SoZ - Sozialistische Zeitung |
Was passiert, wenn zwei Musiker der Hamburger Schule die sich in verschiedenen Projekten
tummeln, beim Nachspielen von John Cale und Leonard Cohen musikalisch aufeinander zugehen? Wenn sie dann noch das
gemeinsame "Angeödetsein" entdecken, von der gnadenlosen Textinterpretation, die keine Dichtung einfach
einmal so stehen lassen und genießen kann? Sie gründen eine Band, die "erst einmal eine Stimmung schafft,
die völlig unauthentisch ist". Sie haben Spaß daran, Rätsel zu schaffen, die man nicht lösen
kann, weil es sich oft dabei einfach um Quatsch handelt. Bei ihrer dritten LP nennen Dirk von Lowtzow und Thies Mynther
diese Mischung "pseudowissenschaftlichen Schabernack in einer Zeit, die besessen ist von Authentizität".
Musikalisch hatten die beiden besonders in ihrer zweiten LP-Produktion To Damascus hier und da zum Tanz animiert. Die
elektronischen Beats drängten sich ein ums andere Mal in den Vordergrund. Three dagegen ist eher eher ein
Songwriter-Album der besonderen Art.
Das beginnt mit einer herrlich düsteren Ballade
über die Tannis-Wurzel aus Rosemaries Baby. Von Lowtzows akustische Gitarre wird von Mynthers elektronischen
Sounds in eine Stimmung eingebettet, in der langsame Bässe, Lagerfeuerknistern und Rabengeschrei Unheimlichkeit
herstellen. Wenn dann Michaela Meise als Gastsängerin einsetzt, ist ein Schaudern ebenso wie ein wohliges Grinsen
die unweigerliche Reaktion. Weiter geht es mit "Relax, its only a ghost". Von Lowtzow singt die
englischsprachigen Songs mit gekünstelt deutschem Akzent. Dabei setzt Mynther die Hall- und Echoeffekte so ein, dass
unklar bleibt, wo eigentlich gesungen wird. Elektronic Folk, ist wohl die richtige Umschreibung für diese Musik, und
es bleiben dabei sehr wohl Anknüpfungen zu Leonard Cohen, John Cale und der Incredible String Band. Aber auch zu
CocoRosie, die mit ihrer abgefahrenen Musik wohl die größte Bereicherung der Popmusik in den letzten Jahren
waren.
Bei "All is hell" kommen die beiden Musiker gar
beim Kunstlied an und persiflieren es zugleich. Wenn die Information über die gewollt fehlende Authenzität und
den pseudowissenschaftlichen Schabernack nicht publik wäre, würden spätestens bei diesem Lied die
abgründigsten Interpretationen beginnen. Schade eigentlich, es wären sicherlich Entdeckungen in den Untiefen
des Songs gemacht worden, an denen sich nicht zuletzt die Künstler hätten erfreuen können.
Auch wenn Phantom/Ghost in "Where more gifted people
cracked" beschwören: "The absolut grey I cant keep it away", ist es genau das, was sie leisten.
Schwarze düstere Stimmung, und dennoch klare geradezu helle Strukturen. Wenn im letzten Lied noch Willow Rosenberg,
die Streberin aus Buffy, zum Schulschwänzen aufgefordert wird, ist der Nonsens perfekt.
Was Dirk von Lowtzow und Thies Mynther mit Three hier im
Vinyl-LP-Format (ca. 40 Minuten) abgeliefert haben, ist nicht nur schaurig lustiger Elektronic Folk, sondern hier werden
Hermeneutik und Dekonstruktion beide gnadenlos vor die Wand gefahren.
So unterschiedlich die Ansätze dieser Schulen sind,
so chancenlos stehen sie gemeinsam einer derartigen Liedproduktion gegenüber, und das macht zusätzlich Freude.
Die Stimmung ist sicherlich live am ehesten in dunklen Kellergewölben zu genießen und setzt dort diese Freude
vielleicht in ein angenehmes Philosophieren um, jenseits des utilitaristischen Zwangs, ein sinnhaftes Ziel zu verfolgen.
Auf der CD-Version findet sich außerdem eine
Videoproduktion zu "Relax, its only a ghost", die sich bei ihrem Versuch, die musikalische Stimmung
umzusetzen, zwar Mühe gibt, aber hier ist gut gemeint halt nicht wirklich gut. Doch kann das nicht zur Abwertung
einer musikalischen Produktion führen, die auch beim x-maligen Hören noch nicht langweilig ist.
Thomas Schroedter
Informationen und Meinungen sollten keine Waren sein. Und Geld ist ein Fetisch.
Dennoch und ganz praktisch: Die Online-SoZ sieht nur umsonst aus. Wir brauchen Eure Euros.
Spendet steuerlich abzugsfähig!
VsP, Postbank Köln, BLZ 370100 50,
Kontonummer 603 95 04