SoZ - Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Juni 2006, Seite 05

Peter Strutynski über den bevorstehenden Bush-Besuch und die Mobilisierungen nach Stralsund

Not welcome, Mr. Bush!

Anlässlich des für Mitte Juli geplanten Staatsbesuchs des US- Präsidenten George Bush ruft die Antikriegsbewegung zu bundesweiten Protesten auf.
Peter Strutynski ist Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag (www.friedensratschlag.de). Mit ihm sprach Wera Richter für die Redaktion der Wochenzeitung UZ. Wir danken der UZ-Redaktion für die freundliche Nachdruckgenehmigung.

Mitte Mai trafen sich in Berlin Vertreter der Friedensbewegung, um über den Protest gegen den anstehenden Bush-Besuch am 14.Juli in Stralsund zu beraten. Wie wird der US-Präsident empfangen?

Wie es sich für den gefährlichsten Mann der Welt gebührt: Mit einer Großdemonstration in Stralsund. Wir werden dem US-Präsidenten und seiner neuen Freundin Angela Merkel zeigen, dass ihr Kriegskurs gegenüber dem Iran von der Bevölkerung abgelehnt wird.

Wie wurde die Rolle Deutschlands und Europas im Irankonflikt eingeschätzt?

Der Exil-Iraner und Autor Bahman Nirumand hat in seinem Referat darauf hingewiesen, dass die EU 2004 auf die US-Linie eingeschwenkt sei und seither aktiv an der Eskalationsschraube dreht, obwohl Europa ein viel größeres Interesse an guten Beziehungen zum Iran haben müsste. Die Bundesregierung, die beim Irakkrieg wenigstens verbal eine Antiposition eingenommen hatte, übt sich derzeit im Schulterschluss mit den US-Falken.

Müssten sich die Proteste in diesem Land dann nicht stärker an der Politik der Bundesregierung orientieren und unabhängig vom Bush-Besuch an Fahrt gewinnen?

Gewiss. Nur darf man erstens nicht vergessen, dass die USA als Führungsmacht des westlichen Bündnisses (NATO und EU) immer noch die strategischen Entscheidungen treffen. Zweitens müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass die heraufziehende Kriegsgefahr hier zu Lande noch nicht die "Massen" ergriffen hat. Hier ist noch viel Aufklärungsarbeit nötig.

Die Frage der Atombewaffnung des Iran ist vorgeschoben. Was sind Ihrer Meinung nach die tatsächlichen Gründe der Aggression gegen das Land?

Es geht schon um das Atom. Allerdings nicht um die Befürchtung, dass der Iran die Atombombe bauen könnte. Selbst die US-Geheimdienste gehen davon aus, dass Teheran mindestens noch ein Jahrzehnt davon entfernt ist, waffenfähiges Plutonium herzustellen. Und auch dann dauert es noch Jahre, bis daraus eine funktionierende Atomwaffe mit entsprechender Trägertechnologie hergestellt werden kann. Mir scheint, dass die EU und die Bundesregierung ein dringendes Interesse haben, sich dem Iran als Seniorpartner beim Aufbau seiner Kernkraftwerke einschließlich der Technologie zur Urananreicherung anzubieten. Ziel ist es, Russland aus dem Feld zu schlagen.
Wichtiger als diese Fragen sind die Bestrebungen von Seiten der USA und der EU, die Kontrolle über die riesigen Erdölressourcen des Iran zu bekommen. Die Beherrschung des Iran ist für die USA der Lückenschluss auf ihrem geostrategisch angelegten Marsch vom Nahen Osten bis nach Zentralasien, also bis an die Grenze Chinas, dem Hauptrivalen der USA, aber auch Europas, im globalen Kampf um den Weltmarkt und die knapp werdenden fossilen Energieträger.

Wenn die Kriegstreiber auf der angeblichen Bedrohung durch eine atomare Bewaffnung des Iran herumreiten, könnte das doch Anlass sein, die Bedrohung durch Atomwaffen insgesamt stärker ins Blickfeld zu rücken und die Heuchelei auszuhebeln?

