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Die 5%-Hürde wurde von den Berliner
WASG-Aktiven nicht genommen. Der respektable Achtungserfolg führte aber immerhin zu einer gewichtigen
Verankerung in den Bezirksverordnetenversammlungen. Damit ist bewiesen, dass die WASG Berlin den Sprung
über die 5%-Hürde locker geschafft hätte, wenn Oskar Lafontaine und die Bundespartei sie im
Wahlkampf unterstützt hätten. Überdeutlich ist auch geworden, dass Lafontaines
innerparteiliches Kalkül, die neoliberalen Hardcors in der LPDS nicht zu verärgern, um die
"Einheit der Linken" nicht zu gefährden, in sich zusammenbrach. Weder ließ sich die
Wählerschaft täuschen, noch wurde die WASG dadurch innerhalb des Vereinigungsprozesses
gestärkt.
Die Situation ist paradox: Objektiv ist die
WASG-Linke gestärkt aus dieser politischen Auseinandersetzung hervorgegangen, subjektiv sind sicher
etliche vor allem Berliner enttäuscht. Vor allem die Frage, wie es nunmehr politisch
weitergeht, muss uns bewegen.
Folgende Linien erscheinen mir
maßgeblich:
1. Die Linke in diesem Land muss eine
politische Kraft werden und sich zugleich als soziales Netzwerk entwickeln. Berlin wird eine gewichtige
Rolle hierbei spielen. (Von dieser Frage unabhängig muss übrigens die Frage diskutiert werden, ob
man aus unterschiedlichsten Gründen die Heimat innerhalb der fusionierten Partei sieht oder
außerhalb.)
2. Diese konsequent antineoliberale Kraft
sollte Aktiven innerhalb und außerhalb der fusionierten Partei in ihren Reihen organisieren und muss
für Dritte als eigenständig handelndes politisches Subjekt erkennbar sein. Dazu wird es eine
Debatte in der nichtsektiererischen Linken insgesamt geben müssen. Meines Erachtens sollte sich diese
Linke als Netzwerk organisieren.
3. Ein solches Netzwerk für eine
solidarische Politik muss sich der oftmals ungeliebten sozialen Arbeit vor Ort widmen, in den
Stadtteilen, in den sozialen Brennpunkten. Sie muss es schaffen, die Entrechteten, die Erwerbslosen nicht
nur zu organisieren, sondern diese zur Selbstorganisation zu ermutigen. Selbstorganisierte Volksküchen
gehören dazu, es geht dabei nicht um Mitleid, sondern um die gelebte Solidarität.
Niemand soll vergessen sein: Diese
Botschaft muss diese neue antineoliberale Linke an alle senden. Immer mehr Menschen können sich in
diesem reichen Land nicht mal mehr etwas zu essen leisten. Die neue Linke muss diese Menschen ansprechen.
Die damit verbundenen finanziellen Probleme sind lösbar, wenn über die oben genannten politischen
Ziele Einigkeit erzielt werden kann. Die politische Botschaft, die von so einem Engagement ausgehen kann,
wäre erfolgreicher als das Verteilen der sicherlich unverzichtbaren Flugblätter vor einer Wahl.
Hat die Linke in diesem Land die Kraft und
den Mut, die noch vorhandenen (scheinbaren) Gräben zu überwinden und sich zu verständigen,
jenseits der etablierten Apparate? Die Zeit dafür ist überreif.
Einerseits zeigt das Wahlergebnis der
Linkspartei in Berlin, dass die Wählerinnen und Wähler kaum Unterschiede zwischen der Politik von
SPD und Linkspartei erkennen konnten. Sie haben entweder gleich das Original gewählt oder sich
enttäuscht abgewandt und nicht gewählt. Der WASG hingegen ist es gelungen, aus dem Reservoir der
Frustrierten Stimmen zu gewinnen. 3% sind unter den gegebenen Umständen ein beachtliches
Ergebnis.
Andererseits zeigt das relativ gute
Abschneiden der Linkspartei in Mecklenburg-Vorpommern, dass eine andere Politik, die auch in einer
Regierungsbeteiligung eigene linke Akzente setzt, durchaus honoriert wird.
Trotzdem war in beiden Bundesländern
die Wahlbeteiligung niedrig. Die Unzufriedenheit der Menschen mit den Ergebnissen der parlamentarischen
Politik wächst. Wo die Linke diese Enttäuschung nicht aufgreift, füllen Neonazis das Vakuum
mit leeren Versprechungen und Hetzparolen. Ihre Erfolge in MV und in Berliner Stadtbezirken verdankt sie
auch der Tatsache, dass es der Linken nicht gelungen ist, insbesondere die Verliererinnen und Verlierer des
Sozialabbaus von ihren Alternativen zu überzeugen.
