SoZ - Sozialistische Zeitung |
Im Chor der Stimmen, die über die Krise der Arbeitswelt und ihre
Lösungen reden, hebt sich vom Grundton "Arbeit um jeden Preis" seit einiger Zeit ein
fiepsiger Oberton ab, der dazwischen zwitschert: "bedingungsloses Grundeinkommen".
Was darunter zu verstehen ist und welche
Interessen damit bedient werden, ist so vielfältig wie die Schar jener, die es verfechten sie
umfasst Unternehmer, Bildungsbürger und Selbständige, katholische Sozialarbeiter und Erwerbslose
gleichermaßen. Die große Mehrzahl der Kapitaleigner wie auch die Gewerkschaften stehen ihm im
Allgemeinen verständnislos gegenüber.
Die schillerndste Figur in dieser bunten
Vogelschar ist Götz Werner ein vehementer Kritik von Hartz IV, ein Unternehmer, der scheinbar
so gar nicht unternehmerisch denkt, und am Ende doch sehr genau auf seine Rechnung kommt. Alle Welt
lädt ihn zum Vortrag ein Konservative wie Linke, Attac und Erwerbslose. In ihm verkörpert
sich die ganze Widersprüchlichkeit dieses Ansatzes, der von sich behauptet, die neue Utopie zu sein,
auf die wir alle warten.
Werner geht von einem Widerspruch aus, der offen zutage liegt und auch bürgerliche Wissenschaftler
nachdenklich macht: Die Gesellschaft der Bundesrepublik (und nicht nur sie) wird immer reicher, viele
Einzelne in ihr aber immer ärmer. "Not und materieller Mangel durch fehlende
Produktionsmöglichkeiten gehören der Vergangenheit an. Heute übersteigen unsere
Kapazitäten unseren Eigenbedarf bei weitem. Unser gesellschaftliches Bewusstsein ist hinter den
Möglichkeiten weit zurückgeblieben, die sich durch die Arbeitsteilung und die sich daraus
ergebende Produktivitätsentwicklung anbieten." (Dieses wie auch die Folgezitate ist dem Text
"Finanzierung und Wirkung" auf Werners Homepage entnommen: www.unternimm-die-zukunft.de)
Wenn immer mehr Menschen immer weniger zum
Leben haben, dann liegt das nicht daran, dass unsere Wirtschaft nicht leistungsfähig wäre
das stetig steigende Bruttosozialprodukt und die stetig steigende Produktivität (wie auch die stetig
steigenden Exporte) beweisen das Gegenteil. Woran liegt es sonst? Werner antwortet: an der falschen oder
mangelnden Finanzierung ihrer Versorgung anders ausgedrückt: dass sie kein Geld haben. Ein
Zirkelschluss, wie man sieht.
Die Produktivität ist so gestiegen,
dass der Anteil der in der Industrie (in der Warenproduktion) Beschäftigten dramatisch abnimmt. Nur
noch 1,5% der beschäftigten Arbeitnehmer arbeiteten 1999 in der Landwirtschaft, 31,3% im
verarbeitenden Gewerbe, 37,6% in Dienstleistungsbereichen, die an der Warenproduktion hängen, und
29,5% in reinen Dienstleistungsbereichen.
Werner schließt daraus, dass "der
Einzelne sein Einkommen in immer geringerem Maße durch seine eigene Arbeit erwirken kann". Der
Gesellschaft gehe die Arbeit aus. Darin liegt ein Denkfehler. Wenn ein Auto heute in einem Mannjahr
hergestellt wird statt in zehn, dann heißt das zunächst nur, dass der Arbeiter auf die
Herstellung dieses Produkts nur noch ein Zehntel seiner Arbeitszeit verwenden muss, nicht dass er deswegen
weniger Einkommen hätte. Einkommen ist nichts anderes als der geldliche Gegenwert der hergestellten
Produkte. Wird die Gesellschaft mit Produkten ausreichend versorgt wo nicht gar überversorgt, gibt es
auch die Geldmittel dafür. Der ausreichend mit Waren versorgte Mensch kann die frei gewordene Zeit
darauf verwenden, Dienstleistungen aller Art zu vollbringen. Das ist ebenfalls gesellschaftlich notwendige
Arbeit und zwar eine, die in einer arbeitsteiligen und hoch produktiven Gesellschaft immer
nötiger wird.
