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Die Bush-Regierung hat in Bezug auf ihre in der Guantánamo-Bucht von Kuba ohne Prozess
inhaftierten Gefangenen einen juristischen Rückschlag erhalten. Doch weder von den US-Gerichten noch vom Kongress kann
erwartet werden, dass sie das Gefangenenlager schließen. Nur die öffentliche Meinung und öffentlicher Protest
können dies bewirken.
Das Urteil des Obersten Gerichtshofs der USA vom 29.Juni im
Fall Hamden v. Rumsfeld gegen das Vorhaben der Bush-Administration, militärische Sonderkommissionen zur Aburteilung von
Gefangenen in Guantánamo einzusetzen, war eine wohlverdiente Strafe für die imperiale Präsidentschaft, die
Bush seit dem 11.September 2001 kultiviert hat. Denn in den vergangenen Jahren hat Bush die Vollmacht beansprucht, sog.
illegale feindliche Kombattanten ohne Prozess unbegrenzt festzuhalten; Menschen "ausnahmsweise" in Länder zu
überstellen, wo bekanntermaßen Gefangene gefoltert werden; die Genfer Konvention und andere internationale
Verträge und Gesetze zu missachten, die seine Vollmachten in der Kriegführung beschränken; Überwachungen
ohne legale Verfügungen durchzuführen; und Praktiken zu betreiben, die auch nach US-Recht als Folter zu bezeichnen
sind. Aber das Gerichtsurteil bereitet der imperialen Präsidentschaft kein Ende und wird auch nicht zur Schließung
des Lagers in Guantánamo führen.
Das Wall Street Journal beeilte sich, deutlich zu machen:
"Bei allem Antikriegsgejubel sollten wir hervorheben, was [das Urteil in] Hamden [v. Rumsfeld] nicht heißt. Es
schließt nicht das Gefangenenlager in der Guantánamo-Bucht. Es stellt nicht das Recht des Präsidenten in
Frage, illegale Kombattanten festzuhalten, solange die Feindseligkeiten andauern. Es betrifft auch nicht die Mehrheit der
dort Gefangenen nur 18 der etwa 450 Guantánamo-Häftlinge sind unmittelbar von dem Gerichtsurteil betroffen.
Und es klassifiziert auch nicht die feindlichen Kombattanten als gewöhnliche Kriegsgefangene, wie es viele in der
europäischen Linken und der ACLU [American Civil Liberties Union] gerne hätten. Darüber hinaus bestätigt
Hamdan, dass militärische Kommissionen verfassungskonform und ein Bestandteil des amerikanischen Rechts sind."
Die Bush-Administration machte deutlich, dass sie sofort die
Zustimmung des Kongresses zur Schaffung der Kommissionen einholen will, um zumindest einige der verbliebenen Guantánamo-
Gefangenen abzuurteilen, von denen viele bereits seit Jahren ohne einen regulären Prozess inhaftiert sind. Dabei betont
die Regierung, dass das Urteil des Obersten Gerichtshofs nur die Vollmacht des Präsidenten in Frage stellt, solche
Tribunale ohne Beaufsichtigung durch den Kongress einzurichten. "Die Schlussfolgerung des Gerichts beruht letztlich auf
einem einzigen Grund: Der Kongress hat der Exekutive keinen Blankoscheck ausgestellt", schreibt der Richter Stephen G.
Breyer vom Obersten Gerichtshof.
Doch traurigerweise hat der US-Kongress Bush im Wesentlichen einen solchen Blankoscheck ausgestellt. Die Demokraten
die gegen die Kriege in Afghanistan und im Irak oder den umfassenderen, endlosen "Krieg gegen den Terror" nicht
wesentlich opponiert haben haben wiederholt für die imperiale Agenda der Bush-Administration gestimmt. Die
Demokraten haben bisweilen taktische Differenzen aufgeworfen,aber in den entscheidenden Fragen haben sie für die
Erneuerung des USA Patriot Act, für den Einmarsch in den Irak und in Afghanistan und für die Finanzierung der
Besetzung des Irak und Afghanistans gestimmt. Über Guantánamo und andere Gefangenenlager, die die USA weltweit
errichtet haben, haben sie weitgehend geschwiegen.
Nach dem Urteil des Obersten Gerichtshofs erklärten
einige führende Kongressabgeordnete der Demokraten, dass sie mit Bush zusammenarbeiten würden, um ein Gesetz zu
verabschieden, durch das die Tribunale fortgesetzt werden können und Guantánamo aufrechterhalten wird. In der
Zwischenzeit versuchten die Republikaner rasch Vorteile aus dem Gerichtsurteil zu ziehen. Wie die Washington Post
feststellte, war die Partei bestrebt, "aus einer Niederlage vor dem Obersten Gerichtshof einen politischen Sieg zu
machen, indem sie den Demokraten klarmachte, dass sie Präsident Bush in der Frage, wie die Gefangenen in Guantánamo
abzuurteilen sind, unterstützen mussten, wenn sie nicht riskieren wollten, als weich gegenüber dem Terrorismus
beschuldigt zu werden" eine Falle, in die die Demokraten nie müde werden hineinzutappen.
