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Der Prozess zur Bildung einer neuen linken Partei aus Linkspartei.PDS und
WASG geht voran. Nachdem die beiden Parteivorstände sich verständigt haben, dem Rechtsgutachten
von Professor Martin Morlock zu folgen, soll das Ziel in Form des Beitritts der WASG zur Linkspartei.PDS
(LPDS) im Sommer nächsten Jahres erreicht werden. Damit kann der Prozess nun objektiv als
Neuformierungsprozess um die LPDS beschrieben werden.
Nach der Veröffentlichung der
"Eckpunkte zum Programm" und dem "Aufruf zur Gründung einer neuen linken Partei"
durch Oskar Lafontaine, Gregor Gysi und einige Mitglieder der geschäftsführenden Vorstände
beider Parteien wird die Diskussion auf allen Ebenen der beiden Parteien WASG und LPDS geführt. In der
öffentlichen Debatte formieren sich nun um unterschiedliche Positionen Netzwerke und Strömungen.
Sie zielen auf Einflussnahme nicht nur im Gründungsmoment, sondern perspektivisch in der neuen Partei.
Mit dem Papier "Abschied und Wiederkehr" (auf sozialisten.de/sozialisten/ parteibildung)
melden sich die Reformlinken in der LPDS zu Wort. Sie setzen einen Kontrapunkt zum "Aufruf zur
Gründung einer neuen linken Partei". Unterzeichnet haben die Vorsitzenden aller ostdeutschen
Landesverbände und aller Landtagsfraktionen der LPDS. Hinzu kommen Mitglieder des Parteivorstands,
allen voran die stellvertretende Parteivorsitzende Katina Schubert, der Bundesgeschäftsführer
Dietmar Bartsch sowie Mitglieder der Bundestagsfraktion. Die Funktionseliten der LPDS melden so ihren
Führungsanspruch an. Ihre Botschaft lautet kurzgefasst: Es soll alles so bleiben wie es ist!
Trotz eines Bekenntnisses zum
"demokratischen Sozialismus" stellen die Positionen in "Abschied und Wiederkehr" eine
Negation marxistischer Auffassungen dar. Die Gesellschaft wird als offene Gesellschaft beschrieben, in der
strukturelle Unterdrückungsverhältnisse zu überwinden seien.
Klassenkämpferische Ansätze sucht
man folgerichtig vergeblich. Solidarität wird klassisch humanistisch mit dem
"zivilisationsgeschichtlichen Gebot der Mitmenschlichkeit" gleichgesetzt. Gegenüber der
Wirtschaft sind nicht etwa die Interessen der Lohnabhängigen, sondern "moralische Grundwerte der
Gesellschaft" geltend zu machen.
Der Raum für Politik spannt sich
für die Reformlinke im strategischen Dreieck aus Protest, Gestaltungsanspruch und sozialistisch-
demokratischer Perspektive auf. Nur verliert das Papier kein Wort über Protest oder sozialistisch-
demokratische Perspektive. Ausgeführt wird allein der Gestaltungsanspruch der in zwei
Bundesländern mitregierenden Reformlinken.
Neoliberale Kernthesen bilden dabei das
Fundament des politischen Programms. Man erklärt sich dabei das Versagen der Reformpolitik auch aus
dem fehlenden innovativen Unterbau in der Gesellschaft, aus der alleinigen Verantwortungszuweisung an den
Staat. Dementsprechend gelten als Lösungsansätze: Haushaltskonsolidierung, die "Erneuerung
der Sozialsysteme durch Stärkung der Zivilgesellschaft und des Individuums" und die Begrenzung
öffentlichen Eigentums auf unverzichtbare Staatsaufgaben.
Das Papier "Sozialistische Linke: realistisch und radikal" (auf www.linkes-revier.de/soz-
linke) hat die Mehrheit des Bundesvorstands und des Landesvorstands NRW der WASG veröffentlicht. Unter
den Erstunterzeichnern finden sich viele hauptamtliche Gewerkschafter, darunter auch einige, die der LPDS
angehören. Diese Strömung erhebt den Anspruch, das linke Zentrum der Partei zu besetzen und
kündigt an, sich gegen jeden zu richten, der "Sand in das Getriebe des Parteibildungsprozesses
streut".