Dass dem Einzelnen heute das Einkommen aber
fehlt, die Produkte zu kaufen, die er hergestellt hat, liegt an der privaten Aneignung des Mehrprodukts
durch den Kapitaleigner kurz: der kapitalistischen Ausbeutung. Diese stellt Werner nicht in Frage,
er sieht sie nicht einmal. Was er sieht ist, dass immer mehr Menschen das nötige Einkommen fehlt, und
er versteht dies als eine Schmälerung der Nachfrage. Er kommt daher zur Vorstellung, es bedürfe
einer "alternativen Einkommensquelle", um diese Nachfrage zu schaffen ein bedingungsloses
Grundeinkommen eben. "Mit dem Ansatz Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen, kommen wir
heute nicht mehr weiter. Die Wirtschaft hat die Aufgabe, die Menschen mit Geld zu versorgen, damit sie die
Güter und Dienstleistungen auch kaufen können." Das sehen die meisten seiner
Unternehmerkollegen allerdings gänzlich anders.
Woher kommt das Geld? Aus der Mehrwertsteuer. Wer bezahlt sie? Alle Menschen, die konsumieren, und da
sie in ihrer großen Mehrzahl abhängig Beschäftigte sind, zahlen sie also diejenigen, deren
Einkommen eigentlich zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts reichen müsste. Sie zahlen doppelt,
nämlich für die mit, die kein Einkommen, weil keine Arbeit haben. Alternativ ist diese
Einkommensquelle nicht, es wird immer die Arbeit belastet, in diesem Fall das hergestellte Produkt. Die
Freisetzung von Lohnarbeit aus der Industrie ausschließlich über die Mehrwertsteuer zu
finanzieren bedeutet, die Kosten für den Produktivitätsfortschritt in erster Linie den
Lohnabhängigen aufzubürden.
An dieser Stelle stimmt Werner wieder voll
in den Gesang seiner Mitbrüder ein. Das Hauptanliegen seines Grundeinkommensmodells ist nämlich
nicht, die Armut zu bekämpfen ("es geht nicht in erster Linie um die Finanzierung von
Transferleistungen, die es bisher nicht gab"), sondern die Steuerlast anders zu verteilen. Alle
Steuern sollen nämlich abgeschafft werden bis auf die Mehrwertsteuer, die erhöht sich auf
50%. Aus der Mehrwertsteuer wird das Grundeinkommen gezahlt und alles andere, was die Gemeinschaft so
braucht.
Vorteil 1: Die Produktion werde nicht mehr
belastet (das ist nicht richtig, der Unternehmer wird nicht mehr belastet, während der Arbeiter (der
eigentliche Produzent) nun in Form der Konsumsteuer viel mehr bezahlt als was vorher an Lohnsteuer anfiel.
Vorteil 2: Der Staat kann verschlankt
werden, weil Verwaltungskosten und ein Großteil der Renten, Krankengeld, Arbeitslosengeld u.a.
entfallen.
Vorteil 3: Die Löhne sinken erheblich,
für die Unternehmer wie für den Staat. "Die ganze Produktion wird steuerfrei gehalten und es
kann unbehindert investiert werden." (Als wären die Steuern ein Hinderungsgrund für
Investitionen!)
Der Modell Werner erfüllt die beiden
zentralen Bedingungen neoliberaler Dogmatik: Streichung der Unternehmensteuern und Senkung der Löhne.
"Die Entlastung der öffentlichen Kassen führt zu mehr Freiheit und Selbstbestimmung der
einzelnen Bürger."
Vorwürfen, damit ein
Inflationskarussel in Gang zu setzen, widerspricht er: Aufgrund des herrschenden Wettbewerbs müssten
die Unternehmen den ihnen so zuwachsenden Kostenvorteil in Form sinkender Preise weiter geben. Er ignoriert
dabei die hohe Kartellbildung, aber auch das Gesetz von Angebot und Nachfrage: Wenn die Nachfrage durch ein
Grundeinkommen hoch gehalten wird, steigt der Preis, den man erzielen kann.
