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Am 19.März 2006 ist unser Genosse Rudolf Segall im Alter von fast 95
Jahren gestorben. Rudolf wurde am 6.April 1911 in Berlin geboren. Sein jüdisches Elternhaus war
wohlhabend. Als Junge war er unter seinen christlichen Mitschülern isoliert. Mit 14 Jahren schloss er
sich einer deutsch-jüdischen Wandervogelbewegung an den "Kameraden". Diese
Gruppierung öffnete ihm den Blick für die zeitgenössische kritische Kultur und für
politische Diskussionen. Das 1929 begonnene Lehrerstudium brach Rudolf in der zunehmend bedrohlicher
werdenden Endphase der Weimarer Republik ab.
Eine Zeitlang nahm er an den Treffen des
Kreises um Harro Schulze-Boysen teil, der später von den Nazis als einer der Köpfe der
Widerstandsorganisation "Rote Kapelle" hingerichtet wurde. Schon bei der Machtübergabe an
die Nazis 1933 war Rudolf klar, dass es für ihn in einem faschistischen Deutschland keine
Überlebenschance geben konnte. Er schloss sich deshalb der sozialistisch-zionistischen Gruppe Hashomer
Hazair (Der junge Wächter) an. Dort erhielt er eine erste marxistische Prägung durch sein
großes Vorbild Martin Monat ("Monte"), den die Gestapo 1944 in Frankreich wegen
revolutionärer Untergrundarbeit ermordete.
Von 1935 bis 1939 lebte und arbeitete er in
einem Kibbuz in Palästina, einer sich als egalitär verstehenden Gemeinschaft. Für Rudolf war
schon bald der Gegensatz zwischen dem gesellschaftlichen Ideal der Kibbuzim und der gewalttätigen
zionistischen Kolonisation unerträglich geworden. Durch die Abkehr vom Hashomer Hazair und die
Hinwendung zur 1938 gegründeten IV.Internationale löste er diesen Widerspruch. Sein Ziel war nun
die Rückkehr nach Deutschland in das vermeintliche Zentrum der erhofften sozialistischen
Nachkriegsrevolution in Europa. Über Frankreich gelang es ihm, 1947 wieder nach Deutschland
zurückzukehren.
Gemeinsam mit den wenigen deutschen
Genossinnen und Genossen der Internationalen Kommunisten Deutschlands (IKD), die die Nazidiktatur, das Exil
und die stalinistischen Verfolgungen überlebt hatten, baute er die deutsche Organisation neu auf.
In Süddeutschland lernte er seine
große Liebe Ingeborg kennen, die er 1950 heiratete. Von 1952 bis 1974 war Rudolf als hauptamtlicher
Bezirkssekretär für die damals linke Industriegewerkschaft Chemie in Frankfurt am Main
tätig. Bis ins hohe Alter engagierte er sich schließlich unermüdlich für die
Übersetzung und Veröffentlichung revolutionär-marxistischer Literatur (v.a. im Rahmen des
Neuen ISP-Verlags), für die Stärkung der internationalen Arbeiterbewegung und den Kampf für
eine Welt ohne Ausbeutung, Ausgrenzung und Unterdrückung.
Wolfgang Alles
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