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Wenn er nicht mal wieder eine Panne hat, zieht der Transrapid seit bald
zwanzig Jahren auf der Versuchsstrecke im Emsland seine Runden. Gut 1,7 Milliarden Euro sind in dieses
Projekt geflossen, zu fast 90% öffentliche Gelder. Die Privatindustrie um Thyssen-Krupp, Krauss-
Maffei, ABB und Siemens hat gerade mal 150 Millionen Euro aufgebracht. Aber nun drängen diese Konzerne
mal wieder mit aller Macht die Politik, für ihr teures Spielzeug möglichst viel Geld locker zu
machen. Und die bayrische CSU lässt sich nur zu gerne drängen offenbar nicht zu ihrem
(finanziellen) Nachteil!
Der Beschluss der Regierung Kohl vom Dezember 1987, wonach der Transrapid zum Nutzen des Standorts
unbedingt in Deutschland fahren müsse, soll nach 20 Jahren endlich verwirklicht werden. Denn die
erträumten Exporterfolge können sich nur einstellen, wenn man ein solches Gefährt vor der
eigenen Haustür vorweisen kann. Nachdem die Pläne einer Verbindung Hamburg Hannover,
HamburgBerlin sowie durchs Ruhrgebiet an mangelnder Wirtschaftlichkeit und dem Widerstand der
betroffenen Bürger gescheitert sind, ist nun München an der Reihe: Der Transrapid soll vom
Hauptbahnhof ins Erdinger Moos zum Flughafen Franz-Josef-Strauß "schweben".
Seit dem 27.April liegen die
Planungsunterlagen in den zehn betroffenen Kommunen einen Monat lang zur Einsichtnahme aus. Die Pläne
für die Trassenführung wurden von der Bahn-Tochter DB Magnetbahn erstellt, die auch reichlich
Werbematerial und -broschüren gedruckt hat, um den eher widerspenstigen Bürgerwillen in ihrem
Sinn zu beeinflussen. Der Hauptagitator für den Transrapid ist aber die bayrische Staatsregierung, die
ihr auch in der Berliner Koalitionsvereinbarung stehendes "technologisches Leuchtturmprojekt" auf
Gedeih und Verderb durchsetzen möchte. Der bayrische Finanzminister Erwin Huber schwärmte stets
für diese "Hochtechnologie" und meinte: "Das Münchner Projekt ist das einzige, das
hierzulande zeitnah realisierbar ist."
Doch macht eine solche Verbindung für die Allgemeinheit Sinn?
1Technisch gesehen stammt der Transrapid aus den 60er Jahren
(patentiert wurde das Verfahren bereits in den 30er Jahren!), als man in Deutschland meinte, mit
konventioneller Radtechnik könnten Züge höchstens 250 Kilometer fahren. Mit ihren
Hochgeschwindigkeitszügen TGV und Shinkansen dementierten Franzosen und Japaner diese Ansicht. Auch
die Bundesbahn begann, wenn auch verspätet, mit dem Aufbau eines Hochgeschwindigkeitsnetzes für
den ICE. Die oben genannten Transrapidstrecken, vor allem zwischen Hamburg und Berlin, hätten somit in
direkter Konkurrenz zur Bahn gestanden.
2Der Transrapid braucht eine aufwändige Streckenführung auf
etwa 5 Meter hohen Stelzen. In Teilen Münchens soll er in einer Tunnelröhre geführt werden.
Er ist mit den bestehenden Schienennetzen nicht kompatibel. Es müssen also entsprechend
aufwändige Umsteigebahnhöfe (und womöglich große Parkhäuser für die Pkw)
gebaut werden. Die Strecke wird durch Naherholungsgebiete und Naturschutzflächen wie die Isarauen und
eine Reihe von Badeseen geführt. Die klimatischen Folgen dieser Zubetonierung von Landschaft sind noch
kaum erforscht.
3Der Energieverbrauch des Transrapid ist höher als auf der
Schiene, viermal so hoch wie der einer S-Bahn, die außerdem noch deutlich mehr Passagiere
befördern kann. Die Lärmentwicklung entspricht einem ICE mit gleicher Geschwindigkeit, kann also
100 Dezibel erreichen. Mit vier Zügen (plus einem Ersatzzug) sollen täglich im Abstand von 10
Minuten hin und zurück 230 Fahrten unternommen werden. Welche Belästigung für die Anwohner
dadurch entsteht, dass alle fünf Minuten ein eigenartiger Knall zu hören ist, kann man sich
leicht ausmalen.
4Auf der nur etwa 37 Kilometer langen Strecke ins Erdinger Moos kann
der Transrapid seinen Vorteil hoher Geschwindigkeit überhaupt nicht entfalten: Kaum hat er sie
erreicht, muss er bereits wieder abbremsen. Einen Zwischenhalt kann es nicht geben. Also haben nur
Passagiere einen Zeitvorteil, die in der Nähe des Hauptbahnhofs wohnen oder von dort direkt
weiterreisen. Die als Alternative von der Stadt München ins Spiel gebrachte Beschleunigung der
bestehenden S-Bahn-Linie hätte zwar eine um gut zehn Minuten längere Fahrzeit, könnte aber,
da sie drei bis vier Zwischenstopps einlegen würde, die Passagiere aus den östlichen Stadtteilen
und dem Umland "aufsammeln". Außerdem wäre sie trotz einer Reihe von teuren
Lärmschutzmaßnahmen mit weniger als einem Drittel der Kosten für den Transrapid zu
realisieren.
