SoZ - Sozialistische Zeitung |
Das Ergebnis der hessischen Kommunalwahl zeigt, dass eine vereinte Linke aus
WASG, Linkspartei und den sozialen Bewegung möglich und nötig ist. Das belegen die sehr guten
Ergebnisse, die in einigen Städten und Landkreisen erzielt wurden.
Abgestraft wurde die Konkurrenzkandidatur
in Darmstadt, wo die WASG und Die Linke gegeneinander antraten. Beide Parteien liegen dort nur bei etwa 2%.
Insgesamt hat die WASG/PDS nach dieser Wahl über hundert Mandatsträger in Hessen.
Die niedrige Wahlbeteiligung von unter 50%
zeigt allerdings auch, dass das Wählerpotenzial bei weitem nicht ausgeschöpft werden konnte.
insbesondere die Präsenz in den Medien war nicht vergleichbar mit der Bundestagswahl. Aus dem
Wahlkampf in Hessen lassen sich einige Schlussfolgerungen ziehen, die auch für kommende
Wahlkämpfe und die weitere Arbeit beider Parteien von Bedeutung sein können.
Grundlage für das erfolgreiche
Abschneiden war die Zusammenarbeit beider Parteien. Im Wahlkampf sind gemeinsame Strukturen entstanden, der
Parteineubildungsprozess wurde nicht abstrakt diskutiert, sondern vor Ort in Gang gesetzt. Gemeinsame
Wahlkampfteams koordinierten die Ausarbeitung der Wahlprogramme, Organisation und Abläufe, vielerorts
gab es nur noch gemeinsame Mitglieder- und Vorstandstreffen.
Die Kommunalwahlen haben den
Parteineubildungsprozess in Hessen an den meisten Orten beschleunigt. Hier hat sich gezeigt, dass die
Vorreiter des Parteibildungsprozesses nicht im Bundes- oder in den Landesvorständen sitzen, sondern
dass dies die Aktiven vor Ort sind, die aus der konkreten Notwendigkeit heraus das einzig Richtige tun: die
Kräfte zu bündeln und sich zusammen zu schließen. Ein Teil der Kreisverbände ist nun
bereits "fusioniert", weil sie keinen Sinn darin sahen, zwei Strukturen aufrecht zu erhalten.
Die Linke (hier stellvertretend für die teilweise örtlich unterschiedlichen Bezeichnungen so
genannt) kandidierte in 20 von 21 Landkreisen, in allen fünf kreisfreien Städten und in weit
über 30 zusätzlichen Städten und Gemeinden. Sie ist überall mit offenen Listen
angetreten und hat Aktive aus sozialen Bewegungen, lokalen Bündnissen und kommunalen
Wählerinitiativen eingeladen, sich an der Erarbeitung der Programme und an der Aufstellung der Listen
zu beteiligen. Auch in der Listenaufstellung wurde demonstriert, dass die neue Linke mehr ist als die Summe
der Mitglieder zweier Parteien. Insgesamt kandidierten weit über 1.400 Kandidatinnen und Kandidaten
auf Listen, an denen WASG und Linkspartei beteiligt waren. Etwa die Hälfte davon waren nicht Mitglied
einer der beiden Parteien.
An vielen Orten gelang es, Menschen
für die Listen zu gewinnen, die seit Jahren und Jahrzehnten für linke Politik in ihrer Kommune
stehen, einen Bekanntheitsgrad haben und über große Erfahrung verfügen darunter viele
vor Ort bekannte Gewerkschafter. Alle Alters- und Berufsgruppen waren auf den Listen vertreten, viele
darunter, die nie zuvor (partei)politisch aktiv waren.
Die Kandidaturen fanden meist unter dem
Namen "Die Linke.WASG"/"WASG. Die Linke" oder "Die Linke" statt, an wenigen
Orten auch als "WASG".
Eine Lehre aus dem Bundestagswahlkampf war,
dass es eines deutlichen Profils gegen die SPD und links von ihr braucht. Dabei haben sich die Kandidaturen
an den Themen orientiert, die die Menschen beschäftigen und die sie in den letzten Jahren auf die
Straße gebracht haben: die Ablehnung von Hartz IV (Keine Ein-Euro-Jobs in den Kommunen!), der Kampf
gegen Privatisierung öffentlichen Eigentums (Privatisierung ist Diebstahl!). Letzteres knüpfte an
den Unmut breiter Teile der Bevölkerung gegen die Privatisierung der hessischen Unikliniken Marburg
und Gießen an, aber auch an die Privatisierungen beim öffentlichen Nahverkehr, bei der
Müllentsorgung, bei städtischen Wohnungen, und versuchte, die Folgen darzustellen: die
Auswikrungen auf die Beschäftigten (Personalabbau, längere Arbeitszeiten und Lohnkürzungen),
die Auswirkungen auf die Bürger (Preissteigerungen und oftmals schlechtere Leistungen), aber auch die
Frage von Demokratie und Verfügungsgewalt über die öffentliche Daseinsfürsorge.