Die Sozialistische Linke hat vor,
gesellschaftliche Bündnisse zu schmieden, um die Vorherrschaft des Kapitals zu überwinden. Sie
möchte die Menschen gewinnen, sich gemeinsam für ein besseres Leben einzusetzen. Zur Durchsetzung
ihrer Politik will sie sich auf außerparlamentarischen Druck stützen. Akteur in diesem
Strategiekonzept ist allerdings immer die Partei. Selbstgenügsam weist sie den Weg in das bessere
Leben.
Als Grundlagen ihres politischen Programms
benennt die Sozialistische Linke marxistische Gesellschaftsanalyse und "linkskeynesianistische
Positionen alternativer Wirtschaftspolitik". Darunter versteht sie die Verbindung der Erkenntnisse von
Marx und Keynes, anstatt diese gegeneinander zu stellen. Das alternative Wirtschaftsprogramm birgt denn
auch keine Überraschungen: Die inländische Nachfrage soll gestärkt werden, auf dass die
Wirtschaft wachse. Aufgelegt werden soll ein öffentliches Zukunfts- und Investitionsprogramm. Die
öffentliche Beschäftigung soll ausgeweitet werden. Die dazu nötigen Einnahmen sollen dem
Staat durch eine gerechte Steuerpolitik und höhere Einnahmen bei stärkerem Wachstum
zufließen.
Sozialpolitisch werden gewerkschaftliche
Forderungen aufgegriffen. An erster Stelle steht ein existenzsichernder Mindestlohn, gefolgt von einer
Verkürzung der Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich und einer bedarfsgerechten sozialen
Grundsicherung. Der in den sozialen Bewegungen erhobenen Forderung nach einem bedingungslosen
Grundeinkommen wird eine kategorische Absage erteilt.
Anders als alle anderen Strömungen wird die Antikapitalistische Linke von Linken aus beiden
Parteien getragen. Hinzu kommen einige Personen, die bis jetzt parteilos sind. Allerdings überwiegen
unter den Erstunterzeichnenden des Manifests "Für eine antikapitalistische Linke"
(www.antikapitalistische-linke.de) Abgeordnete aus Europaparlament, Bundestag und Landtagen. In der
Antikapitalistischen Linken agieren vornehmlich linke Intellektuelle. Die Strömung formiert sich als
Opposition gegen bedingungslose Regierungsbeteiligungen und für sozialistische Politik in der
zukünftigen Partei. Ihre Aufgabe sieht sie darin, eine grundsätzliche Alternative zum
neoliberalen Kapitalismus wieder in die Debatte einzubringen und eine mobilisierungsfähige Partei mit
aufzubauen.
Die Antikapitalistische Linke argumentiert
aus der marxistischen Tradition heraus und setzt auf eine in der Gegenwart verankerte, aber über das
kapitalistische System hinaus weisende gesellschaftliche Perspektive. Allerdings gelingt es dem Manifest
"Für eine antikapitalistische Linke" wenig, diese Perspektive zu entfalten. Dies liegt
daran, dass das Manifest die Innensicht der zukünftigen Partei nur im Bereich der Gesellschaftsanalyse
verlässt. Das Politikkonzept wird dem Parteikonzept untergeordnet.
Empfohlen wird, dass sich die
zukünftige Partei über eine Reihe antineoliberaler Forderungen definiert. Genannt werden die
Besteuerung großer Erbschaften, die Einführung einer Millionärssteuer und
Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich. Es soll Schluss gemacht werden mit der Zweiklassen-
Medizin, Jobvernichtung soll bestraft werden und Finanzhaie sollen kontrolliert werden.
Dieser Forderungskatalog kann bestenfalls
als Fragment eines Übergangsprogramms bezeichnet werden. Darüber hinaus werden Minimalbedingungen
für Regierungsbeteiligungen der zukünftigen Partei benannt. Neben dem Verzicht auf weitere
Privatisierungen soll kein Abbau öffentlicher Beschäftigung, sollen keine Kürzungen bei den
Schwächsten und keine Förderung sozialer Bildungsprivilegien erfolgen. Zudem soll es in
Regierungen eine Verpflichtung zur Entmilitarisierung geben.
Den konsequent anti-neoliberalen
Programmpunkten ist allerdings eigen, dass sie, obwohl nur durch die Gleichzeitigkeit von parlamentarischer
Präsenz und massivem sozialen Protest erreichbar, doch wenig emanzipatorisches Potential entfalten.
