SoZ - Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Mai 2006, Seite 12

Italien nach der Wahl

Warum hat Berlusconi so gut abgeschnitten?

von FRANCO TURIGLIATTO

Franco Turigliatto von Sinistra critica, eine der vier linken Strömungen in Rifondazione, wurde bei den jüngsten Parlamentswahlen zusammen mit Luigi Malabarba in den Senat gewählt. Sie stellen die radikale Linke im Senat dar. Das Wahlbündnis Unione verfügt im Senat über eine Mehrheit von zwei Stimmen. Luigi Malabarba legt sein Mandat im Juli nieder, um in den Betrieb (Alfa Romeo) zurückzukehren. Nachrückerin ist Haidi Giuliani.

Alle haben damit gerechnet, dass Berlusconi bei den Parlamentswahlen am 9. und 10.April mächtig verliert. Er hat aber nur ganz knapp verloren. Wäre nicht die der Lega Nord nahe stehende Liste des Kleinunternehmers Giorgio Panto in Venetien gewesen, Progetto Nordest, die fast 93000 Stimmen gezogen hat, hätte er gewonnen. Wie ist das zu erklären? Dass die Regierung in ihrer Amtszeit massiv den Zorn der Bevölkerung auf sich geladen hat, war ja keine Falschmeldung. Es hat in den letzten Jahren mehrfach starke Mobilisierungen gegen die Regierung gegeben, im letzten Jahr war sogar eine Situation erreicht, wo sie hätte gestürzt werden können, weil auch die Spannungen im Regierungslager selbst sehr stark geworden waren. Das hätte aber vorausgesetzt, dass Teilmobilisierungen wie die der Metaller oder … ausgeweitet werden zu einem Generalangriff gegen die Regierung. Das ist nicht geschehen, die Mitte-Links-Parteien haben den Metallerstreik erst in letzter Minute aufgegriffen. Die sozialen Bewegungen haben also Schwierigkeiten, über den Abwehrkampf hinaus ein gemeinsames politisches Ziel zu formulieren, einen Wechsel der politischen Rahmenbedingungen zu erzwingen, ohne den es kaum noch Erfolge geben kann. Die Parteien, die jetzt die Unione bilden, haben gedacht, es reicht, wenn sie den regulären Wahltag abwarten, um Berlusconi abzuwählen. Sie waren sich ihrer Sache ziemlich sicher, denn inzwischen hatten sie sogar die Unterstützung des Unternehmerverbands Confindustria, der sich von Berlusconi abgewandt hat.
Die Politik der vorangegangenen Regierungen haben tiefe Spuren in der Gesellschaft hinterlassen: sie ist zersplittert, segmentiert worden, es gibt heute eine breite Schicht von abhängigen Selbständigen, die man besser als "Lumpenunternehmer" bezeichnet, große Teile sind verarmt. Diesen Schichten hat Berlusconi noch einmal aus der Seele gesprochen, er hat sich als über den Parteien stehend präsentiert, er hat den Wahlkampf mit populistischen und demagogischen Parolen enorm radikalisiert — auch und vor allem mit steuerpolitischen und fremdenfeindlichen Hetzparolen —, er hat damit die ganze reaktionäre Anhängerschaft seiner Partner bedient. Bei den Regionalwahlen im vergangenen Jahr hatte er sein Wählerpotential nicht ausgeschöpft, diesmal ja.
Der Wahlkampf des Mitte-Links- Bündnisses war demgegenüber sehr schwach. Es hat sich ausschließlich als die Kraft der Vernunft präsentiert, damit konnte es natürlich nur die ansprechen, die bereits überzeugt und von Berlusconi angewidert sind. Die Eingeweide der Gesellschaft erreicht es damit nicht. Der Wahlkampf der Unione blieb auf der ganzen Linie defensiv, er hat nichts zugespitzt, weder die Friedensfrage an Hand der Truppenabzugs aus Irak, noch die Frage der Umverteilung durch eine andere Steuerpolitik, er war rundum schwach. Dafür gibt es natürlich eine Erklärung: Die Unione bewegte sich im Rahmen des sozialen Kompromisses mit der Confindustria.
Unter diesen Bedingungen kann man sich nur schwer vorstellen, dass die neue Regierung lange hält. Sie steht gleichzeitig unter dem Erwartungsdruck der Unternehmer, der Kirchen, eines Teils der Rechten — und der organisierten Lohnarbeiterschaft. Rifondazione reagiert darauf eher mit einem noch stärkeren Anpassungskurs und traut sich immer weniger, das Wechselspiel "Rechtes und linkes Gesicht des Neoliberalismus" zu durchbrechen. Die Regierung wird sich nur halten können, wenn sie eine Politik verfolgt, die ihrer eigentlichen sozialen Basis entspricht. Nur dann kann sie Berlusconi auch wieder einen Teil der verarmten Wählerschichten abspenstig machen.

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