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Nachdem der Bundesparteitag der WASG grünes Licht gegeben hat, ist
der Berliner WASG-Landesvorstand vom Bundesvorstand abgesetzt worden, um eure Kandidatur zu den
Senatswahlen im September administrativ zu verhindern. Wie interpretiert ihr in Berlin diese
Entwicklung?
Seit fast einem Jahr gibt es im Berliner Landesverband der WASG kontinuierlich eine sichere
Mehrheit für den eigenständigen Antritt der Partei zu den Abgeordnetenhauswahlen und damit gegen
einen Zusammenschluss mit der Berliner LPDS unter den gegenwärtigen Bedingungen und dies,
obwohl von den Befürwortern eines "Parteibildungsprozesses ohne wenn und aber" genauso
kontinuierlich und zum Teil mit unlauteren Methoden dagegen angearbeitet wurde.
Dass nun aber über administrative
Maßnahmen der Mehrheitswille des Berliner Landesverbandes außer Kraft gesetzt werden soll,
lässt nicht nur am Verständnis innerparteilicher Demokratie zweifeln, sondern ist der Beweis
für die Aufhebung derselben. Eine solche Vorgehensweise bietet deshalb auch keine Grundlage für
einen ernstzunehmenden Entwurf einer "Neuen Linken", der sich ja zuerst mal legitimieren
müsste im demokratischen Umgang miteinander, in der Akzeptanz mehrheitlicher Entscheidungen und im
Respekt gegenüber nachvollziehbar begründeten Positionen, selbst wenn die momentan nicht in den
engen Rahmen des eigenen bundespolitischen Wunschdenkens passen mögen.
Was bedeutet dies nun konkret für den geplanten Wahlkampf und für euren Berliner
Parteiaufbau?
Wir machen weiter wie beschlossen und geplant und bereiten den eigenständigen Antritt der
Berliner WASG zu den bevorstehenden Wahlen vor.
Ist die WASG noch eure Partei?
Es ist schwierig, eine Partei als die eigene zu verstehen, in der die als gemeinsam propagierten
linken Überzeugungen auf der Führungsebene nicht ernst genommen und mehrheitlich-demokratische
Entscheidungen der Basis nicht geachtet, sondern geächtet werden. Die kollektive Demütigung der
Berliner WASG durch die "Absetzung" des von ihr gewählten Landesvorstands hat die Hoffnungen
auf die WASG als wirkliche und große politische "Alternative" gravierend erschüttert,
auch wenn die Einigkeit im Landesverband dadurch vorerst gestärkt zu sein scheint.
Unmittelbar nach der Absetzung des Berliner Landesvorstands hat sich die Wahlalternative
Soziales Berlin (WASB) gegründet und ihre Teilnahme an den Wahlen angekündigt. Haben wir es hier
mit der Berliner WASG im neuen Gewand zu tun?
Die WASB wurde von Berliner WASG-Sympathisanten gegründet, die der Überzeugung sind, dass
die undemokratische Unterdrückung des Mehrheitswillens der Berliner WASG-Mitglieder zum
eigenständigen Wahlantritt im September nicht hinnehmbar und mit Hilfe dieses Ersatzprojekts dann doch
noch gewährleistet wäre. Die Gründung der WASB ist deshalb zu betrachten als die Schaffung
einer Art "letzter Rettung" für diesen demokratischen Mehrheitswillen, sollten die
herrschaftlichen Bemühungen zur Verhinderung des Wahlantritts auch noch juristisch bestätigt
werden wovon ich nicht ausgehe.
Die hinter dieser Gründung stehende
Absicht ist nachvollziehbar und verständlich. Ob sie aber auch umsetzbar sein wird, hängt von
verschiedenen Faktoren ab, z.B. vom jeweiligen Grad der nach dem bisherigen Berliner Kraftakt verbliebenen
Motivation der eigenantrittswilligen Berliner WASG-Mitglieder. Die müssen sich dann nämlich
entscheiden, ob sie sich überhaupt und unter dem gegebenen Zeitdruck auf das Ersatzprojekt WASB
einlassen können und wollen um dort ungebrochen weiter zu machen, als hätte man nur
notgedrungen das besudelte Namenshemd gewechselt und damit nicht gleichzeitig Abschied nehmen müssen
von einer ebenfalls erhofften bundesweit antineoliberalen Partei.
Und darin sehe ich das eigentliche Problem
dieses Ersatzprojekts, denn vorausgesetzt, die inhaltliche und programmatische Ausrichtung bliebe dieselbe,
wird WASB dennoch nicht gleich WASG sein können. Der eigenständige Antritt der Berliner zu den
Abgeordnetenhauswahlen als WASG wäre für einen möglichst problemlosen Parteibildungsprozess
zugegebenermaßen ein ärgerliches Hindernis. Er wäre aber gleichzeitig ein überzeugender
erster Schritt in Richtung auf die vielbeschworene "Neue Linke", denn unabhängig vom Ausgang
dieser Wahl und dem Abschneiden der WASG Berlin könnte damit bewiesen werden, dass die in Entstehung
begriffene "Neue Linke" bei allen internen Kämpfen doch wenigstens in der Lage
ist, einigermaßen geschlossen und konsequent zu ihren vorgeblich programmatischen Aussagen zu stehen
und diese auch überzeugend durchsetzen zu wollen. Ein eigenständiger Antritt als WASB würde
diesem parteiinternen Kampf um die Aufrichtigkeit der "Neuen Linken" mutig und trotzig ausweichen
und davon losgelöst den provinziellen Beweis der eigenen Aufrichtigkeit suchen. Ob das nun
allerdings ein effektiver Beitrag zu einer notwendig breiten "Neuen Linken" sein kann, sollte
zumindest kritisch diskutiert werden.
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