SoZ - Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Juni 2006, Seite 04

Kolumne von Thies Gleiss

Doof wie Münte

"Hamburg ist nicht halb rechts oder halb links, sondern zu zwei Dritteln links" — das hört man, da in dieser schönen Stadt geboren und aufgewachsen, natürlich gern. Der ehemalige Justizsenator Roger Kusch ist an dieser Erkenntnis jedoch verzweifelt. Er hat nach dem Rücktritt vom Ministerposten auch die CDU verlassen. Wegen deren Linksruck! Die Hamburger CDU wäre "sozialdemokratisiert". Und auf Bundesebene, so Kusch, kommt es noch dicker: "Seit Ende 2005 bereue ich aber, meine Stimme Frau Merkel gegeben zu haben. Sie führt Deutschland spürbar in eine sozialistische Gesellschaft. Wer das will, der kann seine Stimme gleich den Urhebern dieser Idee geben … Was Unions-Bundestags-Fraktionschef Kauder für die Gesundheitsreform vorgeschlagen hat, ist das DDR-Gesundheitssystem light … Jetzt dauert es nicht mehr lange, bis der erste CDU-Politiker die Verstaatlichung des Bankenwesens fordert, weil es ungerecht sei, dass der eine Bankkunde Kontogebühren zahlt, der andere aber nicht. Was Kauder will, ist links von der SPD."
Unter der Führung der Comandante Angela in den Sozialismus — wir wissen nicht, was der rechtsradikale Kusch in seiner Freizeit alles raucht, werden aber unser Bestes tun, das seine Angstzustände durch Angleichung der Wirklichkeit an die Vision aufgehoben werden, wobei wir das mit der Führung durch Angela natürlich nicht garantieren können. Sorgen bereitet dabei allerdings der Subcomandante — Arbeits- und Sozialminister Franz Müntefering. Er kanzelte in der Fraktionsdebatte über das "Hartz-IV- Optimierungsgesetz" — was für ein Wort für Ausplünderung und Überwachung der Armen und faktischer Einführung von Zwangsarbeit — seinen Mann fürs schlechte Gewissen, Otmar Schreiner, mit der Bemerkung ab: "Nur wer arbeitet, soll auch essen". Wenn schon die Sozialdemokratie sich von allen Werten der alten Sozialdemokratie, von Sozialismus, sozialer Gerechtigkeit, Solidarität und Vergesellschaftung der Produktionsmittel verabschiedet, wollte der Münte wenigstens einen der dümmsten Sprüche aus der SPD-Geschichte erhalten wissen.
"Der Sozialismus stimmt mit der Bibel darin überein, wenn diese sagt: Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen", heißt es in Die Frau und der Sozialismus von August Bebel aus dem Jahre 1878. War die Pflicht zum Arbeiten bei Bebel — wie später auch unter den verbalsozialistischen stalinistischen Bürokratien — immerhin noch mit dem Recht auf Arbeit und vor allem der Forderung nach dem "Besitz aller Arbeitsmittel für die Gesellschaft" verbunden, wie auch der noch ältere Spruch aus Paulus‘ Zweitem Brief an die Thessalonicher: "Wer nicht arbeiten will, der soll auch nicht essen", sowohl auf der Grundlage einer dörflichen Gemeinwirtschaft entstanden ist, bei der Arbeitsverweigerung Lebensgefahr für alle bedeutete, als auch vom "Nicht-arbeiten-Wollen" spricht, so treibt‘s den Arbeitsminister doch heftig in die Nazi-Ecke des "Arbeit macht frei". Oder in den Worten des FDP- Innenministers aus Nordrhein-Westfalen, Ingo Wolf: "Auf dem Arbeitsmarkt sind wir für Liberalisierung, weil nur die Arbeit die Menschen wirklich frei macht."
Wir hätten für die beiden noch einen weiteren gemeingefährlichen Dummkopf als Bündnispartner anzubieten. Der von regelmäßiger Futterversorgung für Millionen von Babys zum Millionär gewordene Industrielle Claus Hipp sorgt sich wegen einer Revolte der Jungen gegen die Alten. Weil die auch zu viel wegfressen und zu viele Medikamente benötigen meinte er "Da sehe ich das Problem, dass eine Revolution der Jugend kommen wird, die sagt, so können wie nicht mehr weitermachen, so wollen wir nicht mehr weitermachen", und deshalb müsse man darüber nachdenken, "wann man die Menschen lieber sterben lässt, weil sie die Wirtschaft belasten".
Den ersten Teil der hippen Gedanken greifen wir gerne auf: Wir wollen und können so nicht mehr weitermachen, wie Münte, Wolf, Hipp und all die anderen es wollen, deshalb versuchen wir es mal mit einer Revolution, damit alle, die arbeiten wollen, es auch können und jede und jeder jederzeit genug zu essen hat.

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