SoZ - Sozialistische Zeitung |
Es ist still geworden um die Berlin-Frage. LPDS und WASG-Bundesführung versuchen scheinbar,
mindestens bundespolitisch, euch zu ignorieren. Trifft dies auch für Berlin selbst zu?
Die WASG Berlin hat immer betont, dass wir für eine starke Linke sind. Aber eine solche
bundesweite Linke muss auch linke Politik machen. Die LPDS-Politik im rot-roten Senat ist nicht im
Interesse der abhängig Beschäftigten, der Erwerbslosen, der Menschen, die vom Sozialabbau
betroffen sind, sondern bedeutet Sozialkürzungen und Privatisierungen, wie bspw. die Privatisierung
von 120000 Wohnungen in den letzten vier Jahren. Eine Politik, die auch jetzt noch fortgesetzt werden soll:
Gerade wurde bekannt, dass nach der Wahl weitere 15000 Wohnungen verscherbelt werden sollen.
Deswegen haben wir uns entschieden,
eigenständig zur Wahl anzutreten, und machen damit deutlich, dass wir in Berlin die einzige soziale
Opposition sind. Unsere Aufgabe sehen wir in erster Linie darin, kämpferische Interessenvertretung zu
sein, gerade für Menschen, die vom Sozialabbau betroffen sind. So stehen wir nicht nur auf dem
Wahlzettel, sondern haben soeben eine Kampagne gegen Wohnungsprivatisierung ins Leben gerufen, um
betroffene Mietern zu informieren und in Aktivitäten einzubinden.
Unsere Kandidatur ist ein Beitrag zum
Neuformierungsprozess der Linken. In der Auseinandersetzung um die politische Basis, auf der die neue
Partei gebildet werden soll, wird ein Wahlerfolg der WASG Berlin die linken Kräfte in beiden Parteien
stärken.
Und was die Haltung der WASG und LPDS-
Bundesführung angeht: Mit der Pressekonferenz am 17.August haben sich Oskar Lafontaine und Christine
Buchholtz vom WASG-Bundesvorstand eindeutig positioniert. Dabei konnten sie die Widersprüche ihrer
Argumentation nicht auflösen: einerseits gegen Privatisierung und Sozialkürzungen reden und dann
praktisch zur Fortsetzung des Sozialabbau-Senats aus SPD und LPDS aufrufen. Das ist eine offene
Argumentation für eine Politik des kleineren Übels. Die Wahrheit ist, dass die LPDS so viele
kleine Übel angehäuft hat, dass daraus ein stinkender Haufen geworden ist. Und während
Lafontaine von kleineren Übeln spricht, handeln Harald Wolf, Stefan Liebich und Klaus Lederer aus
Vorsatz. Sie haben bereits erklärt, dass sie ihren "erfolgreichen" rot-roten Kurs fortsetzen
wollen.
Er hat aber versucht, eure Kandidatur herunterzuspielen.
Im Gegenteil: er musste zugeben, dass wir die Chance haben, ins Abgeordnetenhaus einzuziehen. Und er
musste zugestehen, dass es große inhaltliche Gemeinsamkeiten zwischen ihm und der Berliner WASG gibt.
Er äußerte sogar, dass die Konsolidierung von Haushalten unter den gegenwärtigen Bedingungen
ein Projekt des Neoliberalismus ist. Gegen unsere Kandidatur führte er taktisch-strategische
Differenzen ins Feld. So könne ein Wahlerfolg der WASG dazu führen, dass CDU, Grüne oder FDP
an einer Regierung beteiligt würden und diese Parteien seien ja noch schlimmer und neoliberaler als
SPD und LPDS.
Für uns kommt aber nicht in Frage, die
Politik der LPDS in irgendeiner Form mitzutragen oder auch nur hinzunehmen. Sie hat fünf Jahre lang
Politik gegen das eigene Programm gemacht. Sie hat die Einrichtung von 31000 1-Euro-Jobs, Kürzungen
bei der Jugendhilfe, beim Blindengeld und die Abschaffung der Lehrmittelfreiheit mitgetragen. Und: Mit der
SPD ist keine Kursumkehr zu einer linken Politik möglich. Deswegen muss unter den gegebenen
Voraussetzungen der Platz einer linken Partei im Berliner Abgeordnetenhaus in der Opposition sein, also an
der Seite der vom Sozialabbau betroffenen Menschen und der Protestbewegungen. Doch die LPDS stellt
stattdessen weiter die Frage der Haushaltskonsolidierung in den Mittelpunkt ihrer Politik. Dabei geht es ja
gar nicht um Haushaltskonsolidierung, sondern um die Fortführung der bundesweiten Umverteilungspolitik
von unten nach oben auf Landesebene. Städte und Kommunen werden ausgeblutet, bspw. durch die Senkung
der Unternehmenssteuern, und die Mehrheit der Bevölkerung soll dafür die Zeche zahlen.
