SoZ - Sozialistische Zeitung |
Anlässlich des für Mitte Juli geplanten Staatsbesuchs des US-
Präsidenten George Bush ruft die Antikriegsbewegung zu bundesweiten Protesten auf.
Peter Strutynski ist Sprecher des
Bundesausschusses Friedensratschlag (www.friedensratschlag.de). Mit ihm sprach Wera Richter für die
Redaktion der Wochenzeitung UZ. Wir danken der UZ-Redaktion für die freundliche Nachdruckgenehmigung.
Mitte Mai trafen sich in Berlin Vertreter der Friedensbewegung, um über den Protest gegen
den anstehenden Bush-Besuch am 14.Juli in Stralsund zu beraten. Wie wird der US-Präsident
empfangen?
Wie es sich für den gefährlichsten Mann der Welt gebührt: Mit einer
Großdemonstration in Stralsund. Wir werden dem US-Präsidenten und seiner neuen Freundin Angela
Merkel zeigen, dass ihr Kriegskurs gegenüber dem Iran von der Bevölkerung abgelehnt wird.
Wie wurde die Rolle Deutschlands und Europas im Irankonflikt eingeschätzt?
Der Exil-Iraner und Autor Bahman Nirumand hat in seinem Referat darauf hingewiesen, dass die EU
2004 auf die US-Linie eingeschwenkt sei und seither aktiv an der Eskalationsschraube dreht, obwohl Europa
ein viel größeres Interesse an guten Beziehungen zum Iran haben müsste. Die Bundesregierung,
die beim Irakkrieg wenigstens verbal eine Antiposition eingenommen hatte, übt sich derzeit im
Schulterschluss mit den US-Falken.
Müssten sich die Proteste in diesem Land dann nicht stärker an der Politik der
Bundesregierung orientieren und unabhängig vom Bush-Besuch an Fahrt gewinnen?
Gewiss. Nur darf man erstens nicht vergessen, dass die USA als Führungsmacht des westlichen
Bündnisses (NATO und EU) immer noch die strategischen Entscheidungen treffen. Zweitens müssen wir
zur Kenntnis nehmen, dass die heraufziehende Kriegsgefahr hier zu Lande noch nicht die "Massen"
ergriffen hat. Hier ist noch viel Aufklärungsarbeit nötig.
Die Frage der Atombewaffnung des Iran ist vorgeschoben. Was sind Ihrer Meinung nach die
tatsächlichen Gründe der Aggression gegen das Land?
Es geht schon um das Atom. Allerdings nicht um die Befürchtung, dass der Iran die Atombombe
bauen könnte. Selbst die US-Geheimdienste gehen davon aus, dass Teheran mindestens noch ein Jahrzehnt
davon entfernt ist, waffenfähiges Plutonium herzustellen. Und auch dann dauert es noch Jahre, bis
daraus eine funktionierende Atomwaffe mit entsprechender Trägertechnologie hergestellt werden kann.
Mir scheint, dass die EU und die Bundesregierung ein dringendes Interesse haben, sich dem Iran als
Seniorpartner beim Aufbau seiner Kernkraftwerke einschließlich der Technologie zur Urananreicherung
anzubieten. Ziel ist es, Russland aus dem Feld zu schlagen.
Wichtiger als diese Fragen sind die
Bestrebungen von Seiten der USA und der EU, die Kontrolle über die riesigen Erdölressourcen des
Iran zu bekommen. Die Beherrschung des Iran ist für die USA der Lückenschluss auf ihrem
geostrategisch angelegten Marsch vom Nahen Osten bis nach Zentralasien, also bis an die Grenze Chinas, dem
Hauptrivalen der USA, aber auch Europas, im globalen Kampf um den Weltmarkt und die knapp werdenden
fossilen Energieträger.
Wenn die Kriegstreiber auf der angeblichen Bedrohung durch eine atomare Bewaffnung des Iran
herumreiten, könnte das doch Anlass sein, die Bedrohung durch Atomwaffen insgesamt stärker ins
Blickfeld zu rücken und die Heuchelei auszuhebeln?
