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Das Crossover hat ja mittlerweile jegliche Musikrichtungen erreicht. Doch ist
es immer wieder erfreulich, wenn eine neue Brücke geschlagen wird. Die Grine Kuzine,
Brückenbauerin zwischen Klezmer und Balkanbeats seit 1993, haben mit sich Berlin Wedding neuen Ufern
zugewandt, ohne die alten zu vergessen. "Begonnen hat alles auf Berliner Hochzeiten. Mehrere davon
waren jüdisch/ amerikanisch-deutsch/ukrainisch. Mit am schärfsten war eine iranisch/irakisch-
sächsische Hochzeit. Mit bulgarischer Trauzeugin ist wirklich kein Witz. Wir haben auch schon
mal auf einer Scheidung gespielt, weil ich das eine Weile aus Spaß im Konzert gesagt hatte und
plötzlich rief uns eine Österreicherin an und zelebrierte mit uns ihre Scheidung."
Die Hommage an ihren Lebensmittelpunkt, wie
es das Amtsdeutsch sagen würde, lässt die deutsch-bulgarische Band als kreativ undogmatisch
Weltenbummelnde auftreten: "Bin die, die die Zeit und Raum durchtreibt, ich bin auf der Suche allzeit
bereit", heißt es in "Onkel in Amerika" Dabei wird diese Aussage nicht zu
Lagerfeuerpfadfinderromantik, sondern sucht seine Stationen zwischen Schwermut und Lebensbegeisterung.
Berlin die Heimat- und Einwanderungsstadt,
dieser scheinbare Widerspruch, wird auf der CD ein ums andere Mal aufgelöst. "Bayern, Türken
und Chinesen, sieht man in der U-Bahn lesen." Da werden dann diejenigen benannt, deren musikalischer
Background hier einmal ausgespart wird. Dafür geht es auf dieser Scheibe vielfach nach Lateinamerika:
Tango, Cumbia werden ebenso verarbeitet, wie Latin Pop. Von letzterem weiß wohl niemand, wie oft er
schon rund um die Welt gegangen ist, ehe er dieses Etikett verliehen bekam.
Doch ist die Grine Kuzine kein
austauschbares Quintett ohne Charakter. Unverwechselbar singt Alexandra Dimitroff, und ihr Akkordeon
trägt hier die Melodie und wird dort zum Rhythmusinstrument. Max Hacker mit Klarinette und Saxofon,
Steve R.Lukanky an der Tuba und die Trompete von Karel Komnatoff spielen klassische Elemente genau wie
Tanzmusik aus einem Guss. Nicht zu vergessen das Schlagzeug von Snorre Schwarz, das die Musik immer wieder
vorantreibt. Außerdem stellt er auf "Donde se canta" und "Onkel in Amerika"echte
Rap-Qualitäten unter Beweis. Erwähnt werden muss darüber hinaus der Gastviolonist Georgi
"Joro" Gogow, bekannt unter anderem durch die gezupfte Geige in "Am Fenster" von City.
Nicht zuletzt durch seine Geige, wird "Wedding Kucek" zu einem der schönsten Stücke
dieser Produktion.
Dass die Band einmal als Hochzeitskapelle
begonnen hat, scheint immer mal wieder durch. Gerade in den von Alexandra Dimitroff auf deutsch gesungen
Liedern ist die Assoziation zu als Engelchen verkleideten Mädchen, die auf einer solchen Veranstaltung
ein Ständchen zum besten bringen, nicht von der Hand zu weisen. Auch lässt die CD die
Entertainment-Fähigkeiten der Live-Band förmlich spüren, die hinter dieser Studioaufnahme
steht und deren Auftritte im Mai nicht verpasst werden sollten.
Dass Alexandra Dimitroff eine echte und
zugleich humorvolle Anhängerin des Crossover ist, machte sie in einem Interview zu dieser CD deutlich,
als sie auf die Frage nach ihren Zukunftswünschen unter anderem antwortete: "Der rote
Wedding, von Ernst Busch gesungen, da werde ich mein ganzes Leben drauf stehen, ich hoffe, dass
Rammstein endlich mal auf die Idee kommt, das zu singen, dann wird man ja sehen, wer der Meister des
rrrrolllenden RRRR ist."
Zu hören sind die Grine Kuzine am 5.5.
in Husum im Speicher; am 6.5. in Mülheim/Ruhr im Ringlokschuppen (10 Jahre Funkhaus Europa, WDR-
Aufzeichnung); am 7.5. in Hämelerwald bei Hannover, Gut Adolphshof, Masala-Festival; am 30.5. in
Frankfurt/Main beim Klezmerfestival; am 31.5. in Lorsch im Sapperlottheater. Für weitere Infos:
www.kuzine.de.
Thomas Schroedter
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