Da die Grünen in Hessen sehr stark
sind, war es auch wichtig, "grüne" Themen zu besetzen und die ökologische zur sozialen
Frage zu machen.
Dennoch haben sich die Kandidaten nicht in der Kommunalpolitik verloren, sondern haben bundesweite
Themen und Stimmungen in den Wahlkampf mit aufgenommen und die Große Koalition nicht außer acht
gelassen (so die Frage der Rente mit 67).
Eine bedeutende Frage und das wichtigste
Gegenargument der Gegner war die Finanzierbarkeit der Forderungen. Die finanzielle Not in den Kommunen ist
Tatsache, sie wegzureden würde Illusionen schaffen in die derzeitigen Möglichkeiten und
Spielräume von Kommunalpolitik. Anders als alle anderen Parteien, die Rücksicht auf ihre
Bundesverbände nehmen mussten, war Die Linke jedoch nicht gezwungen, sich auf die kommunale Ebene zu
beschränken. Sie zeigte die Verantwortung der Bundespolitik für die katastrophale Finanzsituation
der Kommunen auf und forderte eine andere Steuerpolitik.
Es wurde ein offensiver
Straßenwahlkampf geführt dort wo wir die Menschen erreichen können: vor den
Betrieben, in den Wohnsiedlungen, vor den Einkaufszentren, vor den Arbeitsämtern. Vielerorts wurde wir
nicht erst im März mit dem Wahlkampf begonnen, sondern bereits im Januar/Februar. Soziale Proteste und
Aktionen vor Ort wurden ernst genommen und aufgegriffen so bei Solidaritätsaktionen mit dem
Ver.di-Streik.
Kurz vor den Wahlen sorgte der hessische
Innenminister Volker Bouffier für eine bundesweite Diskussion über den hessischen
"Einbürgerungstest" betitelt wurde. Wir wandten uns mit Aktionen und einem kurzfristig
erstellten Flugblatt gegen diesen "Gesinnungstest" und forderten seine Rücknahme. In einigen
Kreisen gab es in der letzten Wahlkampfwoche noch Stände und Aktionen "Koch sucht den
Superdeutschen", wo Passanten aufgefordert wurden, einige Fragen aus dem Test zu beantworten.
Die Veranstaltungen mit Lafontaine und Gysi waren überall sehr erfolgreich. Zum Auftritt Gysis an
der Marburger Universität kamen fast 1000 Menschen, zu Oskar Lafontaine in Kassel und Frankfurt ebenso
viele. Der SPD-Vorsitzende Platzeck sprach wenige Tage zuvor in Frankfurt im gleichen Saal vor nur 400
Menschen. In einigen Kreisen bestritt Die Linke die größten Wahlkampfveranstaltungen.
Die Auseinandersetzungen in Berlin zwischen
WASG und Linkspartei sowie innerhalb der WASG und deren Auswirkungen auf die Bundesebene machten sich im
Wahlkampf deutlich bemerkbar. Nach der Berliner Urabstimmung gab es unzählige Presseanfragen, wobei
die Journalisten meist nach dem "Berlin in Hessen" suchten. Die Besucher der Stände waren
sichtbar verunsichert, weil sie in der Mehrzahl geglaubt hatten, WASG und PDS seien schon eine Partei.
Ein echtes Problem für den
Wahlkampfendspurt war der Verkauf der städtischen Wohnungen in Dresden mit der Zustimmung einer
knappen Mehrheit der dortigen Linkspartei-Fraktion. Dies war gerade deshalb problematisch, weil Die Linke
mit dem Profil gegen Privatisierung auftrat und in vielen Städten, darunter Frankfurt, explizit den
Verkauf städtischer Wohnungen thematisierte. Besonders dankbar war die SPD, die hier eine Chance sah,
sich links zu profilieren. Frankfurts SPD-Spitzenkandidat trat auf Wahlkampfveranstaltungen mit der Parole
auf: "So neoliberal wird die Frankfurter SPD nie werden."
Janine Wissler
Informationen und Meinungen sollten keine Waren sein. Und Geld ist ein Fetisch.
Dennoch und ganz praktisch: Die Online-SoZ sieht nur umsonst aus. Wir brauchen Eure Euros.
Spendet steuerlich abzugsfähig!
VsP, Postbank Köln, BLZ 370100 50,
Kontonummer 603 95 04