5Nach heutigem Kenntnisstand ist für den Bau der Strecke mit
Kosten von (über) 2 Milliarden Euro zu rechnen. (Das ist fast ein Viertel des Geldes, das der Bahn
insgesamt pro Jahr für Investitionen zur Verfügung steht!) Von diesen Kosten sind bisher aufgrund
der Koalitionsvereinbarung 550 Millionen Euro in den Bundeshaushalt eingestellt; der Freistaat und die Bahn
wollen sich mit etwa 10% (also 185 Millionen Euro) beteiligen. Der Chef der Flughafen-Gesellschaft, Michael
Kerkloh, hatte 100 Millionen angeboten, wurde aber von der Stadt München, die an der Flughafen-
Gesellschaft beteiligt ist, zurückgepfiffen.
Die Lufthansa hat bislang eine Beteiligung
abgelehnt. Und die Industrie ist so sehr von ihrem Prestigevorhaben überzeugt, dass sie keinen
müden Euro an Investitionen zugesagt hat. Sie möchte ihren Reibach wohl lieber in China und Qatar
machen, wo keine lästige Bevölkerung ihre Kreise einengt.
Selbst wenn sich der kalkulierte Preis von
40 Euro für Hin- und Rückfahrt durchsetzen ließe, fiele ein jährliches laufendes
Defizit von mindestens 40 Millionen Euro an, das die Allgemeinheit zu tragen hätte. Alle Berechnungen
zeigen, dass auf der geplanten Strecke der Transrapid trotz gigantischer Subventionen nicht kostendeckend
zu betreiben ist. Es handelte sich also um ein Milliardengrab!
Dabei sind die Unwägbarkeiten eines
solchen Projekts noch gar nicht berücksichtigt: Die ICE-Strecke von München nach Nürnberg,
die mit drei Jahren Verzögerung in diesen Tagen eröffnet wird und wegen des weisen Ratschlusses
des damaligen Ministerpräsidenten Streibl und seines Wirtschaftsministers Wiesheu (heute im Vorstand
der Bahn) unbedingt über Ingolstadt statt über Augsburg geführt werden musste, sollte 3,5
Milliarden Mark kosten. Tatsächlich sind es 3,6 Milliarden Euro geworden aber "mir
hams ja".
Anscheinend hat die Staatsregierung aus den
Erfahrungen mit dem Schnellen Brüter in Kalkar (der als Milliardenruine die Landschaft verschandelt)
und dem gescheiterten Bau der Wiederaufbereitungsanlage in Wackersdorf keine vernünftigen Lehren
gezogen, denn ihr Motto ist nach wie vor: "Hochtechnologie und Standort über alles!"
6Die Deutsche Bahn, die ja die S-Bahnen betreibt, soll gezwungen
werden, den Transrapid in ihr Netz einzufügen und zu verwalten. Sie soll also selbst ein
konkurrierendes Verkehrsmittel unterhalten. Für die zu erwartenden 17000 Fahrgäste des Transrapid
müssen dann die 730000 Menschen geradestehen, die täglich die Münchner S-Bahn benutzen. Da
man Geld bekanntlich nur einmal ausgeben kann, ist mit deutlichen Leistungsverschlechterungen zu rechnen.
Die Folge wird außerdem eine Vergrößerung der Defizite in beiden Systemen sein, für die
entweder die Fahrgäste oder aber die Öffentliche Hand einzustehen haben werden.
Beim Transrapid handelt es sich daher um eine unnütze, teure und dem Gemeinwohl abträgliche
Fehlinvestition, die unbedingt verhindert werden muss!
Auf einer Bürgerversammlung, die die
Stadt München einberufen hatte und an der etwa 1400 Menschen vor allem aus den betroffenen Stadtteilen
teilnahmen, wurde eine sehr klare Ablehnung des Projekts deutlich. Von den Stimmberechtigten stimmten etwa
95% mit Nein. Die beiden Vertreter der Magnetbahngesellschaft hatten einen schweren Stand, da sie ein rein
emotionales Bekenntnis zu ihrem sündteuren Spielzeug ablegten.
Abgesehen von einem Ingenieur waren die
Hauptbefürworter des Projekts Vertreter der "Bürgerinitiative Solidarität", die
umstandslos den Weiterbau des Transrapid über Berlin und Moskau nach Shanghai einforderten. Vielleicht
ist es kein Zufall, dass die Argumentation der Technikgläubigen in der Staatskanzlei
(Arbeitsplätze!) eine gewisse Ähnlichkeit mit den Vorstellungen einer aus den USA stammenden
rechtsextremen Sekte aufweist.
In den kommenden Monaten wird es darum
gehen, die Auseinandersetzung auf politischer und juristischer Ebene voranzutreiben. Einwendungen
können bis zum 10.Juni erhoben werden, auf den einschlägigen Internetseiten finden sich
Mustertexte. Es muss auch geprüft werden, ob ein Volksbegehren gegen den Transrapid möglich ist
und mit den Vorbereitungen begonnen werden soll. Der Zusammenhang zwischen diesem gigantischen
Ausgabenprogramm und dem Sozialabbau liegt auf der Hand.
Paul B. Kleiser
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