft, pro Jahr auf 15 Millionen Euro Lohn zu verzichten und den Stellenabbau auf 750 zu beschränken, hatte die Konzernleitung abgelehnt. Seitdem stehen die Beschäftigten im Streik. Elektrolux will die Hälfte seiner 27 Werke an westeuropäischen Standorten schließen und neue in Osteuropa aufbauen. Werke werden auch in Spanien und Italien geschlossen. Der Konzern macht Gewinne.

13.12.05

Der Aufsichtsrat der Deutschen Telekom stimmt der Vernichtung von 32000 Arbeitsplätzen bis zum Jahr 2008 zu. Es betrifft vor allem die Festnetzsparte T-Com. Einen Monat später kündigt Personalchef Klinkhammer an, das werde nicht «das Ende der Fahnenstange sein».

16.12.05

Bei der Wohnungsgesellschaft Viterra fallen nach Übernahme durch die Deutsche Annington 420 Arbeitsplätze weg.

17.12.05

Der neue Vorstandsvorsitzende von Daimler-Chrysler verkündet den Abbau von 8500 Arbeitsplätzen im Fahrzeugbereich. Im Januar folgt die Meldung, jeder fünfte Mitarbeiter in der Verwaltung und jeder dritte Manager werde seinen Job verlieren. Bis zum Jahr 2008 könnten 22000 Arbeitsplätze im Konzern wegfallen. Am 21.1. meldete der Konzern, 5000 Beschäftige hätten bereits Aufhebungsverträge unterschrieben, «auf freiwilliger Basis».

17.12.05

Ver.di teilt im Rahmen der Tarifverhandlungen für die Versicherungsbranche mit, dass auf Grund erster Ankündigungen der Konzerne «in den nächsten fünf Jahren 15000 der 240000 Jobs wegfallen sollen». Die Unternehmen seien gesund und ertragsstark.

17.12.05

Hewlett-Packard will in Deutschland jede sechste Stelle abbauen, insgesamt 1500 Mitarbeiter.

19.12.05

Mobilcom will im 1.Halbjahr 2006 rund 200 von 1540 Stellen streichen und die Personalkosten dadurch um bis zu 15% senken.

19.12.05

Vier deutsche Großverlage wollen eine Papierfabrik in Russland aufbauen,um von ihren deutschen Lieferanten unabhängiger zu werden.

3.1.06

1350 Beschäftigte der Ford-Werke in Köln und Saarlouis sowie im Entwicklungszentrum Aachen haben zum 31.12.05 Abfindungsverträge unterschrieben. Das Management hatte mit betriebsbedingten Kündigungen gedroht. Für 2005 erwartet der Konzern in Europa Gewinne zwischen 100 und 200 Millionen Dollar.
Der Arbeitsplatzabbau steht im Zusammenhang mit einer umfassenden Umstrukturierung des Autokonzerns, die unbestätigten Berichten zufolge bis 2011 zu einer Schließung von bis zu zehn Fabriken und Streichung von über 100000 Arbeitsplätzen führen kann, davon 2600 in Europa.
Ford hat, ebenso wie General Motors, auf dem US-amerikanischen Automarkt große Verluste erlitten.

5.1.06

Agfa Photo in Leverkusen hat im November die Produktion an den Standorten Leverkusen und München eingestellt. Über tausend Beschäftigte sind in eine Beschäftigungsgesellschaft gewechselt.

20.1.06

Die Staatskanzlei Düsseldorf will bis 2010 jährlich 1,5% der Stellen abbauen, insgesamt 35000 Stellen. Gleichzeitig soll die Arbeitszeit verlängert werden.
Im Umweltministerium soll fast jede vierte der 4500 Stellen gestrichen werden. Der Verkehrsminister will in seinem Bereich in 2006 109 Stellen streichen. Die «Verwaltungsreform» soll im Frühjahr 2006 angegangen werden. «Alles wird sozialverträglich abgewickelt!», sagt der Umweltminister.

20.1.2006

Konica will sein Kamerageschäft sowie die Filmherstellung aufgeben. 3700 Stellen fallen weg.

21.1.06

Conti schließt das Werk in Hannover: 320 Beschäftigte fliegen auf die Straße.

26.1.06

TMD Friction (Bremsbelege-Hersteller) will neues Werk in Rumänien bauen. 420 Arbeitsplätze dadurch gefährdet. Grund: gestiegene Kosten für Stahl und Energie.
Ab sofort sollen die Mitarbeiter ohne Lohnausgleich 40 Stunden pro Woche arbeiten und unbezahlte Überstunden leisten.

3.2.06

Die Glasfabrik LG.Philips hat Insolvenz angemeldet. Ursprünglich hiess es, davon seien 400 Beschäftigte des Werkes Aachen betroffen. Nun heißt es, die gesamte Holding sei betroffen, das sind 17000 Beschäftigte in 20 Fabriken. Es ist eine der größten Insolvenzen der niederländischen Geschichte.

3.2.06

Bis 2008 fallen am Kölner Landgericht 14 Richterstellen weg, nachdem in den vergangenen Jahren bereits 30 abgebaut worden waren, Die verbliebenen Richter arbeiten 20% über der Auslastungsgrenze.

8.2.06

Beim Norddeutschen Rundfunk werden bis Ende des Jahres 50 Hörfunk- und Fernsehjournalisten entlassen. 2005 mussten schon 45 gehen.

13.2.06

VW will trotz kräftiger Gewinnsteigerungen in 2005 im Pkw-Bereich kräftig sparen. Alle Beschäftigten im Autobereich sollen künftig 42 Stunden pro Woche arbeiten statt 28, die der Haustarif vorsieht. Ohne Lohnausgleich, versteht sich. Das macht 20% weniger Stundenlohn. Nach dem Haustarifvertrag von 2004 sind betriebsbedingte Kündigungen bis 2011 ausgeschlossen, trotzdem will Pischetsrieder über einen Personalabbau in der Größenordnung von 20000 Beschäftigten in den nächsten drei Jahren verhandeln — auf dem Weg der Altersteilzeit bzw. von Aufhebungsverträgen. Die Schließung eines Montagewerks sei kaum zu vermeiden, ließ sich ein Manager vernehmen.
Der VW-Konzern steigerte in 2005 durch ein Sparprogramm von 3,5 Mrd. Euro sein Ergebnis vor Steuern gegenüber 2005 um 58% auf 1,72 Mrd. Euro. und erhöhte die Zahl der ausgelieferten Fahrzeuge um 3,2%. Der Konzern hat eine Erhöhung der Dividende angekündigt.

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