SoZ - Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Oktober 2006, Seite 04

Neues vom Weltgeist:

Jürgen Elsässer trommelt zum Pogrom

von CHRISTOPH JÜNKE

Jürgen Elsässer, der Mann starker Worte und schwacher Gedanken, glaubt, dass das, was in der deutschen Linken schief läuft, im Westen zu verorten ist und nicht im Osten. Im Osten Deutschlands, schreibt er am 19.9. in der Jungen Welt, werde noch "ein Teil der klassenkämpferischen Traditionen bewahrt, weil die Linkspartei dort von gelernten DDR-Bürgern geführt wird. In der Hauptstadt dagegen ist der Verein durch Westimporte versaut". Um nicht mit "bürgerlichen" Kommentatoren verwechselt zu werden, fügt er unmittelbar an, dass die Berliner Linkspartei nicht durch Lafontaine "versaut" werde, "sondern durch den bisherigen Wirtschaftssenator Harald Wolf und seine Gefolgschaft. Diese ehemaligen Trotzkisten haben in den letzten zehn Jahren die Schaltstellen im Apparat und in der Verwaltung besetzt."
Mit derselben Berechtigung könnte er auch auf die Rolle der ehemaligen Maoisten vom Kommunistischen Bund zu sprechen kommen, die zusammen mit den Ex-Trotzkisten zu Beginn der 90er Jahre ihre neue politische Heimat bei der Linken Liste-PDS fanden. Doch der Ex-KB-Funktionär Elsässer hat die antitrotzkistische Klaviatur bereits in seiner marxistisch-leninistischen Jugend zu spielen gelernt und weiß dem Kaiser zu geben, was des Kaisers ist. Es waren jener von Elsässer wegen seiner SED-Biografie gepriesene Gregor Gysi "und seine Gefolgschaft", die Wolf und andere in die Positionen brachten, die sie heute ausüben.
Die denunziatorisch benutzte Verschwörungstheorie ist das eine, die aggressive Sprache das andere. Das allein würde das heute leider übliche Maß noch nicht einmal überschreiten. Zum Politikum wird Elsässers Invektive mit dem Diktum, dass sich in Berlin die "Wessi-Pest" um Harald Wolf mit "Ossis" wie Stefan Liebich und Klaus Lederer zusammengetan habe, die "entweder Quoten-Zonis oder wessifizierte DDR-Hasser" seien: "Mit der Wolf-Kabale verbindet sie die Absage an den Klassenkampf und den Antiimperialismus und die Bedienung ihrer Randgruppenklientel. Mit Staatsknete wird Multikulti, Gendermainstreaming und die schwule Subkultur gefördert, während die Proleten auf Hartz IV gesetzt werden und sich oft auch keine Kita, kein Schwimmbad und keine warme Wohnung mehr leisten können."
Ist aber die Forderung nach einem gleichberechtigten Nebeneinander von "Kulturen", d.h. Ethnien, und Geschlechtern eine Forderung, die Linke, Demokraten und Sozialisten zu unterstützen haben oder nicht? Wenn nein, mag Elsässer recht haben. Wenn ja, spaltet er mit seinen Worten Bewegungen, die zusammengehören sollten, bedient damit (und mit seiner Wortwahl) Ressentiments, die schlicht und einfach rassistisch und reaktionär sind.
Elsässer kennt keine Haltelinie. Im Schlussabsatz verspricht er Heilung für die verrottete deutsche Linke und ruft zum offenen Pogrom: "Nach Lage der Dinge ist das eine Aufgabe für Lafontaine. Nur er kann die soziale Frage so artikulieren und — nicht völkisch, sondern ‘französisch‘ — mit der Verteidigung der nationalen Souveränität [sic!] verbinden, dass den Rechten das Wasser abgegraben wird. Er muss jetzt den Augiasstall in Berlin ausmisten — selbstverständlich mit Hilfe der vielen tausend ostdeutschen Sozialisten, die auch kein Interesse daran haben, dass Wessis wie Wolf ihre Partei zugrunderichten." (Hervorhebungen: cj.)
Auch mit seiner neuesten Wendung, wenn es denn eine ist, bleibt sich der in der linken Wolle gefärbte Reaktionär treu. Logik ist nicht seine Sache: Bei ihm müssen die guten Ossis vor den bösen Wessis gerettet werden — von einem Wessi (Lafontaine) und seinem selbst ernannten Wessi-Adlatus (Elsässer selbst). Seine Logik war bereits zu Beginn der 90er Jahre jene Lust aufs Pogrom, die bei vom Weltgeist enttäuschten Linken nicht selten anzutreffen ist.
Hunde, die bellen, beißen nicht — heißt es. Aber der (vom politischen Mentekel Berlin) getroffene Hund, der beißt. Seine Offenbarung geht dabei über seine Person weit hinaus. Sie ist ein Spiegelbild zunehmender Gewaltförmigkeit herrschender wie beherrschter Verhältnisse. Elsässer ist Spiegelbild einer Linken, die nie gelernt hat, auf eigenen Füßen zu stehen. Der aufrechte Gang ist ihr ein Fremdwort — ein Fremdwort degenerierter Sozialstaat-Wessis wahrscheinlich...

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