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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, November 2006, Seite 16

Kapitalismus oder einen bewohnbaren Planeten

Wir müssen uns entscheiden

von ROBERT NEWMAN

Die Fragen, die der Klimawandel aufwirft, können nicht ernsthaft beantwortet werden, wenn man die herrschenden gesellschaftlichen Verhältnisse nicht in Frage stellt. Handel mit Emissionsquoten wird der Problemlage nicht gerecht, das ist Handwerkelei. Die Wirtschaftsweise des Kapitalismus selbst ist auf Dauer ökologisch untragbar. Denn er beruht auf der unendlichen Ausdehnung der Märkte, einem immer schnelleren Verbrauch und einer permanent ansteigenden Industrieproduktion. Der Planet Erde aber ist endlich. Solange dem Organisationsprinzip unseres Lebens die derzeitige Wirtschaftsideologie zugrunde liegt, werden alle Initiativen zum Schutz der Umwelt, die diesen Namen verdienen, abgeblockt werden.
Viele Menschen, die sich mit der Energiefrage auseinandersetzen, halten es für möglich, einen "grünen" Kapitalismus zu schaffen, der im Dienste der Umwelt steht. Sie ignorieren dabei die Frage der Macht. Das System des Privateigentums an Handel und Industrie impliziert, dass die entscheidende politische Macht auf der Welt vom Privateigentum ausgeht. Die Unternehmen umgehen jedes noch so geringfügige Gesetz, das ihre Profite schmälern würde. Sie verhindern die Etablierung einer demokratischen Kontrolle, die notwendig wäre, um die derzeitige Tendenz zur Klimaerwärmung aufzuhalten. Nur wenn die Vorherrschaft der Unternehmen gebrochen und sie selbst unter gesellschaftliche Kontrolle gestellt werden, können wir die globale ökologische Krise überwinden.
Häufig wird der Kapitalismus für seine Fähigkeit gelobt, energisch zu handeln, während die Regierungen zögern. Wal Mart wird dafür gelobt, dass es eine 20%ige Senkung seines Kohlenstoffausstoßes durchgesetzt habe. Tatsache ist jedoch, dass Supermärkte ein veraltetes Modell sind. Wir können nicht mehr auf so lange Distributionsketten setzen. Ökologisch ist das Modell Supermarkt mit seinen Methoden der Verpackung, der Lagerung von Nahrungsmitteln und der Zerstörung der bäuerlichen Landwirtschaft untragbar geworden...
Das Schlimmste, was unserer Art widerfahren könnte, wäre die Entdeckung neuer Erdölvorkommen. Oder auch die Verbrennung aller heute bekannten Reserven. Gegen das Klimachaos, das dann entstünde, wäre der Untergang der Industriegesellschaft eine Kleinigkeit. Wenn wir also in jedem Fall lernen müssen, ohne Erdöl auszukommen, warum nicht gleich damit anfangen?
Die Lösungen müssen von der Bevölkerung kommen. Lokale autonome Gruppen müssen sich organisieren, danach aber muss es einen Technologietransfer von der nationalen zur lokalen Ebene geben. Eine isolierte Installation von Solarzellen, oder auch lokaler Energiekreisläufe wäre zu teuer... Solange es aber Energiekonzerne gibt, werden sie mit Zähnen und Klauen zu verhindern suchen, dass die nationalen Energienetze aufgespalten werden. Die Banken und der Unternehmerverband werden auch nicht als neutrale Beobachter daneben stehen und die Fortschritte der partizipativen Demokratie auf dem Gebiet der Kohlenstoffemissionen loben oder die Gewerkschaften ermuntern, für Kohlenstoffquoten zu streiken.
Es gibt eine Reihe organisatorischer Projekte, an denen man sich orientieren kann. Die Just Transition Alliance wurde in den USA von Latinos und Schwarzen gegründet. Sie arbeiten mit den Gewerkschaften zusammen, um Bündnisse zwischen den abhängig Beschäftigten und den örtlichen Gemeinden zu schaffen. Ihr Ziel ist, Beschäftigte in stark Umwelt verschmutzenden Betrieben, die Gefahr laufen, ihren Arbeitsplatz zu verlieren, wenn die Betriebe geschlossen werden, in einen Dialog mit Menschen zu bringen, die in unmittelbarer Nähe zu diesen Betrieben wohnen und riskieren, ihre Gesundheit zu verlieren, wenn die Betriebe nicht geschlossen werden.
Wir müssen ernsthaft daran gehen, den individuellen Verbrauch von Kohlenstoff planmäßig einzuschränken, wir müssen aber auch Höchstgrenzen für den nationalen Ausstoß an Kohlenstoff setzen. Dann steht die Frage: Wozu verwenden wir den verfügbaren Kohlenstoff? Welche Infrastruktur errichten wir, welche bauen wir ab? Welche Organisationsstrukturen sind tragfähig, wenn der Klimawandel das Leben aller Gemeinden bedroht und alle Arbeitsplätze in Frage stellt? (Den größten Teil des Kohlenstoffausstoßes produzieren wir in der Arbeitszeit.)
Um darauf Antworten zu finden, müssen wir die Debatte um das Klimachaos im Bewusstsein führen, dass es hier um das Überleben der Menschheit geht, nicht nur um das, was hier und heute möglich ist oder was die Menschen hier und heute bereit sind zu akzeptieren...
Wir haben in einer Zeit gelebt, in der Energie zugleich im Überfluss vorhanden und preiswert war. Das hat uns verleitet zu glauben, das Unmögliche sei möglich, die Menschen im Norden könnten sich im Winter bräunen und im Sommer Äpfel essen. Die Erdölblase hat uns unumstößliche natürliche Tatsachen vergessen gemacht. Es ist höchste Zeit sich zu vergegenwärtigen, dass diese niemals aufgehört haben zu existieren. Man kann nicht gleichzeitig Kapitalismus haben und einen bewohnbaren Planeten. Das eine oder das andere, nicht beides zugleich.

Robert Newman ist ein in Großbritannien bekannter Schriftsteller. Er arbeitet im Bündnis People‘s Global Action (PGA). Der hier gekürzt wiedergegebene Beitrag erschien zuerst am 2.Februar 2006 im "Guardian". (Übersetzung: Angela Klein).



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