SoZ - Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Oktober 2006, Seite 09

Privatisierung

NRW-Kliniken im Sommerschlussverkauf

Landauf landab verlieren die Stadtkämmerer und Finanzminister die Nerven und bieten ihre Krankenhäuser zum Notverkauf. Denn für stationäre Leistungen werden landeseinheitliche Durchschnittspreise gezahlt. Dieser Durchschnitt teilt nun erwartungsgemäß die Kliniklandschaft halbe halbe in Gewinner und Verlierer.
Bereits die rot- grüne Landesregierung war vor drei Jahren vorgeprescht. Sie begann, ihre sechs Uniklinika für einen Verkauf herauszuputzen, in Aachen, Bonn, Düsseldorf, Essen, Köln und Münster. NRW- Wissenschaftsministerin Kraft löste sie aus dem öffentlichen Dienst- und Tarifrecht: "Die Bezahlung in privaten Klinken liegt deutlich unterhalb der Tarife des öffentlichen Dienstes."
Jetzt, noch frisch aufgeschüttelt von den Arbeitskämpfen der Küchenfrauen, Krankenschwestern und Ärzte, schicken die CDU- Nachfolger ihre Unternehmensberatung Roland Berger zum Taxieren durch die Stationen und Ambulanzen. Und die Auswahl für private Aufkäufer aus dem In- und Ausland wächst rasch: Die städtischen Kliniken in Duisburg oder in Krefeld stehen "ergebnisoffen" zum Angebot; nebenan in Leverkusen verhängt Aufsichtsratsmitglied Karl Lauterbach die "Alarmstufe Rot".
Die verantwortlichen Politiker überlassen unsere Gesundheitsversorgung einem blinden Markt. Der Präsident der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen (KGNW), Kramer, warnt vor Personalabbau, ungeordneten Klinikschließungen und Wartelisten für die Patienten. "Die Politik ignoriert schlichtweg die Wirklichkeit in den Krankenhäusern". Bundesweit machen die Klinikchefs mobil, und wünschen sich da als Fußvolk gern auch ihre zu Recht beunruhigten Beschäftigten. Ihre Gespräche mit der Ver.di-Führungsetage sind da ungewöhnlich entspannt, ja wohlwollend. Doch auf ihrer Internetseite www.kliniken-in-not.de fordern sie nicht nur von der Regierung Geld. Wenn wir dort das "Problem: Tarifgehälter" anklicken, lesen wir ungläubig: "Tarifgehälter explodieren — Budgets stagnieren".
Tatsächlich planen die Krankenhausmanager — so behauptet eine Studie der Unternehmensberatung Steria Mummert Consulting vom September — höhere Ausgaben. Jedoch nicht für Personal, sondern für das Marketing sowie für zusätzliche Maßnahmen zur Qualitätssicherung. Der Grund: immer mehr Patienten sähen in ihrem Arzt und dem Pflegepersonal ein Team von Gesundheitsdienstleistern. Marketing und Patientenbindung rückten somit zunehmend in den Vordergrund. "Mit wachsendem Wettbewerb haben die Kliniken erkannt, dass sich Service und Patientenzufriedenheit zu Schlüsselfaktoren im Gesundheitssektor entwickeln." Weniger geschwollen ausgedrückt könnten wir das so verstehen: Wer die Gesundheit zur Ware macht, darf die Reklame und Verpackung nicht vergessen.
Doch mit der Zufriedenheit der Patienten ist es nicht weit her, das wiederum zeigt eine aktuelle Studie von Bernard Braun für die Gmünder Ersatzkasse (GEK). Obwohl der Durchschnitt der Patienten 2005 ebenso zufrieden war wie 2002, gaben die Patienten vielen privaten Krankenhäusern 2005 deutlich schlechtere Werte als 2002. Teilweise werden die Verhältnisse nur noch als "durchschnittlich" bewertet, teilweise seien die Versorgungsbedingungen schlechter geworden als die in öffentlichen und freigemeinnützigen Kliniken.
Patienten in Kleinkrankenhäusern mit bis zu 200 Betten machten laut der GEK-Studie vielfach bessere Erfahrungen als solche in größeren. "Wenn sich der Trend verstärkt, dass der Anteil von Kleinkrankenhäusern schwindet und der von privat getragenen Klinken ansteigt, kann das zukünftig aus Sicht der Patienten Nachteile mit sich bringen", erklärte der GEK-Vorstandsvorsitzende Dieter Hebel.
Unter www.kliniksterben.de finden wir einen Überblick über die täglichen Verkäufe, Teilverkäufe und Schließungen. Diese Meldungen, jede für sich liest sich fast vernünftig und zwangsläufig, entfalten in ihrer nicht enden wollenden Abfolge eine gesamtgesellschaftliche Absurdität.

Tobias Michel

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