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Die erste Generation der sog. Regionalkrimis besaß noch einigen
Sprengstoff für örtliche Politfürsten und deren kriminellen Verbindungen, die sie und die
Öffentlichkeit in den meiste Fällen gar nicht als solche begriffen. Ende der 80er Jahre strengte
der Dattelner SPD-OB Niggemeier die juristische Verfolgung der Krimiautoren Ard/Jung an, weil er sich in
der Romantrilogie über das Ekel von Datteln bis zur völligen Kenntlichkeit denunziert wiederfand.
In der Liga der Extraklasse regional
angesiedelter Krimis schreibt Ulrich Ritzel. Der Hund des Propheten steht seinen drei Vorgängern in
nichts nach. Wie immer geht es um die Aufdröselung der Zusammenhänge zurückliegender
Verbrechen mit aktuellen Morden, es ist immer wieder die Geschichte beider deutscher Staaten, die besondere
Niedertracht der baden-württembergischen Staatspartei und die manchmal hoffnungsraubende
Engstirnigkeit der ländlichen Bevölkerung rund um Ulm, die Ritzel zum Thema macht. Und dann ganz
besonders: die Sezierung der landestypischen Mittelschicht. Waren es an anderer Stelle die Lehrer, die
Ritzel aufs Korn nahm, sind es hier die protestantischen Geistlichen und ihr ehrenamtlicher Apparat, die
derart bravorös auseinandergenommen werden, dass es eine Lust ist.
Exkommissar Berndorf bereitet eigentlich
den Umzug nach Berlin vor, aber der Tod eines ehemaligen Kollegen verschafft ihm einen verwaisten
Boxerrüden und einen Fall: Der Lokalredakteur Hollerbach wird tot in seinem abgebrannten Haus
gefunden, wo vor Jahren ein Anwesen in Flammen aufging, in das eine Sintifamilie einziehen sollte und wo
die freiwillige Feuerwehr damals zu spät kam. War Berndorf zu seiner Kommissarszeit schon ein
ziemlicher Eigenbrödler, kommt er nun seiner ehemaligen Kollegin Tamar andauernd in die Quere: Jeder
für sich versucht die Fäden zu entwirren, die von lokalen Speditionsunternehmen mit guten
Verbindungen in den Kosovo bis zur Familie eines verschwundenen Staatssekretärs reichen.
Über vier Bände ist es Ritzel
gelungen, seinen Figuren neue Seiten abzugewinnen und seine Geschichten mit gleicher Spannung und
obduzierender Böswilligkeit zu erzählen. Das gelingt Wolfgang Schorlau schon in seinem zweiten
Roman Das dunkle Schweigen um den in Stuttgart wohnenden Privatdetektiv Georg Dengler nicht mehr.
Während Die blaue Liste einen guten Politkrimi über die Ermordung des Treuhandchefs Rohwedders
abgab, kommt in dem Folgeroman keine rechte Spannung auf. Dengler soll im Auftrag kleinindustrieller Erben
herausfinden, warum deren Großvater 1947 ein Schlosshotel an einen neuen Eigentümer
überschrieb, mit dem überhaupt keine verwandschaftliche Beziehung bestand. Nebenbei
übernimmt er den Sicherheitsdienst auf einer Bonzenparty und betätigt sich als Schnüffler
gegen ALG-II-Empfänger. Schorlau packt zuviel in seine Geschichte hinein, manche
Erzählstränge versickern im Nichts und die Verknüpfung von Denglers Begeisterung für
Blues, die für den Leser in zunehmendem Maße aufdringlich wird, mit dem Schicksal eines schwarzen
Piloten, der im Zweiten Weltkrieg abgeschossen wurde, sind ziemlich unglaubhaft konstruiert. Fazit: Ulrich
Ritzel hat keinen Erben.
Udo Bonn
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