SoZ - Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Juni 2006, Seite 12

Interview mit Barbara Suhr-Bartsch

"Beweis für die Aufhebung der innerparteilichen Demokratie"

Barbara Suhr-Bartsch gehört zum < a href=http://www.wasg-berlin.de>Presseteam der WASG Berlin.

Nachdem der Bundesparteitag der WASG grünes Licht gegeben hat, ist der Berliner WASG-Landesvorstand vom Bundesvorstand abgesetzt worden, um eure Kandidatur zu den Senatswahlen im September administrativ zu verhindern. Wie interpretiert ihr in Berlin diese Entwicklung?

Seit fast einem Jahr gibt es im Berliner Landesverband der WASG kontinuierlich eine sichere Mehrheit für den eigenständigen Antritt der Partei zu den Abgeordnetenhauswahlen und damit gegen einen Zusammenschluss mit der Berliner LPDS unter den gegenwärtigen Bedingungen — und dies, obwohl von den Befürwortern eines "Parteibildungsprozesses ohne wenn und aber" genauso kontinuierlich und zum Teil mit unlauteren Methoden dagegen angearbeitet wurde.
Dass nun aber über administrative Maßnahmen der Mehrheitswille des Berliner Landesverbandes außer Kraft gesetzt werden soll, lässt nicht nur am Verständnis innerparteilicher Demokratie zweifeln, sondern ist der Beweis für die Aufhebung derselben. Eine solche Vorgehensweise bietet deshalb auch keine Grundlage für einen ernstzunehmenden Entwurf einer "Neuen Linken", der sich ja zuerst mal legitimieren müsste im demokratischen Umgang miteinander, in der Akzeptanz mehrheitlicher Entscheidungen und im Respekt gegenüber nachvollziehbar begründeten Positionen, selbst wenn die momentan nicht in den engen Rahmen des eigenen bundespolitischen Wunschdenkens passen mögen.

Was bedeutet dies nun konkret für den geplanten Wahlkampf und für euren Berliner Parteiaufbau?

Wir machen weiter wie beschlossen und geplant und bereiten den eigenständigen Antritt der Berliner WASG zu den bevorstehenden Wahlen vor.

Ist die WASG noch eure Partei?

Es ist schwierig, eine Partei als die eigene zu verstehen, in der die als gemeinsam propagierten linken Überzeugungen auf der Führungsebene nicht ernst genommen und mehrheitlich-demokratische Entscheidungen der Basis nicht geachtet, sondern geächtet werden. Die kollektive Demütigung der Berliner WASG durch die "Absetzung" des von ihr gewählten Landesvorstands hat die Hoffnungen auf die WASG als wirkliche und große politische "Alternative" gravierend erschüttert, auch wenn die Einigkeit im Landesverband dadurch vorerst gestärkt zu sein scheint.

Unmittelbar nach der Absetzung des Berliner Landesvorstands hat sich die Wahlalternative Soziales Berlin (WASB) gegründet und ihre Teilnahme an den Wahlen angekündigt. Haben wir es hier mit der Berliner WASG im neuen Gewand zu tun?

Die WASB wurde von Berliner WASG-Sympathisanten gegründet, die der Überzeugung sind, dass die undemokratische Unterdrückung des Mehrheitswillens der Berliner WASG-Mitglieder zum eigenständigen Wahlantritt im September nicht hinnehmbar und mit Hilfe dieses Ersatzprojekts dann doch noch gewährleistet wäre. Die Gründung der WASB ist deshalb zu betrachten als die Schaffung einer Art "letzter Rettung" für diesen demokratischen Mehrheitswillen, sollten die herrschaftlichen Bemühungen zur Verhinderung des Wahlantritts auch noch juristisch bestätigt werden — wovon ich nicht ausgehe.
Die hinter dieser Gründung stehende Absicht ist nachvollziehbar und verständlich. Ob sie aber auch umsetzbar sein wird, hängt von verschiedenen Faktoren ab, z.B. vom jeweiligen Grad der nach dem bisherigen Berliner Kraftakt verbliebenen Motivation der eigenantrittswilligen Berliner WASG-Mitglieder. Die müssen sich dann nämlich entscheiden, ob sie sich überhaupt und unter dem gegebenen Zeitdruck auf das Ersatzprojekt WASB einlassen können und wollen — um dort ungebrochen weiter zu machen, als hätte man nur notgedrungen das besudelte Namenshemd gewechselt und damit nicht gleichzeitig Abschied nehmen müssen von einer ebenfalls erhofften bundesweit antineoliberalen Partei.
Und darin sehe ich das eigentliche Problem dieses Ersatzprojekts, denn vorausgesetzt, die inhaltliche und programmatische Ausrichtung bliebe dieselbe, wird WASB dennoch nicht gleich WASG sein können. Der eigenständige Antritt der Berliner zu den Abgeordnetenhauswahlen als WASG wäre für einen möglichst problemlosen Parteibildungsprozess zugegebenermaßen ein ärgerliches Hindernis. Er wäre aber gleichzeitig ein überzeugender erster Schritt in Richtung auf die vielbeschworene "Neue Linke", denn unabhängig vom Ausgang dieser Wahl und dem Abschneiden der WASG Berlin könnte damit bewiesen werden, dass die in Entstehung begriffene "Neue Linke" — bei allen internen Kämpfen — doch wenigstens in der Lage ist, einigermaßen geschlossen und konsequent zu ihren vorgeblich programmatischen Aussagen zu stehen und diese auch überzeugend durchsetzen zu wollen. Ein eigenständiger Antritt als WASB würde diesem parteiinternen Kampf um die Aufrichtigkeit der "Neuen Linken" mutig und trotzig ausweichen — und davon losgelöst den provinziellen Beweis der eigenen Aufrichtigkeit suchen. Ob das nun allerdings ein effektiver Beitrag zu einer notwendig breiten "Neuen Linken" sein kann, sollte zumindest kritisch diskutiert werden.

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