Das ist natürlich richtig. Die atomare Gefahr hat verschiedene Seiten. Die eine Seite ist Israel, das als einzige Macht im Nahen Osten über Atomwaffen verfügt. Östlich des Iran liegen Pakistan und Indien, beide inoffizielle Atommächte, wobei Pakistan ein langjähriger Verbündeter der USA ist — da haben das undemokratische Regime und der Mangel an Menschenrechten für die USA noch nie eine Rolle gespielt — und Indien soll durch den kürzlich vereinbarten indisch-US-amerikanischen Nuklearvertrag enger an die USA gebunden werden. Eine andere Frage, die in der Öffentlichkeit wenig bekannt ist, betrifft die Verpflichtung zur atomaren Abrüstung. Das schreibt jedenfalls Art.6 des Atomwaffensperrvertrags vor. Die fünf offiziellen Atomwaffenmächte ignorieren diesen Artikel. So dürfen sie sich nicht wundern, wenn andere Staaten — zu ihrem eigenen Schutz — selbst nach Atomwaffen streben.

Neben dem drohenden Iran-Krieg stehen andere Herausforderungen vor der Friedensbewegung. Der Kongo-Einsatz und die Diskussion um den Bundeswehreinsatz im Innern sind Stichworte. Wie kann es gelingen, die Kriegspolitik der Bundesregierung insgesamt stärker anzugreifen?

Der Kongo-Einsatz wird im Bundestag durchgewunken werden — angeblich um damit die demokratischen Wahlen zu sichern. Nach meiner Auffassung liegen die wahren Gründe für den Kongo- Einsatz woanders. Einmal geht es um die militärische Präsenz in einem Gebiet, das zu den interessantesten, weil rohstoffreichsten Regionen der Welt zählt. Zum zweiten sollen die europäischen "battle groups", jene von der EU beschlossenen Elitekampftruppen, erstmals einem Praxistest unterzogen werden. Und zum dritten dient auch der Kongo-Einsatz letztendlich dazu, die Öffentlichkeit an Auslandseinsätze der Bundeswehr in aller Welt zu gewöhnen. Die Teilnahme an Interventionen und Kriegen soll als Normalität erscheinen.

Welche Rolle spielt dabei die Fraktion der Linkspartei.PDS im Bundestag?

Die Linksfraktion hat eine große Verantwortung. Beim Kongo-Einsatz hält immerhin die FDP noch dagegen, während sogar der grüne Vorzeigepazifist Christian Ströbele ins Horn der Interventionisten bläst. Die Linke ist aber die einzige Kraft, die sich grundsätzlich gegen Auslandseinsätze ausspricht. In dieser Haltung muss sie außerparlamentarisch unterstützt und immer wieder ermutigt werden. Und die Fraktion selbst muss versuchen, durch gute Argumente Abgeordnete anderer Fraktionen auf ihre Seite zu ziehen und das Parlament auch als Tribüne zu nutzen, um die fundamentale Kritik an Auslandseinsätzen und am Krieg als Mittel der Politik in der Öffentlichkeit zu verbreiten.

Wie wird die Vorbereitung der Proteste weiter gehen? Was kann nun vor Ort getan werden?

Wir haben der Friedensbewegung im ganzen Land den 13. und 15.Juli — dazwischen geht es nach Stralsund — als Aktionstage des dezentralen Protestes gegen den drohenden Irankrieg und zur Beendigung des Irakkriegs empfohlen. Das heißt, überall dort, wo es Friedensinitiativen, Attac-Gruppen, Sozialforen, engagierte Gewerkschaften, Dritte-Welt-Gruppen, Ortsgruppen von Parteien und andere kriegskritische Organisationen gibt, kann ab sofort mit der Vorbereitung solcher lokaler oder regionaler Aktionen begonnen werden. Auch militärische Einrichtungen der US-Streitkräfte etwa eignen sich zum Protest. Am wichtigsten ist jedoch, dass wir mit unserer Kritik an der Kriegspolitik der US- Administration und am Kriegskurs der Bundesregierung die Menschen in unserem Land erreichen — überall!

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