Nach diesem Wahlergebnis kann es in Berlin
ein "Weiter so" bei der Linkspartei nicht geben. Die SPD kann sich die Koalitionspartnerin
aussuchen, eine Wahlverliererin wird kaum Bedingungen für eine andere Politik stellen können.
Sollte die Linkspartei in Berlin wirklich einfach so weiter machen, wäre dies eine Belastung für
den Parteibildungsprozess. Viele Kritiker würden sich bestärkt sehen in der Annahme, dass
Veränderungen in der Politik der Linkspartei, nicht wirklich gewollt sind.
Wenn jetzt keine offensive und solidarische
Diskussion über Regierungsbeteiligungen, über Programm und Statut der neuen Linkspartei in allen
Gliederungen geführt wird, könnte der Prozess in der WASG in Resignation umschlagen.
Es geht um eine klare Positionierung gegen
Kriegseinsätze, gegen Privatisierungen, für den Erhalt und Ausbau der öffentlichen
Daseinsvorsorge, gegen Sozialabbau und Lohndumping, für eine Umverteilung von Zeit und Geld. Ebenso
wichtig sind starke Rechte für die Mitglieder in der neuen linken Partei, Rechte für Arbeits- und
Interessengruppen, die Trennung von Amt und Mandat um zu verhindern, dass Fraktionen und Apparate
die Politik der neuen Linken bestimmen.
In diese Programmdiskussion sollten zudem
Meinungen und Ansichten vieler anderer Gruppierungen mit einfließen. Wer den Parteibildungsprozess
ernst nimmt, kommt um eine intensive Vernetzung mit den sozialen Bewegungen und außerparlamentarischen
Gruppierungen nicht vorbei. Aus diesen heraus kommen auf vielfältige Weise diejenigen Anregungen und
Ideen, die ein "Weiter so" in Sachzwangmentalität und Kosten-Nutzen-Vorstellungen
zukünftig unmöglich werden lassen.
Alle drei Dinge eine klare
Handschrift der Linken auch in Regierungsbeteiligungen, gestützt auf eine linke programmatische
Grundlage, gestärkt durch eine tiefe Verwurzelung in den sozialen Bewegungen werden in Zukunft
die Richtung für die parlamentarische Arbeit der Linken vorgeben.
WASG und Linkspartei.PDS (LPDS) haben die
Wahlen in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern mit Spannung erwartet. Trotz des Fusionskurses beider Parteien
sind die WASG-Landesverbände in beiden Ländern in Konkurrenz zur LPDS angetreten. Innerhalb der
WASG haben die konkurrierenden Wahlantritte zu heftigen Auseinandersetzungen um deren Sinnhaftigkeit
geführt. Nun liegen die (Wahl-)Ergebnisse auf dem Tisch.
In beiden Ländern haben die
Wählerinnen und Wähler über die politischen Leistungen einer rot-roten Regierung zu
entscheiden gehabt. Keine der beiden rot-roten Regierungen hat die Bürgerinnen und Bürger so
überzeugen können, dass sie eine überzeugende Bestätigung erhalten hätten. Ob die
Koalitionen fortgesetzt werden, ist fraglich. Allerdings ist jeweils nur einer der Koalitionspartner mit
Stimmenentzug bedacht worden: In Berlin hat die LPDS empfindliche Verluste einstecken müssen, in
Mecklenburg-Vorpommern die SPD. Der jeweils andere Regierungspartner konnte jeweils geringfügige
Stimmenzuwächse verbuchen. Beide rot-rote Regierungen sind also von den Bürgerinnen und
Bürgern nur als das tolerablere Übel gewertet worden.
Die wenn auch mäßigen
Verluste der CDU in beiden Ländern lassen sich nur so interpretieren, dass die Wählerinnen
und Wähler die rückwärts gewandten Politikkonzepte der CDU nicht als Alternative zur
bisherigen rot-roten Landesregierung akzeptieren.
Der WASG ist es in beiden Ländern
nicht gelungen, die 5%-Hürde zu überspringen. Weder die abgesprungenen Linkspartei-
WählerInnen in Berlin noch die abgesprungenen SPD-Wähler in Mecklenburg-Vorpommern konnte sie
für sich gewinnen. Wie die gegenüber den letzten Wahlen rückläufige Wahlbeteiligung
zeigt, konnte sie auch keine Nichtwähler mobilisieren.
Wie die Ergebnisse bei einem gemeinsamen
Wahlantritt von WASG und Linkspartei ausgesehen hätten, darüber lässt sich nur spekulieren.
