SoZ - Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Mai 2006, Seite 06

Gate Gourmet

Solidarität über Ländergrenzen

Der Streik bei Gate Gourmet Düsseldorf ist vorbei, die Tarifergebnisse liegen vor. Während Frankfurt noch verhandelt, geht woanders die Auseinandersetzung weiter, z.B. in London. Die Konzernleitung hatte die Beschäftigten dort in einen fast verzweifelten Verteidigungskampf um Lohnverlust und schlechtere Arbeitsbedingungen gezwungen. Bei den Auseinandersetzungen wurde deutlich: Erstens, dass Streikbrecher nicht nur günstige Verhandlungsergebnisse für die Beschäftigten verhindern. Aber kaum als Streikbrecher begonnen, konnten sie die Arbeitsbedingungen am eigenen Leib erfahren. Zweitens, dass gerade in harten Auseinandersetzungen die Streikenden eine große persönliche und solidarische Unterstützung aus der Bevölkerung brauchen. Drittens wird gerade an diesem Streik die Notwendigkeit internationaler Zusammenarbeit notwendig.
Vom 25. bis 26.März bot sich die einmalige Gelegenheit einer länderübergreifenden Solidaritätsaktion gegen die Politik der gemeinsamen Konzernleitung Texas Pacific Group in London. Vor der Zentrale im "Stirling House" machten sie ihrem Zorn unzweideutig Luft: "Texas Pacific — Gangster Capitalist", "TPG — stoppt Sklaverei", oder "Gerechtigkeit für Gate-Gourmet-Beschäftigte", hieß es. Im Anschluss an eine Demonstration am Samstag durch London-Hounslow stellte gar das Ratsmitglied Colin Ellar den Plenarsaal für die Protestierenden zur Verfügung. Ellar: "Dieser Kampf ist ein Kampf um gerechten Lohn und gerechte Arbeitsbedingungen. Wir müssen gemeinsam dafür kämpfen, dass Menschen nicht derart ungerecht behandelt werden."
Gate Gourmet ist der zweitgrößte Caterer der Welt. Als profitables Unternehmen wurde es vom amerikanischen Finanzdienstleister Texas Pacific Group (TPG) aufgekauft, der durch seine Brachialmethoden als weltweit operierende "Heuschrecke" zweifelhaften Ruf erlangt hat. Die von der TPG aufgezwungenen Bedingungen sind für die zähen Widerständler eine moderne Form der Sklaverei. Deshalb kämpfen sie für eine Wiedereinstellung und für die Wiederherstellung der alten und Lohn- und Arbeitsbedingungen.
Wie rabiat die TPG Druck ausübt, machen die Aussagen Betroffener deutlich: Im August letzten Jahres wurde ein Teil der Belegschaft in Londoner Flughafen Heathrow von der Geschäftsleitung kurzerhand ohne Nahrung, Getränke oder Möglichkeit zum Toilettengang für sieben Stunden in der Kantine eingesperrt. In der Zwischenzeit wurden Zeitarbeitnehmer eingestellt. Andere Beschäftigte wurden durch eine private Sicherheitsfirma gewaltsam vom Firmengelände gedrängt. Beschäftigten, die zur Schicht erschienen, wurde per Megafon die Kündigung ausgesprochen.
Der Druck auf den Rest der Beschäftigten war enorm, um ihnen die ausbeuterischen Arbeitsbedingungen abzupressen. So sollte der Lohn bei gleichzeitiger Arbeitsverdichtung um 25% gekürzt werden. Die Lohnfortzahlung wurde von 18 Tagen auf einen Tag gesenkt für Beschäftigte, die über fünf Jahre im Betrieb waren. Beschäftigte unter fünf Jahren mussten ohne Lohnfortzahlung auskommen. Die anderen wurden mit monatlich verlängerbaren Arbeitsverträgen unter Druck gesetzt, ebenfalls ohne Lohnfortzahlung und Rentenanspruch. Die Arbeitsverdichtung wurde erheblich erhöht. Zusätzlich übte die Geschäftsleitung Druck durch die Einstellung osteuropäischer Streikbrecher zu sklavenhalterischen Bedingungen aus. Die Belegschaft ging schon damals davon aus, dass diese Provokation von langer Hand durch die TPG vorbereitet war.
Die Beispiele zeigen drastisch, mit welchen Methoden die Zerschlagung der Tarife, der sozialen Sicherungssysteme, der Abbau des Kündigungsschutzes und der Abbau demokratischer Rechte durchgeführt werden kann. Scheibchenweise wird diese Form des unzivilisierten Raubtierkapitalismus auch in Deutschland seit Jahren durchgesetzt. Auch bei Gate Gourmet in Düsseldorf wollte die Konzerleitung die Arbeits- und Lohnbedingungen erheblich verschlechtern, nach dem dort die Unternehmensberatung McKinsey "gewütet" hatte.
Das Beispiel verdeutlicht überdies, dass die Machenschaften internationaler Konzerne nur mit länderübergreifendem solidarischen Handeln abgewendet werden können. Die Streikenden haben diese länderübergreifende Solidarität am eigenen Leib gespürt. Ayse Ak aus Düsseldorf: "Es ist gut, hier zu sein und die Leute aus Heathrow zu unterstützen. Wir haben beide den gleichen Arbeitgeber und die gleichen Forderungen." Und der von der Werksführung in London gefeuerte Harbinder Singh: "Die Solidarität von Gemeinde zu Gemeinde, von Staat zu Staat zeigt, dass wir gegen die Selbstherrlichkeit der Bosse gewinnen können." Rocha Gomez aus Düsseldorf meint, dass die internationalen Konzerne selbst die Verantwortung für den gemeinsamen Widerstand tragen: "Ich bin hier, um meine Solidarität gegenüber den Beschäftigten in Heathrow zu zeigen. Der Konzern zwingt uns zu gemeinsamem Handeln in London und Düsseldorf. Es ist gut, dass wir zusammen sind."
Ein englischer Kollege sagt konkret, worum es geht: "Die Teilnahme der Streikenden aus Deutschland war für uns eine enorme Unterstützung. Internationalismus und internationales Handeln ist keine Phrase, es die Frage dieser Stunde, denn die Bosse können überall in der Welt hingehen, die Menschen hinaus werfen und der Straße überlassen … Viele Beschäftigte sehen die beginnende Krise des Kapitalismus und wollen dagegen kämpfen."

Hans-Dieter Hey



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