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Für die herrschenden Medien und die gemeinen Sterblichen, die sie
lesen war Slobodan Milosevic der "Schlächter des Balkan". Die gegen ihn erhobene
Anklage wegen Völkermord, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschheit während der Kriege
in Kroatien, Bosnien und Kosovo zwischen 1991 und 1999 galt als erwiesen, bevor das Urteil gesprochen war,
der Internationale Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien konnte sie nur bestätigen und
den Hunderttausenden Toten in den ethnischen Säuberungen, als deren großer Drahtzieher er galt,
damit Gerechtigkeit widerfahren lassen.
Für viele, die 1999 gegen den NATO-
Krieg auf die Straße gegangen sind, war Milosevic im Gegensatz dazu das Opfer der
Großmächte. Sie machten ihn zum Sündenbock, weil er sich ihrer Weltordnung und der
Auflösung Jugoslawiens widersetzte, die von anderen Nationalisten vorangetrieben worden war: Albanern,
Kroaten und bosnischen Muslimen, die zu diesem Zweck von den Großmächten bewaffnet und
instrumentalisiert wurden. Eine weltweite Verleumdungskampagne hätte den "Serbo-Kommunismus"
verteufelt, um die bewaffnete Intervention der NATO gegen Milosevic-Hitler vorzubereiten so wie die
USA Lügen über Saddam-Hitler verbreitet haben, um den Krieg gegen Irak zu rechtfertigen.
Zwei Kampagnen waren in der Tat darauf angelegt, den "Serbo-Kommunismus" zu verteufeln:
Anfang der 90er Jahre die der
internationalen Lobby Kroatiens. Sie diente dazu, die Politik Franjo Tudjmans zu verschleiern und
reinzuwaschen: Nachdem er den Serben verfassungsmäßige Rechte entzogen hatte, senkte er mit Hilfe
ethnischer Massensäuberungen im Windschatten der Massaker von Srebrenica ihren Anteil an der
Bevölkerung Kroatiens von 12% auf 5%; durch die Einverleibung eines Teils von Bosnien schuf er ein
Großkroatien bosnische Kroaten bekamen Wahlrecht in Kroatien, Herceg-Bosna und seine Hauptstadt
Mostar wurden unter Einsatz der kroatischen Armee von ihrer serbischen, dann auch von der muslimischen
Bevölkerung gesäubert.
Die jüngste Öffnung der
kroatischen Archive bestätigt diese Tatsachen, damals schwamm man damit aber gegen den Strom. Mit
seiner Entscheidung, nur einen als Aggressor zu bezeichnen, spielte der bosnische Präsident Alija
Izetbegovic damals die Karte der westlichen Intervention anstelle des multiethnischen Widerstands und trug
somit dazu bei, die realen Verhältnisse vor der Öffentlichkeit zu verschleiern.
Während des NATO-Kriegs um Kosovo
1999 wurde die zweite große Medienkampagne gestartet, welche die erste fortsetzte und radikalisierte.
Die in diesem Krieg durch die
Chefanklägerin des Internationalen Jugoslawientribunals Louise Arbour erhobene Anklage hat den
"politischen" Charakter dieses "Gerichts" als Hilfsmittel der Großmächte
unterstrichen, allen voran der USA. Um die "Militärschläge", die anfangs einige Tage
dauern sollten, sich dann aber zum Krieg und zur humanitären Katastrophe ausweiteten,
präsentierten die Medien einen Flüchtlingstreck von 800000 angeblich vertriebenen Kosovo-Albanern
und behaupteten Massengräber mit mehreren zehntausend Toten. Der damalige deutsche
Verteidigungsminister Rudolf Scharping behauptete einen "Hufeisenplan" der serbischen Regierung
zur systematischen Vertreibung der Albaner aus dem Kosovo. Louise Arbor meinte, genug Material zu haben, um
Milosevic des Völkermords im Kosovo anklagen zu können.
