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Ein gern gepflegtes, oft bestätigtes Vorurteil besagt, dass Politiker um
ihrer Eigeninteressen willen ihre wahren Ziele gern verschleiern und die Öffentlichkeit gezielt
hinters Licht führen. Die Politik der Führungsspitze der Berliner Linkspartei.PDS (L.PDS) ist
geeignet, solche vereinfachten Vorstellungen zu widerlegen. Kompromisslos steht sie zum Primat der
Haushaltskonsolidierung. Und der Erfolg gibt ihr Recht: auch ohne ein einziges Zugeständnis hat sie
vom WASG-Bundesvorstand und der Spitze der Linksfraktion am Morgen des 6.April in der Bundespressekonferenz
einen Persilschein erhalten.
Denn um nichts anderes als einen
Persilschein handelt es sich bei dem Papier, das als "Inhaltliche Positionen für einen
gemeinsamen Wahlkampf der L.PDS und der WASG Berlin" (www.pds-
berlin.de/partei/deba/2006/positionen.html) vorgestellt wurde. Von höchster Stelle, vom Vorsitzenden
der Linksfraktion Oskar Lafontaine und dem Parlamentarischen Geschäftsführer Ulrich Maurer, von
Axel Troost und Bodo Ramelow wurde die Berliner Landespolitik vom Vorwurf des "Neoliberalismus"
freigesprochen. Keine Rede war mehr davon, dass die Kürzungen deutlich zur schlechten wirtschaftlichen
Lage der Stadt beitragen. Solche Nörgelei überlässt man den Regionalökonomen des DIW.
Keine Rede von der Ausweitung der Privatisierungen öffentlichen Eigentums in den letzten fünf
Jahren. Keine Rede davon, dass die Berliner Tarifflucht Anfang 2003 den Startschuss zur offenen Demontage
des Flächentarifs durch die Bundesländer darstellte. Im Gegenteil, Lafontaine fand sogar
freundliche Worte für den Anwendungstarifvertrag, der damals nach erfolgreicher Erpressung der
Gewerkschaften abgeschlossen worden war: Er lobte ausdrücklich die Kombination von allgemeinen Lohn-
und Gehaltskürzungen mit einer gar nicht allgemeinen Arbeitszeitverkürzung im öffentlichen
Dienst.
Das vorgestellte Papier ist bei
aller Kürze höchst eindeutig. Zwar fehlt das offensive Bekenntnis zur Sparpolitik, doch
lässt sich in allen zentralen Punkten die Orientierung an dieser Generallinie nachweisen: in
Auslassungen, Einschränkungen oder Relativierungen der herausgestellten positiven Ziele (www.wasg-
berlin.de). Ein Kampf für ein Sozialticket zu 18 Euro gern! Aber ohne städtische Gelder,
in der Zuständigkeit der Verkehrsbetriebe und der Arbeitsagentur. Ein Verkauf von
Wohnungsbaugesellschaften niemals! Doch einige Wohnungsbestände wird man vielleicht doch
verkaufen müssen, um die angestrebte "Neuordnung und ökonomische Stabilisierung des
städtischen Wohnungsbestandes" zu erreichen.
Und selbst vor offenem Hohn schreckten die
Autoren nicht zurück. Sie erklären etwa, der Berliner Anwendungstarifvertrag solle
"mittelfristig" an die bundesweiten Flächentarifverträge des öffentlichen Dienstes
"angekoppelt" werden. Dabei ist im Anwendungstarifvertrag bereits festgeschrieben, dass das Land
Ende 2009 zum bundesweiten Tarifniveau zurückkehrt. Eine für Kürzungen offene
Ankopplung macht nur Sinn, wenn man diese Rückkehr zum Flächentarifvertrag nicht mehr anstrebt.
Tatsächlich verbucht der Senat die Einsparungen bei den Personalkosten bereits als langfristigen
Konsolidierungsbeitrag der Beschäftigten. Offenbar geht es schon heute darum, eine neue
Billiglösung für die Zeit nach 2009 vorzubereiten, und zwar in aller Öffentlichkeit und ohne
schlechtes Gewissen. Völlig zu Recht konnte der Berliner L.PDS-Vorsitzende Klaus Lederer auf dem
Landesparteitag seiner Partei am 7.April feststellen, dass die Tags zuvor präsentierten Punkte
"keine Umkehr und keine Richtungsänderung" bedeuten.
Die Berliner Linkspartei hält ihren
Kurs schon lange für alternativlos. Neu ist, dass sich die Bundesebene der WASG diesem Standpunkt
anschließt. So offensiv, dass man auf der Pressekonferenz am 6.April nicht nur die positive Botschaft
einer Einigung mit der Berliner L.PDS (und zu den Konditionen der Berliner L.PDS) verkündete, sondern
zugleich mit der direkten Intervention der Bundesebene drohte. Der Bundesvorstand werde selbst die
Wahlanzeige in Berlin zurückziehen, wenn die Berliner Mehrheit keine Einsicht zeige. Und auch der
nächste Eskalationsschritt wurde angedeutet, denn auf dem Podium der Pressekonferenz war zwar kein
Vertreter des Berliner Landesvorstands der WASG erwünscht, dafür durfte ein Vertreter der
Minderheit, Klaus-Dieter Heiser von der Initiative Rixdorf, das ausgehandelte Papier sogar vorstellen. Der
Bundesvorstand zielt in seiner Mehrheit offen auf eine Spaltung der Partei.
Berlin ist dabei zum Präzedenzfall
gemacht worden, weil die Widersprüche des neuen Parteiprojekts nirgendwo so deutlich wie hier sind,
dem einzigen Bundesland aus "Ost" und "West". Es geht heute um die politische Breite
und die Gestalt der neuen Linkspartei. Die Nominierung Harald Wolfs zum Spitzenkandidaten in Berlin und
seiner persönlichen Mitarbeiterin Katina Schubert als stellvertretende Parteivorsitzende der L.PDS
machen deutlich, dass hier offen und schmucklos um die Dominanz der Sozialliberalen im neuen Parteiprojekt
gekämpft wird in gut begründeter Übereinstimmung mit den Leuten um Lafontaine, Maurer
und Ernst.
Es ist höchste Zeit, dass auch die
Linke in beiden Parteien lernt, offen und schmucklos für ihre Ziele zu streiten. Eine sozial
verankerte Linke kann man nicht bilden, solange man als Trittbrettfahrer mit der L.PDS auf Reisen ist.
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