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Das neueste Buch des Politologen und Anthropologen Mahmood Mamdani
beschäftigt sich vor dem Hintergrund der Anschläge des 11.September mit den theoretischen Debatten und
praktischen Konzeptionen der US-Außenpolitik in der "abschließenden Periode des Kalten Krieges", die
er von der Niederlage der USA in Vietnam 1975 bis zum Ende der Sowjetunion ansetzt, sowie der Entwicklung des
"politischen Islam", die ohne eine Analyse der US-Politik nicht zu verstehen sei. Das Buch behandelt somit vor
allem die "Stellvertreterkriege" der 80er Jahre und die Weiterentwicklung des Afghanistan-Konfliktes in den
90er Jahren. Im Unterschied zu vergleichbaren Büchern von Tariq Ali, Gilbert Achcar oder John Cooley geht es auch
auf die afrikanischen Konfliktherde (Kongo, Angola, südliches Afrika, Liberia) ein.
Mamdani wurde zwar in Bombay geboren, wuchs aber in
Kampala (Uganda) auf und studierte und lehrte an verschiedenen afrikanischen Universitäten, bevor er vor einigen
Jahren einen Lehrstuhl an der New Yorker Columbia-Universität übernahm. Seine Herkunft aus der Dritten Welt
macht ihn zu einem besonders luziden Kritiker der imperialistischen und rassistischen Grundlagen der Politik der USA und
darüber hinaus des "Westens".
In seiner Einleitung kritisiert Mamdani die im Schwange
befindlichen naiven Absagen an die Gewalt. Er zeigt auf, wie seit der Französischen Revolution die Gewalt geradezu
"als Hebamme der Geschichte" gesehen wird. Die Verstörung in der Moderne komme höchstens dann zum
Vorschein, wenn "Gewalt sinnlos erscheint", wenn sie sich "nicht durch den Fortschritt rechtfertigen"
lässt. Diese Gewalt werde dann "in kulturellen Kategorien", wenn es sich um eine vormoderne Gesellschaft
handelt, oder in "religiösen Kategorien" bei modernen Gesellschaften, aber eben als "Mangel an
Moderne" diskutiert. Das Attentat auf das World Trade Center mache da keine Ausnahme. Der Unwille, sich konkret mit
Ursachen und Bedingungen von Gewalt auseinander zu setzen, führe zur Anwendung "theologischer Kategorien",
so auch zu Reagans Kampf gegen das "Reich des Bösen" oder Bushs "Achse des Bösen".
Seit der spanischen Reconquista mit ihrer Vertreibung der
maurischen und jüdischen Bevölkerung ist die westliche Durchsetzung des staatlichen Gewaltmonopols von einem
Prozess der Ausgrenzung nach Merkmalen der "Rasse" unterlegt, der im 19.Jahrhundert, in der Zeit des
Imperialismus, in praktisch allen westlichen Ländern zur Vorstellung führte, die Erde zwecks
Höherentwicklung der Zivilisation von niedrigen Rassen "befreien" zu müssen. Ausrottungsfeldzüge
oder -kriege wurden daher nicht ernsthaft kritisiert. Doch die Historiker der Genozide hätten zumeist nur eine Seite
gesehen, die Vernichtung der Eingeborenen durch die Siedler. Die andere Seite, nämlich die Umkehrung, die für
Mamdani in vielen Ländern der Dritten Welt am Werk ist, habe erst Frantz Fanon beschrieben: Auch Opfer können
zu Mördern werden. Der "politische Islam" (oder Islamismus den Begriff islamischer Fundamentalismus
lehnt Mamdani ab) sei seit Anbeginn eine Gegenbewegung zum Kolonialismus gewesen, aber zum Mittel des Terrors habe er
erst im Zusammenhang des Kalten Krieges und der Gründung des Staates Israel gegriffen.
Mamdani nimmt sodann den vorherrschenden
"Kulturdiskurs" kritisch auseinander, der hierzulande vor allem durch Huntingtons "Kampf der
Kulturen" bekannt geworden ist. Dieser Diskurs, der besonders von Wasserträgern des
politischen Establishments und den Massenmedien in die
Welt gesetzt worden sei, schreibe bestimmten Kulturen quasi unveränderliche Merkmale zu, so dem Islam eine immanente
Unfähigkeit zur Demokratie.
Mamdani zitiert den Historiker Hodgson, der nachwies,
dass sich das Verständnis von dem, was "Westen" genannt wurde, vielfach geändert habe. Die
eurozentristische Sicht, die sich mit der "Moderne" durchgesetzt habe, habe gleichzeitig zwei
"Peripherien" konstruiert: "eine sichtbare und eine unsichtbare". Erstere war der Orient, der als
"Gefahr" gesehen wurde (die gelbe Gefahr, die mongolischen Horden) und den man unbedingt unter Kontrolle
bringen wollte (siehe neuerdings die Kriege in Afghanistan und im Irak). Die letztere ist Afrika, dessen Beitrag zur
menschlichen Zivilisation völlig verdunkelt wurde (die ägyptische Hochkultur wurde Asien zugeschlagen).
Die beiden weiteren Kapitel beschäftigen sich mit
der Art und Weise, wie die Reagan-Regierung das Verbot geheimer Finanzierung kriegerischer Aktivitäten durch den US-
Kongress unterlief und wie sie dabei mit Israel, dem Südafrika der Apartheid und sogar dem Iran der Mullahs
kooperierte. Für die islamische Welt sei das völlig straflose Handeln Israels, das sich einen Dreck um das
Völkerrecht schert und tagtäglich Terror praktiziert, eine Quelle des Zorns wobei in den USA Israels
Rolle überhaupt nicht diskutiert werde.
Ausführlich geht Mamdani auf die Finanzierung der
Kriege in Mittelamerika und in Afghanistan mittels der Kooperation mit Drogenbaronen (Escobar, Hekmatyar!) und der
Ausweitung des Drogenanbaus und -handels ein; dabei kann er sich auf die umfänglichen Arbeiten von Alfred McCoy
stützen (Die CIA und das Heroin, Verlag Zweitausendeins, 2003).
Dass sich die USA in Afghanistan durch ihren Pakt mit den
übelsten Islamisten in die Rolle eines Zauberlehrlings brachten, der die Geister, die er rief, nicht mehr los wird,
ist in zahlreichen Veröffentlichungen untersucht worden. So findet nun das CIA-Handbuch über "strategische
Sabotage" (nicht nur) in islamischen Ländern weite Verbreitung. Der "Flirt mit dem Terror" führe
in den USA selbst zu einer "zunehmenden Erosion der Pressefreiheit und der Demokratie", stellt Mamdani fest.
Doch aus Vietnam ergebe sich die Lehre, dass nur eine starke "Antikriegs- und antiimperialistische Bewegung" in
der Lage sei, der US-Militärmacht und ihrem zunehmend gesetzlosen Agieren in den Arm zu fallen. Dem wird man
uneingeschränkt zustimmen können.
Paul B. Kleiser
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