SoZ - Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Dezember 2006, Seite 04

Profitabel

Die Macht des Lobbyismus

von Hans Peiffer

Von der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen und in den Berichterstattungen der Medien so gut wie tot geschwiegen stellt die Macht des Lobbyismus ein wirkungsvolles Instrument zur Durchsetzung der Interessen von Konzernen, Wirtschaftsverbänden, Industriezweigen dar. Eigentlich unvorstellbar und doch real, sie haben sich eingenistet in Ministerien, in politische Entscheidungsgremien, in Parlamenten und Parteien. Als sog. "Leiharbeiter" haben sie in Berlin eigene Büros neben denen von Regierungsbeamten und Angestellten, und in den Bundesministerien sitzen sie an verantwortlichen Stellen. Maßgeblichen Einfluss haben diese Vertreter der Wirtschaft bei Entscheidungen über alle relevanten Aufgaben der Ministerien, bei der Bearbeitung von Grundsatzfragen und Formulierungen bei Gesetzestexten und deren Inhalten.
Wen kann es da verwundern, dass bei der Neuregelung der Gesetze zur Stromdurchleitung die Formulierungen von RWE wörtlich im Gesetzestext zu finden sind, haben doch bei der Ausarbeitung der Gesetze von der Strombranche bezahlte Leute im Ministerium gesessen. Ein weiteres Beispiel: Im Bundesverkehrsministerium sitzt eine Angestellte, die vier Tage in der Woche für den Hauptverband der Deutschen Bauindustrie tätig ist, den fünften Tag arbeitet sie für das Bundesverkehrsministerium. Ein Vertreter der Bauwirtschaft sagte dazu: "Das ist für uns wesentlich effizienter. Wir haben einen Arbeitsvertrag mit dem Ministerium, die Mitarbeiterin arbeitet im Interesse der Bundesrepublik Deutschland." So einfach ist das.
In diesem Ministerium sitzt ebenfalls seit Jahren ein Vertreter der Fraport AG (Betreiber des Frankfurter Großflughafens). Der sorgte dafür, dass die Interessen von Fraport im Gegensatz zu den Interessen der lärmgeplagten Bürger per Gesetz durchgesetzt wurden. So geht es immer weiter: Im Finanzministerium agiert zur Zeit ein Vertreter der Deutschen Börse und ein Manager der Nordbank. Im Wirtschaftsministerium waren bis vor kurzem DaimlerChrysler und der Chemiekonzern Lanxess aktiv. All das sind keine Einzelfälle.
Der direkte Einfluss durch Lobbyisten, PR- und Beraterfirmen auf Gesetzgebung und politische Entscheidungen ist mittlerweile ein ausgeklügeltes System in diesem Land und auch in der EU. Über das Ausmaß dieser von der Wirtschaft bezahlten Agenten in Bund, Ländern und Gemeinden kann man nur Vermutungen anstellen. Bei der EU in Brüssel sind etwa 15000 Interessenvertreter, darunter zwei der weltgrößten PR-Firmen. Die eine, Hill & Knowlton, wurde durch ihre 1990 erstellten Gräuelberichte vom angeblichen Wüten irakischer Truppen in Kuwait zur Rechtfertigung des ersten US-Golfkriegs bekannt; die andere, Burson-Marsteller, ist berüchtigt wegen ihrer "Tarnorganisationen" zur Durchsetzung der Interessen ihrer Auftraggeber.
Dort, wo der Lobbyismus blüht, sprudelt auch die Schmiergeldquelle, davon hören wir täglich in den Medien. Die Interessen der Bürgerinnen und Bürger bleiben auf der Strecke. "In unserer Demokratie regiert ja nicht das Volk, sondern die Wirtschaftsverbände, also könnte die Regierung sagen, warum nehmen wir nicht gleich die Vertreter der Wirtschaft in die Ministerien", meint Oskar Lafontaine. Recht hat er.
Auf diese Art der "Interessenvertretung" können wir verzichten. Dieses Unwesen kann nur durch politische Kontrolle von unten beseitigt werden.

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