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Besetzte Senate, Demonstrationen, Banner an den Hochschulgebäuden
die Universitäten in Nordrhein-Westfalen scheinen aus ihrem Dornröschenschlaf erwacht. Allerdings
ist der küssende Prinz keineswegs der Schwiegersohn, den sich aufgeklärte Eltern wünschen
würden.
Die Landesregierung von NRW hat sich
aufgemacht, das Hochschulwesen grundlegend umzuwälzen. Nicht nur die Abschaffung der Breitenbildung
steht auf ihrer Agenda, sondern auch die vollständige Umstrukturierung der universitären
Strukturen. Es sind zwei Gesetze, die die Studierenden endlich aufrütteln: Das
Hochschulgebührengesetz und das Hochschul"freiheits"gesetz.
Das Hochschulgebührengesetz
ermöglicht den Hochschulen, ab dem Sommersemester 2007 Studiengebühren bis zu 500 Euro pro
Semester zu erheben. Damit hat die Regierung den Schwarzen Peter unverblümt an die Hochschulen
weitergereicht. Jede einzelne Uni kann entscheiden, ob sie Gebühren erhebt und sich damit von dem
Recht auf kostenfreie Bildung für alle verabschiedet. Oder ob sie alternativ auf Gebühren
verzichtet und riskiert, die laufenden Kosten (bspw. der Energieversorgung) nicht mehr begleichen zu
können.
Viele Universitäten stehen vor einem
Millionendefizit, das von der Landesregierung nicht beglichen wird. Studiengebühren scheinen der
Weisheit letzter Schluss zu sein.
Der Druck erhöht sich durch das
bereits angekündigte zweite Gesetzesprojekt der Landesregierung: Das
Hochschul"freiheits"gesetz. Mit ihm werden die Hochschulen zu Körperschaften des
öffentlichen Rechts umgewandelt. Sie wären künftig insolvenzfähig. Entscheiden wird in
Zukunft nicht mehr der wenigstens annähernd demokratisch legitimierte Senat, sondern ein
"Hochschulrat", der sich aus Vertretern der Wirtschaft zusammensetzen wird. Was Bildungsminister
Pinkwart (FDP) vollmundig als den Beginn von Freiheit und Lehre und die Unabhängigkeit der Hochschulen
zu loben nicht müde wird, setzt die Universitäten den Regeln des freien Marktes aus.
Was soll aber eine kapitalistische
Wirtschaft mit kritischen Wissenschaften, nachhaltigen Wirtschaftskonzepten oder ökologischer
Forschung? Sie will sie abschaffen. Dazu hat sie fürderhin alle Möglichkeiten: Die
öffentliche Finanzierung wird zurückgeschraubt, Drittmittel müssen akquiriert werden, die
Haushaltslage für Forschung und Lehre, die nicht marktschnittig arbeiten, wird zunehmend prekär.
Der Hochschulrat wird sich den "Sachzwängen" nicht entziehen können, geschweige denn
wollen, und unliebsame Fakultäten schließen.
Dieser Generalangriff auf das Bildungswesen
geht selbst den friedlichen bundesdeutschen Studierenden zu weit.
Zum Unglück der Landesregierung
kämpften parallel zu den anstehenden Entscheidungen über die Einführung von Gebühren
die Studierenden der französischen Hochschulen erfolgreich gegen die Einführung des CPE. An
vielen Unis fanden spontan Veranstaltungen unter dem Titel "Von Frankreich lernen, heißt siegen
lernen" statt. Zahlreiche Studierende, die bisher scheinbar unberührt von den Ereignissen an
ihrer eigenen Uni waren, wurden mitgerissen und politisiert. Es sind längst nicht mehr die
"üblichen Verdächtigen" allein, die den Widerstand an den Unis tragen. Dass sich dann
auch noch die Beschäftigten der Universitäten im Streik befanden und sich mit den Studierenden
solidarisierten das konnten Herr Pinkwart und seine Kumpane nun wirklich nicht ahnen, als sie die
Gesetze auf den Weg brachten.
Völlig neu an den jetzigen Aktionen
ist die enge Zusammenarbeit zwischen Beschäftigten und Studierenden. Bei der Senatsbesetzung an der
Ruhruni Bochum war eine Delegation von Deilmann-Haniel anwesend. Die Streikenden der Ver.di
unterstützten den Protest. Die landesweite Demo in Düsseldorf am 16.Mai wurde von den Streikenden
und Studierenden gemeinsam getragen.
Seit dem 22.Mai gibt es nun die "Freie
Uni Bochum". Spontan gegründet wurde sie, nachdem der Senat durch die kalte Küche die
Erarbeitung einer Gebührensatzung beschlossen hatte. Studierende der Uni Münster hielten
über Tage das Schloss in Münster besetzt. Der Kölner Senat verlegte seine
Gebührenentscheidung aus Angst vor Protesten ins Kernforschungszentrum Jülich. An vielen anderen
Unis regt sich der Widerstand und vor allem der Wille, miteinander das Hochschul"freiheits"gesetz
zu verhindern. Hier stehen Beschäftigte und Studierende und zunehmend auch Lehrende Seite an Seite.
Für Ende Juni ist eine breit angelegte
Demonstration vor dem Landtag gegen den Bildungsabbau geplant. Die Organisatoren werden sich darauf
einrichten müssen, dass ihr Widerstand mit massiver Polizeigewalt beantwortet wird. Das haben bereits
die Proteste der letzten Wochen gezeigt. Fast alle Senate wurden polizeilich und nicht eben zimperlich
geräumt, Teilnehmende der Demo in Düsseldorf über zwei Stunden eingekesselt, als sie auf dem
Weg nach Hause waren. Der friedliche Widerstand soll kriminalisiert werden. Die Studierenden antworten
darauf mit Wortgewalt und Solidarität.
Katharina Schwabedissen
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