Wie muss ich mir nun den Berliner Wahlkampf vorstellen. Im Osten macht die LPDS Wahlkampf, im Westen
die WASG?
Die WASG ist in allen Berliner Bezirken, Ost wie West, mit Bezirksgruppen und Kandidaten vertreten. In
Ostberlin liegen wir übrigens in der letzten Umfrage bei 6%, im Westen bei 5%. Wir bekommen auch von
LPDS-Mitgliedern Zuspruch. So hat es bspw. kürzlich einen offenen Brief von Eveline und Ralph
Hartmann, zwei nicht ganz unwichtigen LPDS-Mitgliedern, gegeben, die erklären, dass sie die WASG
wählen werden. Seitdem erhalten wir von LPDS-Mitgliedern immer mehr positive Signale.
Gibt es auch andere linke Gruppen oder Zusammenhänge, die von außerhalb Berlins euren
Wahlkampf unterstützen?
Auf unserer Landesliste kandidieren Aktivisten der gewerkschaftlichen und antifaschistischen Bewegung,
ein Kollege der Berliner Mietergemeinschaft und ein Vertreter der DKP. Bundesweit sind es vor allem
Mitglieder aus der WASG, bzw. ehemalige WASG-Mitglieder, die der Partei wegen der Politik des
Bundesvorstandes leider den Rücken zugekehrt haben. Wir haben sogar internationale Unterstützung
erhalten. Mitglieder der Schwesterorganisationen der SAV aus Irland, den Niederlanden, den USA, Polen,
England, Österreich unterstützen den WASG-Wahlkampf.
Welche ersten Erfahrungen habt ihr im Wahlkampf gemacht? Werdet ihr angenommen?
Die Erfahrungen im Wahlkampf sind durchweg positiv. Viele Menschen sagen, dass sie uns wählen,
weil wir die einzige Kraft sind, die der Politik, die die Reichen reicher und die Armen ärmer macht,
eine Absage erteilt. Besonders vor den Jobcentern und bei Beschäftigten des öffentlichen
Dienstes, aber auch bei Hausbesuchen bei den von Privatisierung bedrohten Mietern ist die Resonanz gut.
Wie muss ich mir den Wahlkampf praktisch vorstellen und wodurch unterscheidet sich euer von dem der
LPDS?
Wir unterscheiden uns vor allem durch unsere Inhalte. Während die LPDS versucht, ihre unsoziale
Politik zu rechtfertigen und rot anzustreichen, erklären wir dieser Politik offen den Kampf und
fordern Menschen auf, selbst aktiv zu werden. Wir machen täglich Wahlkampfaktionen
Infostände auf der Straße und vor Jobcentern, verteilen Material vor Betrieben und führen
Veranstaltungen durch. Wichtiger Teil unseres Wahlkampfes sind Protestaktionen, mit denen wir deutlich
machen wollen, dass wir keine rein parlamentarische Orientierung haben.
Die Kampagne gegen Wohnungsprivatisierungen
hatte ich bereits erwähnt. Hier haben WASG-Mitglieder zum Beispiel zu Mieterversammlungen eingeladen,
um Selbstorganisation und Gegenwehr zu fördern. Das ist dann kein Wahlkampf im direkten Sinn, aber die
Mieterinnen und Mieter sehen, wer tatsächlich auf ihrer Seit steht.
Eine andere Aktion planen wir beim
Kulturkaufhaus Dussmann. Dussmann hat zu Jahresbeginn 49% des Arbeiterbereichs des
Universitätsklinikums Charité gekauft. Ein halbes Jahr später drohen den Beschäftigten
nun Löhne von 3,99 Euro bis 4,99 Euro. Diese Teilprivatisierung, die zu Lohndumping und schlechteren
Arbeitsbedingungen führen, wollen wir thematisieren, wenn wir Dussmann Anfang September "einen
Besuch abstatten".
Wir werden auch in Zukunft einen
Schwerpunkt außerhalb des Parlaments haben, da wir wissen, dass nur durch Widerstand in den Betrieben
und Büros, in den Schulen und Hochschulen Veränderungen erreicht werden können. Eine
mögliche Fraktion soll eben auch dazu dienen, Protest und Widerstand mehr Gehör zu verschaffen.
Ganz aktuell gibt es auch eine
Auseinandersetzung beim Bosch-Siemens-Hausgerätewerk. Die Konzernleitung will die Produktion in
Berlin-Spandau einstellen. Hunderte Arbeitsplätze würden vernichtet. WASG-Mitglieder beteiligen
sich an der Arbeit eines Solidaritätskomitees. Die WASG trägt in diesen Kampf auch politische
Lösungsvorschläge hinein. Es sind die Beschäftigten, die dieses Werk aufgebaut haben. Wenn
die Unternehmensleitung den Betrieb zur Profitmaximierung schließen will, muss das Werk in
öffentliches Eigentum überführt und unter die demokratische Kontrolle der Beschäftigten
gestellt werden.