Dies wird besonders deutlich an Hand der Forderung "Jobvernichtung bestrafen". Statt auf die
Kontrolle der Betriebe durch die Belegschaften zu setzen, wird nur auf die aus der PDS bekannte
Einführung einer Wertschöpfungsabgabe orientiert. Damit fehlen den Forderungen genau diejenigen
Elemente, die die Dynamik eines gesellschaftlichen Emanzipationsprozesses befördern könnten, der
erst hinreichende Bedingung für eine Umwälzung ist.
Das Netzwerk Linke Opposition knüpft an die Antikapitalistische Linke der WASG an. Diese hatte sich
nach dem Bundesparteitag der WASG mit anderen oppositionellen Kräften gegen die Politik des
Bundesvorstands verbunden. An der Konferenz des Netzwerks Linke Opposition in Kassel nahmen im Mai diesen
Jahres fast 300 Mitglieder aus WASG, Linkspartei und sozialen Bewegungen teil.
Im Netzwerk Linke Opposition arbeiten
antiautoritär eingestellte nicht organisierte Linke mit Mitgliedern von SAV und ISL zusammen.
Organisatorische Kerne sind die Mehrheit der Berliner WASG, die Redaktion der Linken (Online-)Zeitung
(www.linkezeitung. de) und die Bildungsgemeinschaft SALZ e.V. Anders als die anderen vorgestellten
Strömungen wird das Netzwerk Linke Opposition überwiegend von Mitgliedern der WASG-Basis
getragen. Funktionsträger und Mandatsträger sind selten, Mitglieder von Funktionseliten so gut
wie gar nicht vertreten. Die gravierendsten Unterschiede zur Antikapitalistischen Linken liegen daher auch
nicht im Bereich der politischen Forderungen, sondern betreffen die unterschiedliche politische Kultur und
die Erwartungen an demokratische Standards.
Aus Reihen des Netzwerkes gibt es eine
Reihe von programmatischen Beiträgen mit radikalreformerischen und antikapitalistischen Forderungen,
die umfassender sind als diejenigen der Antikapitalistischen Linken, aber keinen zentralen Aufruf. Bewusst
soll die Positionsbildung nicht durch Unterzeichnen eines fertigen Aufrufs, sondern durch gemeinsames
Erarbeiten von politischen Erklärungen erfolgen.
Das Selbstverständnis des Netzwerkes
und die Basis seines politischen Programms findet sich in der Abschlusserklärung der Kasseler
Konferenz (auf www.linkezeitung.de). Das Netzwerk will eine kämpferische Partei schaffen, die
konsequent die Interessen der kapitallosen Bevölkerungsmehrheit vertritt und von ihren Mitgliedern
regiert wird. Sie soll nicht nur für Reformen kämpfen, sondern auch Alternativen zum
kapitalistischen System diskutieren und realisieren. In Regierungen soll sie nur eintreten, wenn sie
über Mehrheiten für einen grundsätzlichen Politikwechsel verfügt.
Politik versteht die Linke Opposition in
erster Linie als unmittelbare Aktivität in Betrieben, Schulen und Stadtvierteln, während
parlamentarische Arbeit nur Teil und Ausdruck dieser Kämpfe sein kann. Weil sich das Netzwerk Linke
Opposition dem Aufbau einer parteiübergreifenden Struktur aller an der linken anti-neoliberalen
Neuformierung interessierten Menschen verpflichtet fühlt, sollen und können auch Menschen
mitarbeiten, die nicht Mitglieder in WASG oder LPDS sind.
Aus den Reihen diesen Netzwerks gibt es
massive Kritik an der zentralen Steuerung und den bisherigen Ergebnissen des Parteibildungsprozesses. Ein
Regionaltreffen in NRW hat im September die Einhaltung von fünf "roten Linien" für ein
Ja zur Fusion mit der LPDS aufgestellt. Neben einer wirklichen Neugründung der zukünftigen linken
Partei wird sowohl die Trennung von Amt und Mandat als auch der Verzicht auf weitere Privatisierungen, der
Verzicht auf Teilnahme an Regierungen, die Sozial- und Lohnraub betreiben, sowie keine Zustimmungen zu
Einsätzen der Bundeswehr im Ausland sowie im Rahmen der inneren Sicherheit gefordert.
Sollten diese Minimalbedingungen an die
neue linke Partei nicht erfüllt werden, soll eine Kampagne gegen die Fusion eröffnet werden.
Notfalls werde, wird angekündigt, gegen jede politische Partei, die öffentliches Eigentum
privatisiert, Sozialabbau betreibt und tarifliche Standards bzw. Löhne absenkt, eine alternative
politische Kraft aufgebaut.
Edith Bartelmus-Scholich
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