Eindeutig ist hingegen, dass der konkurrierende Alleinantritt die WASG in Berlin (3%) und in Mecklenburg-
Vorpommern (0,5%) zu einem Misserfolg geführt hat. Weder eine zerstrittene Linke noch eine linke
Fundamentalopposition wird von den Wählerinnen und Wählern als politische Alternative ernst- bzw.
angenommen.
Dabei zeigen die Wahlergebnisse, dass
politische Alternativen gefragt sind tendenziell linke, wie die Absagen an die CDU und der
Stimmenzuwachs der Grünen in Berlin anzeigen. Gelingt es der Linken nicht, ihre Zerstrittenheit hinter
sich zu lassen und eine politische Streitkultur sowie überzeugende linke Alternativen zu entwickeln,
die den Bürgerinnen und Bürgern ihre Anteile am gesellschaftlichen Reichtum und an
Produktivitätsfortschritten sichern, also zu einem Mehr an Verteilungs- und sozialer Gerechtigkeit
führen, dann überlässt sie in unverantwortlicher Weise den Rechten die politische
Bühne, wie der Stimmenzuwachs der NPD in Mecklenburg-Vorpommern zeigt.
Der freie Fall der Linkspartei in Berlin
war in der Tendenz vorauszusehen, wenn auch nicht in einem derartigen Ausmaß. Der Wahlantritt der WASG
war sinnvoll als Versuch, der absehbaren Niederlage der Regierungslinken durch einen Erfolg der
antikapitalistischen Linken zu begegnen. Das Ergebnis, 2,9% der Wählerstimmen und der Einzug in sieben
Bezirksversammlungen, lag unterhalb der Hoffnungen, war aber immerhin ein Achtungserfolg.
Der bisherige Parteibildungsprozess hat an
Schwung verloren. Er steckt in einer Sinnkrise, deren entscheidende Ursache der in Berlin besonders
schreiende Widerspruch zwischen Worten und Taten ist, zwischen der Selbstdarstellung als Linke einerseits
und der Bereitschaft, neoliberale Politik mit umzusetzen, andererseits. Man kann nicht den Kampf gegen den
Neoliberalismus zum Markenzeichen der "neuen Linken" erklären, den Verfechtern einer
Teilhabe an der neoliberalen Politik gegen deren Kritiker aber dann den Rücken stärken. Dieses
politische Konzept hat sich als untauglich erwiesen. Aber auch das WASG-Ergebnis reicht kaum für ein
Aufatmen.
Prominente Vertreter der
antikapitalistischen Linken haben sich programmatisch, aber kaum politisch zu Wort gemeldet. Offensichtlich
stehen sie mit dem Rücken an der Wand. Besonders in der Linkspartei hat sich eine Sozialschicht von
Abgeordneten, Parlaments- und Parteimitarbeitern mit eigenen Interessen gebildet, die sich von denen ihrer
Wähler erheblich unterscheiden. Diese hat auch im Vereinigungsprozess das Sagen. Sie ist darauf
bedacht, ihre eigenen Existenzbedingungen pekuniär und personell zu verbessern. Voraussetzung
dafür ist eine gesellschaftliche Ruhelage. Dass sie diese im entfesselten Kapitalismus auf der Seite
der Regierenden nicht finden wird, wurde in Berlin demonstriert. Dass derzeit Regierungsbeteiligung
unweigerlich darauf hinausläuft, die Partei schlechter zu machen (nicht unbedingt die Regierung),
nehmen ihre Vertreter in Kauf. Diejenigen, "die sich den Denkschemata kapitalistischer Politik
unterwerfen", entbehren nun einmal der "politischen Intelligenz", erkannte schon Wolfgang
Abendroth.
Wir sollten uns von Illusionen frei machen
und das Machbare angehen. Der Einfluss der Neoliberalen in der sich bildenden Linkspartei kann kaum noch
beseitigt, aber doch wohl zurückgedrängt werden. Möglich und notwendig ist der Kampf um
einen starken antikapitalistischen linken Flügel, den die LPDS nie hatte. Auch die Linke
außerhalb der beiden Parteien sollte dabei einbezogen werden. Die Linke Opposition in der WASG, die
Antikapitalistische Linke, die KPF, das Marxistische Forum und der Geraer Dialog müssen sich gemeinsam
zu Wort melden. Dringend geboten ist so u.a. ein gemeinsamer Kongress zur Programmatik und Politik im Zuge
des Vereinigungskongresses mit einem klaren antikapitalistischen Profil.
Informationen und Meinungen sollten keine Waren sein. Und Geld ist ein Fetisch.
Dennoch und ganz praktisch: Die Online-SoZ sieht nur umsonst aus. Wir brauchen Eure Euros.
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