Spielt auch der Libanonkrieg eine Rolle im Wahlkampf?
Bei der relativ großen Demonstration in Berlin am 12.August haben wir uns aktiv und sichtbar
beteiligt. Die Linkspartei im Bund hatte ihre Mitglieder zwar auch aufgerufen, es waren aber nur wenige
gekommen. Das hing sicher damit zusammen, dass die LPDS Berlin auf eine Mobilisierung verzichtete, da sie
die Forderung nach dem Existenzrecht Israels im Demoaufruf vermisst hat. Nun bin auch ich für das
Selbstbestimmungsrecht der Israelis einschließlich des Rechts auf einen eigenen Staat, aber es geht
bei diesem Krieg nicht um das Existenzrecht Israels, sondern um einen imperialistischen Krieg im Interesse
der herrschenden Klasse Israels, der zu Opfern auf arabischer und jüdischer Seite führt. Die LPDS
Berlin unterstützt zudem sogar SPD-Innensenator Körting, der eine stärkere Überwachung
von Islamisten fordert.
Die Wahlforscher, du hast es erwähnt, sehen euch bei derzeit immerhin 5%, die LPDS bei etwa
15%. Wenn ihr in das Abgeordnetenhaus einzöget, so heißt es, könnte Rot-Rot allein dadurch
die Mehrheit verlieren, d.h. wenn die Mehrheit kippt, seid ihr schuld, und wenn ihr gewinnt, bringt ihr den
Neuformierungsprozess weiter ins trudeln. Da könnt ihr doch nur verlieren?
Nein, das ist falsch. Ich habe bereits gesagt, dass der Platz für eine linke Partei nicht in einer
Koalitionsregierung mit der neoliberalen SPD sein darf. Und in der LPDS Berlin gibt es wahrscheinlich nur
dann eine Chance auf einen Kurswechsel, wenn die Partei nicht weiter an der Regierung beteiligt ist.
Eine WASG-Fraktion wird eine
glaubwürdige, linke Opposition sein, die den Finger in die Wunden der anderen Parteien legt, die
Prozesse öffentlich macht und ihre Fraktion dazu benutzen wird, den außerparlamentarischen
Widerstand aufzubauen. Das halte ich für entscheidend.
Und die neu zu bildende Partei kann nur
davon profitieren, wenn die Kräfte um die LPDS Berlin, die eine Politik machen, die von der SPD
schlecht zu unterscheiden ist, im Neuformierungsprozess geschwächt werden.
Es bleibt die Frage, ob eure Politik nicht jede Form der linken Vereinigungsperspektive, mindestens
in Berlin, unmöglich macht.
Eine Vereinigung auf der Basis der Politik der LPDS würde schnell zu Anpassung und in der Folge zu
Enttäuschung bei all denen führen, die Hoffnungen in eine neue Linke haben. Wir bekräftigen
mit unserer eigenständigen Kandidatur unsere Bedingung für eine Vereinigung: Die neue Partei darf
sich an keiner Form von Sozialabbau, Privatisierung und Tarifflucht beteiligen und muss demokratisch
aufgebaut werden.
Nach aller Erfahrung wäre eine Wahlniederlage aber nicht unbedingt das Ende der dafür
verantwortlichen Politiker. Das Problem, mit ihnen umgehen zu müssen, würde bleiben.
Das stimmt, aber unsere Fraktion würde zu einem Orientierungspunkt für viele Mitglieder und
Aktiven bundesweit. Und sie würde diejenigen Kräfte in der neuen Partei stärken, die statt
auf die Akzeptanz der sog. kapitalistischen Sachzwänge auf den Kampf gegen die kapitalistischen
Verhältnisse setzen. Unser Erfolg am 17.September wird ein Beitrag zu dem notwendigen Kampf sein, aus
der neuen Linken tatsächlich etwas Neues und etwas Linkes zu machen. Eine wirklich neue und wirklich
linke Linke ist so dringend notwendig, weil der weltweite Kapitalismus weltweit zu Krisen und Kriegen
führt. Egal ob die Kriege im Nahen und Mittleren Osten, die globale Umweltzerstörung oder die
Armut und soziale Unsicherheit in Deutschland: all dem liegt ein System zugrunde, dass nur die Profitgier
der Banken und Konzerne und nicht die Bedürfnisse von Mensch und Natur befriedigen will. Es ist
deshalb eine Aufgabe der neuen Linken, über Alternativen zum Kapitalismus zu debattieren und solche zu
erkämpfen damit nicht der Profit, sondern die Vernunft den Planeten Erde beherrscht.
Informationen und Meinungen sollten keine Waren sein. Und Geld ist ein Fetisch.
Dennoch und ganz praktisch: Die Online-SoZ sieht nur umsonst aus. Wir brauchen Eure Euros.
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