Ironischerweise ist eine der prominentesten Stimmen, die die
Schließung des Lagers in Guantánamo fordern, der ehemalige US-General Barry R. McCaffrey doch aus
völlig anderen Gründen als die von Menschenrechtsaktivisten in der ganzen Welt vorgebrachten. McCaffrey glaubt,
dass, wenn die Gefangenen von Guantánamo freigelassen werden, "es wohl billiger und sauberer wäre, sie im
Kampf zu töten, als sie noch weitere 15 Jahre am Hals zu haben".
Während also das Hamdan-Urteil willkommen ist, sollten
wir nicht erwarten, dass der Oberste Gerichtshof oder der Kongress Guantánamo dichtmachen. Die tieferen Probleme von
Folter, Aburteilung und der andauernden Besetzung des Irak und Afghanistans, der Logik des endlosen "Kriegs gegen den
Terror", die zu einem Angriff auf den Iran, Syrien oder andere Ziele führen kann, bleiben bestehen.
Doch in anderer Hinsicht wendet sich das Blatt. Die öffentliche Meinung in den USA hat sich zuungunsten der Irak-
Intervention verschoben. Eine Mehrheit denkt nun, dass es falsch war, das Land anzugreifen und die Invasion die Menschen
weniger sicher gemacht hat. Nach einer Umfrage möchten 72% der im Irak aktiven US-Soldaten innerhalb eines Jahres nach
Hause kommen, 29% möchten sofort nach Hause zurückkehren.
Jeden Tag wird den Leuten der Widerspruch zwischen den
Lügen, die aufgetischt wurden, um die USA in den Irak zu führen, und der dortigen Realität besser bewusst. Im
Mai 2006 lag die Zahl der Leichname, die die zentrale Leichenhalle von Bagdad passierten, doppelt so hoch wie im Mai 2005.
Die irakischen Angriffe auf die Streitkräfte der USA und ihrer Verbündeten beträgt nun durchschnittlich 600 in
der Woche, eine Steigerung um 13% gegenüber dem Jahresende 2005.
Gruppen wie die Iraq Veterans Against the War (www.ivaw.net)
haben eine mutige Haltung gegen die Besetzung des Irak eingenommen und drei Forderungen aufgestellt: sofortiger Rückzug;
Reparationszahlungen an den Irak; eine wirkliche Unterstützung für Veteranen, die von einer Administration in Stich
gelassen wurden, die laut tönt, wie sehr wir "unsere Soldaten unterstützen" müssen womit sie
aber nur meint, dass wir eine Regierung unterstützen sollen, die diese Soldaten nutzlos zum töten und getötet
werden hinausschickt.
Die Kampagne Witness Against Torture: A Campaign to Shut Down
Guantánamo (www.witnesstorture.org) organisiert einen Feldzug für Aufklärung und zivilen Ungehorsam. Weitere
Verbindungen werden in der Antikriegsbewegung hergestellt zwischen Guantánamo und dem rollback bei den
Bürgerrechten im eigenen Land besonders für Immigranten und Muslime , das Hand in Hand geht mit dem
Krieg im Ausland.
Mitglieder der Grünen Partei und andere
Antikriegsaktivisten spielten eine entscheidende Rolle bei erfolgreichen Referenden in 24 Städten und Gemeinden im US-
Bundesstaat Wisconsin, die den Rückzug der US-Truppen aus dem Irak forderten. Solche lokalen Initiativen können
eine wichtige Verbindung schaffen zwischen dem Geschehen im Irak, in Afghanistan und in Guantánamo und dem Geschehen in
den USA selbst. Nach einer konservativen Schätzung belaufen sich die Kosten dieses Krieges mittlerweile auf Hunderte
Milliarden Dollar.
Eine jüngste Studie von Joseph Stiglitz, Ökonom an
der Columbia University, und von Linda Bilmes (Harvard-Professorin) schätzt, dass die vollständigen Kosten des
Krieges näher an 1,5 Billionen Dollar liegen und auf 2,6 Billionen Dollar steigen könnten, wenn die Besatzung bis
2010 andauert. Mittlerweile werden im ganzen Land Kürzungen bei Gesundheit, Bildung und anderen elementaren
Sozialprogrammen spürbar. Die Anzahl der Familien mit Angehörigen oder Freunden, die im Irak getötet oder
verwundet wurden, wächst jeden Tag.
In den USA besteht eine merkliche Kluft zwischen der Meinung
der Bevölkerung und dem Ausmaß der Organisation und des Protests, besonders der Art von Protest, der das
"business as usual" für die US-Eliten empfindlich stören und sie zwingen kann, die Kosten-Nutzen-Rechnung
für das Verbleiben im Irak und die Aufrechterhaltung eines internationalen Gulag-Systems zu überdenken.
Anthony Arnove
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