Der Hufeisenplan erwies sich als Betrug;
Untersuchungen vor Ort ergaben eine weitaus geringere Zahl von Toten als sie in die Welt gesetzt worden war
und dies obwohl sie unter NATO-Protektorat durchgeführt wurden. Der Oberste Gerichtshof in
Pristina (Kosovo) musste am 6.September 2001 seine Untersuchungen über die angeblichen
Massengräber mit der Feststellung abschließen, im Kosovo habe es in der Zeit "keinen
Völkermord gegeben".
Um die "Anklage" gegen Milosevic
zu untermauern, wurden zwei weitere Punkte hinzugefügt, die weiter zurückliegende Ereignisse
betrafen. Chefanklägerin Carla del Ponte verband sie zu einer einzigen "unteilbaren" Akte,
weshalb der Prozess sich in die Länge zog. Del Ponte wollte beweisen, dass Milosevic in den 90er
Jahren der Haupturheber des Projekts Großserbien war die Erweiterung Serbiens um Teile von
Kroatien, Bosnien und den Kosovo, und dass er schuld am Völkermord in Bosnien, vor allem an den
Massakern in Srebrenica 1995 war.
Milosevic fiel es nicht schwer zu beweisen, dass er niemals ein kohärentes großserbisches
Projekt verfolgt hat dafür ist Vojislav Seselj, sein Verbündeter auf der extremen Rechten,
in den Zeugenstand getreten! Die nationalistische Opposition hat Milosevic vorgeworfen, durch den Verzicht
auf den Anschluss der von ihnen ausgerufenen Republiken an Serbien die kroatischen und bosnischen Serben
geopfert zu haben! Auf der Ebene handelte sich Carla del Ponte eine Niederlage nach der anderen ein.
Was den Kosovo betrifft, lief die
Verteidigung Milosevics auf das Argument hinaus, die USA hätten sich in ihrem Verbündeten geirrt:
von Kosovo bis Bosnien seien Bin Laden und der Terrorismus am Werk gewesen. Belgrads Repressalien gegen die
UÇK seien legitim gewesen...
Milosevic entlehnte dem serbischen
Nationalismus nicht ein Projekt der ethnischen Säuberung, sondern der Unterwerfung des Kosovo. Die
Entscheidung der UÇK (Kosovo-Befreiungsarmee), sich auf eine Internationalisierung des Konflikts
einzulassen, kam den geostrategischen Zielen der USA entgegen, die die Rolle und Präsenz der NATO auf
dem Balkan und in Europa überhaupt ausweiten wollten. Dies hat sich die serbische Delegation in
Rambouillet geweigert zu unterschreiben. Der derzeitige Staatspräsident Vojislav Kostunica lehnte das
damals ebenso ab wie Milosevic oder Seselj ohne das wäre er im Dezember 2000 nicht zum
Nachfolger von Milosevic gewählt worden. Diese Weigerung reicht aber nicht aus, um als fortschrittlich
gelten zu können.
1992 ging Milosevic zum großserbischen
Projekt Vojislav Seseljs auf Distanz. Das macht aber zwei Tatsachen nicht ungeschehen:
Das Bündnis mit Seselj hat dessen
Milizen im Kosovo, in Kroatien und Bosnien freie Hand für ihre Greueltaten verschafft. Und als er mit
ihm gebrochen hatte, trug Milosevic keine Sorge, sie zu entwaffnen, zu verbieten und vor Gericht zu
stellen; in gleicher Weise stützte er sich auf eine paramilitärische Polizei und auf die
marodierenden Söldnertruppen Arkans.
Der partielle Bruch mit der extremen
Rechten mündete in die Unterstützung der internationalen "Friedenspläne" für
Bosnien und Kroatien, die die ethnischen Säuberungen nachvollzogen zumal das Abkommen von
Dayton.
Wenn Milosevic also auf die reale Angst und
Bedrohung der kroatischen und bosnischen Serben verweisen konnte, teilte er mit Franjo Tudjman doch den
gemeinsamen Ausgangspunkt: die ethnischen Teilung Bosniens. Diese gemeinsame Grundlinie zieht sich vom
Treffen der beiden Staatschefs 1991 bis zum Abkommen von Dayton durch. Mit den vertriebenen kroatischen
Serben sollte der Kosovo neu bevölkert werden auf Kosten der Albaner.
Ein Internationalist?
Catherine Samary
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