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Keine anderthalb Jahre nach der unvollendet gebliebenen deutschen
Novemberrevolution, am 13.März 1920, begann die Konteroffensive der reaktionären und
ständestaatlichen Kräfte. Die bei Berlin stationierte Brigade Ehrhardt marschierte mit Stahlhelm
und Hakenkreuz durch das Brandenburger Tor.
Der Kapp-Putsch war ernst gemeint, aber
noch recht dilettantisch ausgeführt. Die Regierung floh Hals über Kopf ins schwäbische
Stuttgart und rief die Bevölkerung dazu auf, "die Sache selber in die Hand" zu nehmen.
Arbeitergruppen im ganzen Land bewaffneten sich und ergänzten den umfassend ausbrechenden
Generalstreik. Nach fünf Tagen konnte die Regierung erfolgreich nach Berlin zurückkehren, doch
der Gegen-Aufstand hatte schon eine über die Abwehr der rechtsradikalen Gefahr hinausweisende
Eigendynamik entfaltet. Vor allem im Ruhrgebiet, dem industriellen Herz Deutschlands, hatte sich eine Rote
Ruhrarmee gebildet, die mehrere zehntausend bewaffnete Kämpfer zählte und einen konsequenteren
Kurs gegen Kaisertreue und Anhänger der Profitwirtschaft forderte.
Der Arbeiteraufstand blieb jedoch isoliert
und wurde mit dem Einmarsch der Regierungstruppen und Freikorps blutig niedergeschlagen. Die
berüchtigten Freikorps hatten 1919 bereits den Berliner Spartakusaufstand und die Münchner
Räterepublik niedergemetzelt und u.a. Rosa Luxemburg, Karl Liebknecht und Gustav Landauer ermordet.
Nun schickte der sozialdemokratische Reichswehrminister Noske seine Bluthunde gegen die Rote Ruhrarmee.
Über 1000 Rotarmisten und Zivilisten wurden daraufhin massakriert mit Methoden eines
weißen Terrors, der bereits Ähnlichkeiten zu den Methoden der späteren Naziherrschaft
aufweist.
Der in Blut ertränkte
"Frühling im Revier" "der einzige politische Generalstreik in der Geschichte der
deutschen Arbeiterbewegung, der diesen Namen verdient", "ein Markstein in der demokratischen
Tradition Deutschlands", wie ihn der Historiker Erhard Lucas nannte wurde schnell der
Verleumdung und Vergessenheit anheim gegeben. Doch in den gesellschaftlichen Subkulturen, vor allem in der
Subkultur der alten Arbeiterbewegung, lebte die Erinnerung an die Ereignisse weiter, in mündlich
weiter getragenen Geschichten und in Volksgesängen. Erst nach "1968", in den 70er Jahren,
nahmen sich politisch Engagierte, Historiker (v.a. Erhard Lucas) und Künstler (u.a. Ton Steine
Scherben) dieses Themas wieder an und begannen, den tiefen Riss in der Geschichte aufzuarbeiten.
Die Bremer Grenzgänger,
Preisträger der deutschen Schallplattenkritik, haben sich nun dieses Themas wieder angenommen und
zusammen mit dem Ruhrgebiets-Original Frank Baier eine CD produziert, die höchsten Ansprüchen
genügt und nicht nur durch viel Liebe und Sorgfalt besticht, sondern auch durch eine musikalische
Vielfältigkeit, die man im Bereich des eher altbackenen Arbeiterliedgutes selten antrifft. Neben
Liedern und Sprechgesängen, die direkt im Kontext der Roten Ruhrarmee und der damaligen
Arbeiterviertel des Ruhrgebiets entstanden, finden sich ungewöhnliche Adaptionen der Internationale
oder von Rio Reiser. Beeindruckend auch die Vertonung eines ergreifenden Gedichts von Ferdinand Freiligrath
aus dem Revolutionsjahre 1848, und überaus erfrischend sind gerade jene alten Lieder, die nun als Rap
daherkommen und keine Spur von Kitsch oder bemühter Langeweile aufweisen.
Insgesamt ein gelungenes musikalisches
Crossover, dass die historischen Auseinandersetzungen zwischen Herr und Knecht ebenso aufzeigt wie ihre
Aktualität. Beigefügt ist zudem ein ausgesprochen schön gemachtes und informatives 68-
seitiges Booklet.
Christoph Jünke
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