SoZ - Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, März 2006, Seite 14

Die Kuh zum Melken und zum Schlachten

EU-Agrarprämien mästen das Agro-Business

Immer wieder ist die Erregung groß, wenn von den Agrarsubventionen der Europäischen Union die Rede ist. Dass Europas Steuerzahler die Bauern durchfüttern und ihnen mit gewaltigen Summen ein wohlbeleibtes Leben bescheren, hat sich in die Köpfe der Bürger längst eingebrannt. Tatsächlich verteilt ja auch die EU jährlich über 40 Milliarden Euro im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik. Bloß: wo landet das Geld?

In England zum Beispiel bei der königlichen Familie. Die sind ja bekanntlich die Reichsten im Land und verfügen auch über erheblichen Grundbesitz. Sollen sie nur deshalb nichts kriegen, weil sie viel haben? Oder Dänemark: da nehmen allein vier Minister der Regierung regelmäßig EU- Agrarsubventionen in Empfang. Die Leute wollen natürlich auch leben und haben sicherlich irgend etwas mit Kühen, Fischen oder Schweinen zu tun. Der Landwirtschaftsminister in den Niederlanden, der gewiss Tomaten züchtet, jedenfalls vom Fach ist und das ist gut so, kriegt auch was, 150000 Euro nämlich; und sein Kollege in der Slowakei bekommt 1,3 Millionen. Weil er eine Firma hat, die irgendwas mit Landwirtschaft macht.
Das alles entspricht bestimmt mehr oder weniger den Vergaberichtlinien, Schmu an der einen oder anderen Stelle eingeschlossen; irgendetwas bleibt halt immer an den politischen Mittlern kleben. Aber nicht dieser Schmu ist dramatisch, dramatisch ist das System:
Für Frankreich hat die Zeitung La Tribune errechnet, dass 70% der Landwirte dünne 17% der dort ausgeschütteten Prämien erhalten. Auf inoffiziellem Wege ist die Zeitung an diese Zahlen gelangt. Denn Frankreich legt nicht offen, wer im Lande welches Geld erhält. In Dänemark ist man da demokratischer gesonnen. Und was dort veröffentlicht ist, bestätigt die Recherche in Frankreich: Per internet — www.farmsubsidy.org — kann jeder Interessierte erfahren, wo die über Dänemark ausgegossenen 1,2 Milliarden Euro versickern. Zum Beispiel bei Arla Food Ingredients, die mit 64 Millionen Euro die Liste der 20 bestbezahlten Subventionsempfänger anführt. Arla macht in Milchprodukte und ist international tätiger Großhändler. Mit China hat die Firma gerade ein Joint Venture abgeschlossen. Oder Danish Crown, der sechste auf der Liste. 6 Milliarden Euro setzt Europas größter Schlachthof jährlich um und natürlich ist er ebenfalls stark im Export engagiert. Dafür erhielt der Großkonzern insgesamt 21 Millionen Euro an EU-Agrarsubventionen, die Hälfte davon als Exportstütze ausgewiesen.
Die Firma ist zuletzt unrühmlich wegen der Dumpinglöhne aufgefallen, die sie in ihren deutschen Schlachthöfen zahlt. Weniger bekannt wurde, dass der Konzern die Schweinepreise an die zuliefernden Bauern auch im vergangenen Jahr weiter gesenkt hat. Dass die Masse der Landwirte ihre Einbußen durch EU-Agrarprämien abfedern konnte, darf bezweifelt werden.
Die Vielen nämlich, wie nicht anders zu erwarten, kriegen nirgendwo in europäischen Landen dickes Geld. Nicht in Frankreich, nicht in Dänemark oder England, und auch nicht in Deutschland. Die letzte hierzulande veröffentliche Statistik über Agrarsubventionen ist sechs Jahre alt und zeigt, dass drei Viertel der begünstigten Betriebe jeweils weniger als 10000 Euro erhielten; dafür haben 1% der Empfänger jeweils über 100000 Euro und damit 30% der Gelder eingesackt, in Summe: 1,5 Milliarden.
Aktuelle Zahlen will Deutschland nicht herausrücken. Präzisere, ähnlich wie in Dänemark, schon gar nicht. Es sperren sich nicht nur die Landwirtschaftsministerien der Länder und des Bundes, es sperren sich auch der Deutsche Bauernverband und die Ernährungswirtschaft.
Aber auch die bereits veröffentlichten Zahlen zeigen: Die Agrarsubventionen fördern die industrielle Massenproduktion und die exportorientierten Nahrungsmittelfabriken, aber nicht die Mehrzahl der Bauern, die wohl doch nicht so ganz unberechtigt über ihre geringen Einkünfte klagen. Deutlicher noch: die EU-Agrarsubventionen zielen auf die Fortsetzung des Bauernsterbens, weil sie nur die Großen absichern und ihnen trotz ständig sinkender Erzeugerpreise trotzdem betriebswirtschaftlichen Gewinn sichern.
Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft AbL hat deshalb anlässlich der Grünen Woche gefordert, die EU-Subventionen nicht mehr an die Produktmenge oder die Hofgröße und erst recht nicht an erzielte Exportvolumina zu koppeln, sondern die Gelder je eingesetzter Arbeitskraft auszuzahlen. Damit würde tatsächlich der Zwang zu ständiger Rationalisierung, immer größeren Betriebseinheiten und schließlich auch der Wahnsinn des Dumpingexports aus Europas Agrarfabriken wenigstens gebremst.
Denn die EU-Agrarsubventionen befördern nicht nur das Bauernsterben in Europa. Sie vernichten mit essbaren Billigwaren die Existenz Hunderttausender Landwirte auf der ganzen Welt. Seit 1999 wurde der Agrarexport aus Deutschland um 50% auf 36 Milliarden Euro gesteigert, allein von 2003 bis 2005 um über 10%. Mit deutschem und europäischem Hühnerfleisch, mit Schweinen, Gemüse, Milch, Zucker oder Speiseöl zu subventionsgestützten Dumpingpreisen werden die Agrarmärkte in zahlreichen Ländern der Dritten Welt aufgerollt und liquidiert.
Ist es da noch verwunderlich, wenn z.B. in den Niederlanden der Weltkonzern Nestlé zu den Topempfängern von EU-Agrarbeihilfen zählt!? Oder die BASF in Belgien absahnt!? Und die belgische Bank Crédit Agricole genauso zu den dicksten Subventionsempfängern gehört wie der US-Tabakriese Philip Morris!?

Albrecht Kieser

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