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Immer wieder ist die Erregung groß, wenn von den Agrarsubventionen der
Europäischen Union die Rede ist. Dass Europas Steuerzahler die Bauern durchfüttern und ihnen mit
gewaltigen Summen ein wohlbeleibtes Leben bescheren, hat sich in die Köpfe der Bürger längst
eingebrannt. Tatsächlich verteilt ja auch die EU jährlich über 40 Milliarden Euro im Rahmen
der gemeinsamen Agrarpolitik. Bloß: wo landet das Geld?
In England zum Beispiel bei der königlichen Familie. Die sind ja bekanntlich die Reichsten im
Land und verfügen auch über erheblichen Grundbesitz. Sollen sie nur deshalb nichts kriegen, weil
sie viel haben? Oder Dänemark: da nehmen allein vier Minister der Regierung regelmäßig EU-
Agrarsubventionen in Empfang. Die Leute wollen natürlich auch leben und haben sicherlich irgend etwas
mit Kühen, Fischen oder Schweinen zu tun. Der Landwirtschaftsminister in den Niederlanden, der gewiss
Tomaten züchtet, jedenfalls vom Fach ist und das ist gut so, kriegt auch was, 150000 Euro
nämlich; und sein Kollege in der Slowakei bekommt 1,3 Millionen. Weil er eine Firma hat, die irgendwas
mit Landwirtschaft macht.
Das alles entspricht bestimmt mehr oder
weniger den Vergaberichtlinien, Schmu an der einen oder anderen Stelle eingeschlossen; irgendetwas bleibt
halt immer an den politischen Mittlern kleben. Aber nicht dieser Schmu ist dramatisch, dramatisch ist das
System:
Für Frankreich hat die Zeitung La
Tribune errechnet, dass 70% der Landwirte dünne 17% der dort ausgeschütteten Prämien
erhalten. Auf inoffiziellem Wege ist die Zeitung an diese Zahlen gelangt. Denn Frankreich legt nicht offen,
wer im Lande welches Geld erhält. In Dänemark ist man da demokratischer gesonnen. Und was dort
veröffentlicht ist, bestätigt die Recherche in Frankreich: Per internet
www.farmsubsidy.org kann jeder Interessierte erfahren, wo die über Dänemark ausgegossenen
1,2 Milliarden Euro versickern. Zum Beispiel bei Arla Food Ingredients, die mit 64 Millionen Euro die Liste
der 20 bestbezahlten Subventionsempfänger anführt. Arla macht in Milchprodukte und ist
international tätiger Großhändler. Mit China hat die Firma gerade ein Joint Venture
abgeschlossen. Oder Danish Crown, der sechste auf der Liste. 6 Milliarden Euro setzt Europas
größter Schlachthof jährlich um und natürlich ist er ebenfalls stark im Export
engagiert. Dafür erhielt der Großkonzern insgesamt 21 Millionen Euro an EU-Agrarsubventionen, die
Hälfte davon als Exportstütze ausgewiesen.
Die Firma ist zuletzt unrühmlich wegen
der Dumpinglöhne aufgefallen, die sie in ihren deutschen Schlachthöfen zahlt. Weniger bekannt
wurde, dass der Konzern die Schweinepreise an die zuliefernden Bauern auch im vergangenen Jahr weiter
gesenkt hat. Dass die Masse der Landwirte ihre Einbußen durch EU-Agrarprämien abfedern konnte,
darf bezweifelt werden.
Die Vielen nämlich, wie nicht anders
zu erwarten, kriegen nirgendwo in europäischen Landen dickes Geld. Nicht in Frankreich, nicht in
Dänemark oder England, und auch nicht in Deutschland. Die letzte hierzulande veröffentliche
Statistik über Agrarsubventionen ist sechs Jahre alt und zeigt, dass drei Viertel der
begünstigten Betriebe jeweils weniger als 10000 Euro erhielten; dafür haben 1% der Empfänger
jeweils über 100000 Euro und damit 30% der Gelder eingesackt, in Summe: 1,5 Milliarden.
Aktuelle Zahlen will Deutschland nicht
herausrücken. Präzisere, ähnlich wie in Dänemark, schon gar nicht. Es sperren sich
nicht nur die Landwirtschaftsministerien der Länder und des Bundes, es sperren sich auch der Deutsche
Bauernverband und die Ernährungswirtschaft.
Aber auch die bereits veröffentlichten
Zahlen zeigen: Die Agrarsubventionen fördern die industrielle Massenproduktion und die
exportorientierten Nahrungsmittelfabriken, aber nicht die Mehrzahl der Bauern, die wohl doch nicht so ganz
unberechtigt über ihre geringen Einkünfte klagen. Deutlicher noch: die EU-Agrarsubventionen
zielen auf die Fortsetzung des Bauernsterbens, weil sie nur die Großen absichern und ihnen trotz
ständig sinkender Erzeugerpreise trotzdem betriebswirtschaftlichen Gewinn sichern.
Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche
Landwirtschaft AbL hat deshalb anlässlich der Grünen Woche gefordert, die EU-Subventionen nicht
mehr an die Produktmenge oder die Hofgröße und erst recht nicht an erzielte Exportvolumina zu
koppeln, sondern die Gelder je eingesetzter Arbeitskraft auszuzahlen. Damit würde tatsächlich der
Zwang zu ständiger Rationalisierung, immer größeren Betriebseinheiten und schließlich
auch der Wahnsinn des Dumpingexports aus Europas Agrarfabriken wenigstens gebremst.
Denn die EU-Agrarsubventionen
befördern nicht nur das Bauernsterben in Europa. Sie vernichten mit essbaren Billigwaren die Existenz
Hunderttausender Landwirte auf der ganzen Welt. Seit 1999 wurde der Agrarexport aus Deutschland um 50% auf
36 Milliarden Euro gesteigert, allein von 2003 bis 2005 um über 10%. Mit deutschem und
europäischem Hühnerfleisch, mit Schweinen, Gemüse, Milch, Zucker oder Speiseöl zu
subventionsgestützten Dumpingpreisen werden die Agrarmärkte in zahlreichen Ländern der
Dritten Welt aufgerollt und liquidiert.
Ist es da noch verwunderlich, wenn z.B. in
den Niederlanden der Weltkonzern Nestlé zu den Topempfängern von EU-Agrarbeihilfen zählt!?
Oder die BASF in Belgien absahnt!? Und die belgische Bank Crédit Agricole genauso zu den dicksten
Subventionsempfängern gehört wie der US-Tabakriese Philip Morris!?
Albrecht Kieser
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