Das ist natürlich richtig. Die atomare Gefahr hat verschiedene Seiten. Die eine Seite ist
Israel, das als einzige Macht im Nahen Osten über Atomwaffen verfügt. Östlich des Iran
liegen Pakistan und Indien, beide inoffizielle Atommächte, wobei Pakistan ein langjähriger
Verbündeter der USA ist da haben das undemokratische Regime und der Mangel an Menschenrechten
für die USA noch nie eine Rolle gespielt und Indien soll durch den kürzlich vereinbarten
indisch-US-amerikanischen Nuklearvertrag enger an die USA gebunden werden. Eine andere Frage, die in der
Öffentlichkeit wenig bekannt ist, betrifft die Verpflichtung zur atomaren Abrüstung. Das schreibt
jedenfalls Art.6 des Atomwaffensperrvertrags vor. Die fünf offiziellen Atomwaffenmächte
ignorieren diesen Artikel. So dürfen sie sich nicht wundern, wenn andere Staaten zu ihrem
eigenen Schutz selbst nach Atomwaffen streben.
Neben dem drohenden Iran-Krieg stehen andere Herausforderungen vor der Friedensbewegung. Der
Kongo-Einsatz und die Diskussion um den Bundeswehreinsatz im Innern sind Stichworte. Wie kann es gelingen,
die Kriegspolitik der Bundesregierung insgesamt stärker anzugreifen?
Der Kongo-Einsatz wird im Bundestag durchgewunken werden angeblich um damit die
demokratischen Wahlen zu sichern. Nach meiner Auffassung liegen die wahren Gründe für den Kongo-
Einsatz woanders. Einmal geht es um die militärische Präsenz in einem Gebiet, das zu den
interessantesten, weil rohstoffreichsten Regionen der Welt zählt. Zum zweiten sollen die
europäischen "battle groups", jene von der EU beschlossenen Elitekampftruppen, erstmals
einem Praxistest unterzogen werden. Und zum dritten dient auch der Kongo-Einsatz letztendlich dazu, die
Öffentlichkeit an Auslandseinsätze der Bundeswehr in aller Welt zu gewöhnen. Die Teilnahme
an Interventionen und Kriegen soll als Normalität erscheinen.
Welche Rolle spielt dabei die Fraktion der Linkspartei.PDS im Bundestag?
Die Linksfraktion hat eine große Verantwortung. Beim Kongo-Einsatz hält immerhin die FDP
noch dagegen, während sogar der grüne Vorzeigepazifist Christian Ströbele ins Horn der
Interventionisten bläst. Die Linke ist aber die einzige Kraft, die sich grundsätzlich gegen
Auslandseinsätze ausspricht. In dieser Haltung muss sie außerparlamentarisch unterstützt und
immer wieder ermutigt werden. Und die Fraktion selbst muss versuchen, durch gute Argumente Abgeordnete
anderer Fraktionen auf ihre Seite zu ziehen und das Parlament auch als Tribüne zu nutzen, um die
fundamentale Kritik an Auslandseinsätzen und am Krieg als Mittel der Politik in der
Öffentlichkeit zu verbreiten.
Wie wird die Vorbereitung der Proteste weiter gehen? Was kann nun vor Ort getan werden?
Wir haben der Friedensbewegung im ganzen Land den 13. und 15.Juli dazwischen geht es nach
Stralsund als Aktionstage des dezentralen Protestes gegen den drohenden Irankrieg und zur Beendigung
des Irakkriegs empfohlen. Das heißt, überall dort, wo es Friedensinitiativen, Attac-Gruppen,
Sozialforen, engagierte Gewerkschaften, Dritte-Welt-Gruppen, Ortsgruppen von Parteien und andere
kriegskritische Organisationen gibt, kann ab sofort mit der Vorbereitung solcher lokaler oder regionaler
Aktionen begonnen werden. Auch militärische Einrichtungen der US-Streitkräfte etwa eignen sich
zum Protest. Am wichtigsten ist jedoch, dass wir mit unserer Kritik an der Kriegspolitik der US-
Administration und am Kriegskurs der Bundesregierung die Menschen in unserem Land erreichen
überall!
Informationen und Meinungen sollten keine Waren sein. Und Geld ist ein Fetisch.
Dennoch und ganz praktisch: Die Online-SoZ sieht nur umsonst aus. Wir brauchen Eure Euros.
Spendet steuerlich abzugsfähig!
VsP, Postbank Köln, BLZ 370100 50,
Kontonummer 603 95 04