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Die evangelische Kirche Herne löst zu Jahresende das Industrie- und Sozialpfarramt (ISPA) auf.
Arbeitsplatzabbau geht auch woanders vor sich, doch lohnt ein Blick auf Hintergründe und
Grundsätzliches.
Die Industrie- und Sozialpfarrer im
Ruhrgebiet waren seit den 1960er Jahren oft Sammelpunkte sozialer Ideen und sozialen Engagements bis zur
Opposition zu den sich auftürmenden Problemen in Industrie und Gesellschaft. Die Vernichtung von
Zechen und Hütten, von Maschinenbau und Elektroindustrie im Revier und die zunehmende Arbeitslosigkeit
hat deren Rolle noch verstärkt.
So waren und sind die ISPA-Leute jenseits
ihrer kirchlichen Rolle Anlaufpunkt für Gewerkschafter, Initiativen, soziale Netze und
Arbeitslosenzentren. Sie verstehen sich als engagierte Christen, schauen nicht weg von den
gesellschaftlichen Zuständen, sondern greifen ein zugunsten der Benachteiligten. Insbesondere in Herne
hat das zu einem funktionierenden breiten, in Opposition zum herrschenden neoliberalen Zeitgeist stehenden
Netz geführt. In einem Protestbrief gegen die angedrohte Schließung des ISPA verweist der DGB
Herne auf die positive Bilanz der letzten Jahre. Diese wäre in Herne undenkbar ohne die Arbeit von
Jürgen Klute, der das ISPA seit Jahren leitet.
Allen Protesten zum Trotz hat die
Kreissynode nun die Auflösung des ISPA beschlossen und nur vage von einer Übertragung auf
regionale Strukturen gesprochen. Als Begründung wird die finanzielle Entwicklung im Kirchenkreis
angeführt, es müsse gespart werden eine Beschäftigung mit den politischen und
sozialen Einwänden fand nicht statt.
Der Beschluss der Herner Synode
hinterlässt eine Menge zerschlagenes Porzellan. Ganz abgesehen von der persönlichen Perspektive
der im ISPA Beschäftigten muss vermutet werden, dass gerade die gesellschaftliche Rolle dieses
Bereiches der Kirche ein Dorn im Auge ist. Mit der wohlfeilen Begründung des Sparzwangs wird gerade in
einem Bereich, der sich der neoliberalen Logik widersetzen wollte, die Schere des Kostenfaktors angesetzt.
Rückzug aus gesellschaftlicher Verantwortung, Rückkehr zu Sonntags- und Freizeitkirche ist
das der Weg, den man sozial engagierten Menschen zuweisen möchte?
Mit dem Beschluss entledigt sich der
Kirchenkreis Herne hinterrücks eines weiteren Problems, ohne das offen zu sagen. Industrie- und
Sozialpfarrer Jürgen Klute war bei der Landtagswahl in NRW Spitzenkandidat der WASG und bekam ein
Achtungsergebnis, das einer reaktionären christlichen Ansicht nicht behagen mag, die auf Predigt,
Glauben und bestenfalls Versorgung der Opfer gesellschaftlicher Entwicklung setzt.
Pikant ist nicht nur, dass Jürgen
Klute zu den Kritikern des neoliberalen Kurses in Wirtschaft und Gesellschaft gehört, sondern dass er
sein eigenes Haus in der Rolle als Arbeitgeber von dieser Kritik nicht ausnimmt. Das ISPA Herne engagierte
sich wie andere im Ruhrgebiet gegen das Zechensterben, gegen den Arbeitsplatzabbau bei Opel und seine
Folgen für die Region. Arbeit im ISPA das war für die engagierten Pfarrer Analyse und wo
möglich Bekämpfung der Ursachen der Entwicklung, eine andere Art von "urchristlichem"
Auftrag.
Jürgen Klute war maßgeblich
beteiligt an einer Studie über Kirchensteuer und Finanzen, die Alternativen zum aufkommenden
Kostensenkungskurs zeigte. Die Studie verweist insbesondere auf die Steuerpolitik der früheren rot-
grünen Regierung, die Umverteilung von unten nach oben, die Steuersenkung für Reiche und Konzerne
bei steigender Arbeitslosigkeit und die Folgen für das Kirchensteueraufkommen. Klute engagierte sich
gegen die Dienstleistungsrichtlinie der EU (den sog. "Bolkesteinhammer") und ihre Folgen für
den Bereich des Diakonischen Werkes, das mit seinen sozialen Einrichtungen inzwischen zu einem der
größten Arbeitgeber in NRW geworden ist. Er stellte sich auf die Seite der Arbeitslosen und
Hartz-Geschädigten, auch angesichts der Tatsache, dass im Diakonischen Werk die 1-Euro-Jobs eine
willkommene betriebswirtschaftlich lohnende Ergänzung der Beschäftigung geworden sind.
Weil die Beschäftigten bei der
Landeskirche aber weiter beschäftigt werden müssen, muss angenommen werden, dass der Hauptgrund
für die Schließung des ISAP weniger in finanziellen Gründen als im Wunsch liegen, kritische
Positionen loszuwerden.
So wird die Kirche aus dem strukturellen
Widerspruch zwischen ihrem nötigen Engagement zugunsten der Betroffenen und ihrer Rolle als
staatstreue Institution und Arbeitgeber nicht herauskommen.
Rolf Euler
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