Werner begründet die Entscheidung
für die Mehrwertsteuer damit, die Unternehmer würden eh "faktisch keine Steuern
zahlen", weil sie alle Steuern auf die Preise abwälzten. Die Mehrwertsteuer zur alleinigen Steuer
zu deklarieren, aber entspreche einer hoch arbeitsteiligen Gesellschaft, in der man nicht mehr
hauptsächlich die eigenen Arbeitsergebnisse, sondern hauptsächlich die anderer konsumiert.
In einem räuberischen Staat, in dem eine kleine Minderheit eigene Privilegien auf Kosten der
Allgemeinheit durchsetzen kann, sind Steuern nichts anderes als eine weitere Form der Ausplünderung
der arbeitenden Bevölkerung. In einem demokratisch verwalteten Gemeinwesen, in dem der Mehrheitswille
respektiert wird, hätten Steuern und Abgaben einen dreifachen Sinn: Sie dienen 1. der Finanzierung
öffentlicher Dienstleistungen (und sind insofern von allen zu zahlen); sie sind 2. ein Instrument, die
Gemeinschaft oder die Umwelt schädigende Produkte zu verteuern und damit zu minimieren; und 3.
erlauben sie eine Umverteilung von Gewinn bringenden auf weniger Gewinn bringende Sektoren,
gesellschaftliche Bereiche und Einkommensschichten und sind insofern eine Restitution der
Unternehmen an die Gemeinschaft, da sie von den Infrastrukturvoraussetzungen, die die Gemeinschaft
erbringt, ja profitieren.
Von diesen drei Funktionen bleibt im
Wernerschen Modell nichts übrig. Die allgemeine Mehrwertsteuer kann weder umweltschädliche
Produkte mit Strafzöllen belegen, noch kann sie die exorbitanten Gewinne aus hoch produktiver
Fertigung gesellschaftlich solidarisch in solche Bereiche umleiten, wo die Produktivität noch nicht so
weit ist bzw. wo sie aus guten Gründen niemals so hoch sein kann. Sie bleibt dann die einzige Quelle
des Staates, um öffentliche Dienstleistungen zu bezahlen, und ob danach noch was für ein
bedingungsloses Grundeinkommen übrig bleibt und wie viel, das steht in den Sternen.
Mit dem Anteil, der übrig bleibt, hat
sich vor allem der Sektor der personalen Dienstleistungen zu begnügen, die gesellschaftlich notwendig
aber arbeitsintensiv sind. Sie werden dann aus dem bGE bezahlt eine nur notdürftig verdeckte
Verallgemeinerung der unbezahlten Arbeit.
Werner beziffert das Grundeinkommen nicht
und das steht durchaus im Einklang zu seinem Ansatz: "Es geht nicht um die Finanzierung von
Transferleistungen, die es bisher nicht gab". Er ist mit jedem Betrag zufrieden, 50 Euro wären
auch schon gut (wofür allerdings die Mehrwertsteuer um 3% angehoben werden müsste und die Preise
um nochmals 2,8% stiegen, die derzeitige Preissteigerungsrate sich also verdoppeln würde), 300 oder
500 Euro wären natürlich besser, und grundsätzlich will er auch 1500 oder 1700 Euro
Grundeinkommen nicht ausschließen. Das ist dann das Reich der Freiheit, aber es ist arg weit weg.
In der Umstellungsphase aber, wo das
bedingungslose Grundeinkommen mit einem niedrigen Betrag anfängt, liegen Werners Vorstellungen in
gefährlicher Nähe zu Liberalen wie Thomas Straubhaar vom HWWI (800 Euro) oder dem
Ministerpräsidenten von Thüringen, Dieter Althaus (600 Euro). In deren Vorstellungen reicht das
Grundeinkommen nicht zum Leben noch zum Sterben, deswegen herrscht auch weiter Arbeitszwang. Die
Transferleistungen aber werden gestrichen und alle Löhne sind Kombilöhne. 800 Euro trennen den
Kommunismus vom ALG II. Ist Utopie so billig zu haben?
Angela Klein
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