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Am 13. und 14.März fand im Kölner Gürzenich der bundesweite
"Unternehmertag Lebensmittel" statt. Da ging es nicht um die Interessen der Verbraucher oder
Beschäftigten, sondern ums unternehmerische Überleben an einem der am härtesten
umkämpften Märkte in Europa. Discounter konkurrieren um Profitmargen und Umsatzanteile mit
Mitteln, die Beschäftigte, aber auch Verbraucher und Schnäppchenjäger, das Fürchten
lehren sollten.
600 Unternehmer aus Lebensmittelhandel und
Ernährungsindustrie nahmen an der Konferenz teil, unter ihnen die ganz großen der Branche:
Nestlé, Metro, Rewe und Walmart. Auch der Handelskonzern Schwarz mit seinen Ketten Kaufland und Lidl
ist dabei. Die Supermarktkette Lidl stand im vergangenen Jahr unter großem öffentlichen Druck von
Greenpeace, Gewerkschaften, Bauernorganisationen und Globalisierungskritikern.
Die letztgenannten haben eine
vorläufige Bilanz ihrer Kampagnen gezogen. Weil sich bisher kaum etwas geändert hat, mussten die
Konferenzteilnehmer am Eingang durch eine Wand von Protestpostkarten hindurch. Eigentlich sollten 10000
Postkarten an Richard Lohmiller, den Lidl-Kommanditisten, übergeben werden. Aber der hatte kurzfristig
abgesagt.
Pestizide in Lebensmitteln, krebserzeugende
Ausdünstungen bei den Non-Food-Produkten; Bespitzelung der Mitarbeiter, Arbeitshetze und fehlende
Betriebsräte, so lauten die Vorwürfe an den Lidl-Betreiber Schwarz. Die Liste ist damit noch
nicht zu Ende. Der Schwarz-Konzern übt mit seinen 7000 Lidl- und Kaufland-Filialen erheblichen Druck
auf die Zulieferer aus, z.B. die Wasser-, Bananen- und Milchlieferanten.
Die Konsequenzen des Preisdrucks
spüren vor allem die letzten in der Produktionskette: Grundwasserspiegel sinken, weil zuviel Wasser
aus Mineralbrunnen geschöpft wird; die ohnehin schlecht bezahlten Pflücker auf den
Bananenplantagen in der Dritten Welt verdienen noch weniger, und Milchbauern in Europa müssen ihren
Bankrott anmelden, weil die Produktion eines Liters Milch teurer wird als der Preis, den sie dafür
beim Verkauf an die Molkerei erzielen. "Den Discountern sind die Arbeits- und Umweltbedingungen
völlig egal, nur der Preis zählt", so Bettina Burkert von BanaFair.
Im vergangenen Jahr haben die
Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di, die Globalisierungskritiker von Attac, die entwicklungspolitische
Organisation BananaFair und der alternative Bauernverband AbL, die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche
Landwirtschaft, zahlreiche Aktionen in und vor Lidl-Filialen organisiert. Sie haben Kühe vor den
Liefereingängen postiert, Straßentheater gespielt und Kunden befragt. Auf eigens eingerichteten
Internetforen schreiben sich Lidl-Beschäftigte ihr Leid und ihre Wut von der Seele. Allein die
Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di hat drei Millionen Postkarten unter die Lidl-Kunden gebracht.
Der Konzern hat auf die massiven Kampagnen
reagiert und versucht sein Image in ein besseres Licht zu rücken. Zum Beispiel wird laut darüber
nachgedacht, ein Dutzend fair gehandelte Lebensmittel in die Lidl-Produktpalette aufzunehmen. An der
generellen Einkaufspolitik von Lidl würde das nichts ändern, ebenso wenig an den
Arbeitsbedingungen der Milchbauern, Bananenpflücker und Verkäuferinnen. "Bereits im
vergangenen Sommer hat das Management sämtliche Führungskräfte von Lidl zusammengetrommelt
und ermahnt, bei Abmahnungen von Mitarbeitern nicht die ganz harte Nummer zu fahren", sagt Agnes
Schreieder, die für den Ver.di-Bundesvorstand die Lidl-Kampagne organisiert. Aber die Wahl von
Betriebsräten werde nach wie vor unterbunden. In Calw ließ Lidl sogar eine der wenigen Filialen
schließen, die einen Betriebsrat erkämpft hatte.
Lidl will außerdem eine Imagekampagne
starten. Die Kosten bewegen sich in zweistelliger Millionenhöhe, meldet Attac. Im Laufe des März
will Lidl Anzeigen und TV-Spots schalten, um die Öffentlichkeit von der Qualität seiner Produkte
zu überzeugen. Doch bei der Suche nach einer geeigneten Werbeagentur stolperte Lidl über seine
eigene Geschäftsstrategie: Die ins Auge gefasste Agentur sprang ab, berichtet das Manager-Magazin,
"weil Lidl sie zu stark im Preis drücken wollte". Jetzt soll es einen zweiten Anlauf geben.
Derweil erhöhen die Lidl-Kritiker den
Druck mit Pressekonferenzen, neuen Bündnispartnern, einem europäischen Streik der
Milchbauern und einer Ausweitung der Lidl-Kampagne in der Fläche. Auch die Politik der Bundesregierung
ist im Fadenkreuz der Kritik. "Hartz IV und Rentenkürzungen treiben die Menschen in die
Discounter", erklärt Sarah Bormann, Mitarbeiterin der entwicklungspolitischen
Nichtregierungsorganisation WEED und Koautorin der Ver.di-Broschüre Grenzenlos billig
Globalisierung und die Discountierung im Einzelhandel.
Zum Weltfrauentag am 8.März
protestierten die europäischen Schwesterorganisationen der Dienstleistungsgewerkschaft in Polen,
Italien, Tschechien, Österreich und Frankreich, dem nach Deutschland größten Absatzmarkt
für Lidl-Produkte. Auch Milchbauern aus verschiedenen europäischen Ländern wollen in die
Offensive gehen.
Wegen der ruinösen Marktsituation
hätten sich die Milchbauern eigenständig organisiert, berichtet Sonja Korspeter von der AbL.
Geplant sei "ein europaweiter Milchstreik, so lange, bis in den Märkten die Milch knapp
wird". Die Bauern wollen einen höheren Literpreis für das Grundnahrungsmittel. Lidl bezahlt
derzeit 26 Cent an die Molkereien. Um die Produktionskosten zu decken, müssten zehn Cent pro Liter
mehr gezahlt werden, sagt Sonja Korspeter.
Gerhard Klas
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