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Die ultimative Logik des globalen Kriegs ist die vollständige
Ethnisierung der Konflikte.
"Wir müssen die Dörfer des
Südens zu Staub machen ... Ich verstehe gar nicht, wieso es hier immer noch Elektrizität
gibt." In diese Worten fasste der israelische Justizminister und frühere Führer der
Arbeitspartei, Haim Ramon, seinen Vorschlag zur Fortsetzung der militärischen Offensive im Libanon
nach dem Scheitern der Invasion von Bint Jbail. Israels militärisches Oberkommando, das im Kabinett
von Arbeitsminister Ben Eliezer unterstützt wird, will nach der Zerstörung aller Ortschaften
einen Teil des südlichen Libanon besetzen. Nach diesem Plan wird Israel die lokale Bevölkerung
mit Hilfe von SMS-Botschaften "bitten", die Ortschaften vor der Zerstörung zu verlassen.
Diejenigen, die sich entscheiden zu bleiben oder einfach keine "humanitäre" SMS erhalten,
werden als Terroristen betrachtet.
Schrecklich? In der Tat, aber nicht
unerwartet. Der israelische Krieg im Libanon ist das Paradigma des Krieges im 21.Jahrhundert Kriege
der Rekolonialisierung und der Unterjochung der Völker der Erde durch das Empire.
In diesen Kriegen ist das Leben von
Zivilpersonen wie in allen Kriegen von sehr begrenztem Wert. Darüber hinaus gelten sie
aber als legitimes Ziel, da sie aktiv oder passiv der Unterstützung des Terrorismus schuldig sind, der
ureigener Teil ihrer Kultur ist. In den vergangenen zehn Jahren waren wir Zeugen einer schleichenden
Entwicklung im herrschenden Diskurs: von terroristischen Gruppen über terroristische Staaten zu
terroristischen Völkern. Die ultimative Logik des globalen Krieges ist die vollständige
Ethnisierung der Konflikte, in denen nicht mehr eine Politik, eine Regierung oder spezifische Ziele
bekämpft werden, sondern eine "Bedrohung" mit einer Gemeinschaft identifiziert wird. Furcht
ist der Ausgangspunkt der neuen Ära, Hass ihr Endresultat. Aus diesem Grund sprechen die Neocons der
US-Administration von einem "endlosen Krieg".
Die Gefangennahme zweier israelischer
Soldaten hat die israelische Regierung zum Anlass genommen, eine neue Front in dem globalen, endlosen und
präventiven Krieg der Rekolonialisierung zu eröffnen. Dabei ist sie auch bereit, dieser neuen Art
des ethnischen Krieges die eigene Bevölkerung als kollaterales Opfer darzubringen. Dies kommt deutlich
in einer teuren Anzeige zum Ausdruck, die die israelischen Neocons auf der Titelseite von Haaretz
platzierten: "Israel steht an vorderster Front des Krieges gegen den weltweiten Jihad. Wir haben zwei
Optionen: entweder die Fanatiker zu stärken, durch Rückzug und Separation, durch einseitigen
Abzug, wodurch Israel zur Bühne des Hauptkampfes zwischen dem fanatischen Islam und der
aufgeklärten Welt würde, oder die Gemäßigten zu stärken ... und Israel in das
Weltzentrum von Gerechtigkeit und gegenseitigem Verständnis verschiedener Glaubensrichtungen [sic] zu
verwandeln. Im Nahen Osten gibt es keine Abkürzungen." Am Ende der Anzeige steht eine kurze
Schlussbemerkung: "Bedenkt: Eine verzerrte philosophische Sensibilität [sic] für
menschliches Leben wird dazu führen, dass wir den realen Preis mit dem Leben vieler und mit dem Blut
unserer Söhne zahlen."
Während mehr und mehr Stimmen in der
israelischen Öffentlichkeit wenn nicht die Legitimität, so doch das Ausmaß der
gegenwärtigen Militäroperation in Frage stellen, verlangt die US-Administration, dass Israel dem
Druck derer, die sich für eine Feuerpause einsetzen, nicht nachgibt: "Die US-Außenministerin
Condoleezza Rice ist die führende Gestalt bei der Strategie, die auf eine Veränderung der Lage im
Libanon zielt, nicht Ministerpräsident Olmert und nicht Verteidigungsminister Peretz. Sie ist
diejenige, die bislang dem internationalen Druck für eine Feuerpause standgehalten hat... Um
erfolgreich zu sein, benötigt sie militärische Trümpfe, die Israel leider noch nicht liefern
konnte. Außer der Bestrafung der Hizbollah und des Libanon [sic] durch die Bombardierungen haben sich
Israels militärische Trümpfe bislang auf die Eroberung zweier grenznaher libanesischer
Dörfer beschränkt. Wenn Israel seine militärischen Trümpfe im Verlauf des Kampfes nicht
aufbessert, werden wir das Ergebnis bei der politischen Lösung zu spüren bekommen."
(Haaretz, 30.7.2006.) So der führende Politik- und Militäranalyst Zeev Schiff über den
Besuch der US-Außenministerin in Jerusalem Ende Juli.
Früher oder später wird die US-
Regierung jedoch eine politische Lösung akzeptieren müssen das heißt bis zur
nächsten Runde in diesem endlosen Präventivkrieg, in dem Israel die Rolle der bewaffneten Vorhut
der sog. zivilisierten Welt spielt.
Was die israelische Öffentlichkeit
nicht versteht, sind die dramatischen Implikationen, die diese Politik für die bloße Existenz des
Staates inmitten der arabischen und muslimischen Welt hat. Durch ihre grenzenlose Brutalität und ihre
Zivilisationsrhetorik demonstriert der Staat Israel den Völkern der Region, dass er ein feindlicher
Fremdkörper im Nahen Osten ist und dies auch bleiben will: der bewaffnete lange Arm der USA und ihres
antimuslimischen Kreuzzugs des 21.Jahrhunderts.
Das Schicksal der Kreuzfahrer vor zehn
Jahrhunderten ist allen bekannt.
Der Hass, den die Bombardierung Beiruts in
der muslimischen Welt hervorgebracht hat die Zerstörung der Infrastruktur des Libanon, Hunderte
von toten Zivilisten, Hunderttausende von Flüchtlingen, die Politik der verbrannten Erde im Süden
ist gewaltig. Er kann sogar die muslimischen Gemeinschaften in den Ländern Europas und Amerikas
vergiften. Anders als in früheren, scheinbar ähnlichen Krisen wie der Invasion des Libanon 1982
entwickelt er sich auf dem fruchtbaren Boden des Zivilisationsdiskurses und der Ethnisierung des Konflikts.
Es wird deshalb sehr schwer sein, die Wut wieder zu löschen, wenn die Schlachtwolken sich verzogen
haben und die Toten begraben sind.
Olmert, Peretz und Halutz sind die
gefährlichsten und unverantwortlichsten Führer, die Israel je hatte, sie spielen mit einem Feuer,
das unsere bloße nationale Existenz im Nahen Osten vernichten kann.
Auf den schwachen Schultern der kleinen
israelischen Antikriegsbewegung lastet nicht nur das moralische Ansehen unserer Gesellschaft, sondern auch
die Frage, ob unsere Kinder in diesem Teil der Welt eine Zukunft haben.
"Wir weigern uns, Feinde zu
sein!", lautet eine der Losungen unserer Demonstrationen. Nie zuvor war eine solche Losung so wichtig,
so dringend und so existenziell.
Michael Warschawski, 30.7.2006
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