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von JAKOB MONETA
in meiner Schrift Aufstieg und Niedergang des Stalinismus, einem Kommentar zur Geschichte der KPdSU(B).
Kurzer Lehrgang, erschienen 1953 in Köln und neu aufgelegt in den 70ern bei ISP, komme ich zu der
Auffassung, dass die Ausbeuterrolle der Bürokratie, im Gegensatz zu der des Kapitals, nicht anonym
ist. Ihre Antreiberrolle, ihre widerrechtliche Aneignung eines großen Teils des Volksvermögens,
ihre beständigen Diebstähle und ihre Korruption - eine Folge des Mangels an demokratischer
Kontrolle - lassen sich nicht verbergen. Sie sind allgemein bekannt. Nirgends wird es so sonnenklar wie in
der Sowjetunion und in den Satellitenstaaten, dass Sozialismus ohne die unabhängige Aktivität der
Massen, ohne das Aufblühen der menschlichen Persönlichkeit unmöglich ist. Der Stalinismus
zertritt sowohl das eine als auch das andere. Ein offener Konflikt zwischen dem Volk und dem neuen
Despotismus ist deshalb unvermeidlich. Stalins Regime ist zum Untergang verurteilt. Nicht die
kapitalistische Restauration, sondern die sozialistische Erneuerung wird den Untergang des Stalinismus
herbeiführen.
Trotzki hatte 1936 in seinem Buch Verratene
Revolution allerdings auch eine andere Möglichkeit genannt, als er schrieb: "Ein Zusammenbruch
des Sowjetregimes würde unweigerlich einen Zusammenbruch der Planwirtschaft und damit die Abschaffung
des staatlichen Eigentums nach sich ziehen." Der Sturz der bürokratischen Diktatur wäre
also, wenn keine neue sozialistische Macht diese ersetzt, gleichbedeutend mit einer Rückkehr zu
kapitalistischen Verhältnissen bei katastrophalem Rückgang von Wirtschaft und Kultur.
Bei oberflächlicher Betrachtung,
schrieb ich 1953, scheint der Stalinismus stärker denn je. Der Sieg im Zweiten Weltkrieg, der
gewaltige Gebietszuwachs der Sowjetunion, die "Revolutionen" von oben auf dem Balkan, im
Baltikum, in Polen und Ostdeutschland, der Sieg der chinesischen Revolution, all dies erscheint als das
gewaltige Kraftpotenzial Stalins. Trotzdem, schrieb ich, reifen sowohl innerhalb als auch außerhalb
der Sowjetunion die Bedingungen heran, die den Sturz des Stalinismus unvermeidlich machen. Und ich
zählte die gewaltigen Veränderungen auf, die überall stattfanden, wo sich der
"demokratische Sozialismus" in sozialer Entschlossenheit nicht von den "Kommunisten"
überflügeln ließ. An dieser Stelle machte ich auch den entscheidenden Fehler zu behaupten,
dass die unbestreitbaren Erfolge der "Sozialistischen Internationale" sowie das Vordringen der
sozialen Befreiungsbewegungen in den Ländern Asiens und Europas unter der Fahne eines zielstrebigen
demokratischen Sozialismus "dem Stalinismus allen Wind aus den Segeln genommen" hätten.
Die sozialen Erfolge dieser Parteien waren
damals unbestreitbar, denkt man nur an den kostenlosen Gesundheitsdienst des britischen Labour-Minister
Bevan. Nur hat damit die Sozialistische, sprich: sozialdemokratische Internationale nirgendwo den
entscheidenden Schritt zur Ablösung des Kapitalismus getan ganz im Gegenteil.
Und der Stalinismus? In meinem kleinen Werk
schrieb ich, Stalin "wollte die Wirtschaft regieren wie eine Parteisäuberung". Vom
grünen Tisch aus wurden Pläne über Pläne ausgearbeitet, die nicht den geringsten
Ansatzpunkt in der Wirtschaft fanden. Es gab nicht die mindeste Verbindung zwischen den Planern und den
Geplanten, d.h. den Fabriken, die diese fantastischen Planziffern erfüllen sollten, und v.a. den
Arbeitern, die in diesen Sog hineingezogen werden sollten und auf diese Aufgabe völlig unvorbereitet
waren. Die Jahre von 1924 bis 1929 waren sinnlos vergeudet worden im Kampf gegen die Vorschläge der
Linken Opposition, die eine organische planmäßige Entwicklung vorgeschlagen hatte, bei der die
Teilpläne miteinander in Übereinstimmung gebracht und v.a. auf die demokratische Kontrolle der
Arbeitenden gesetzt werden sollte. Stattdessen wurden Pläne vom Tisch des Bürokraten aus lustig
drauflos entworfen und entsprechend ausgeführt.
Kein geringerer als Ilja Ehrenburg hat in
seinem köstlichen Buch Lasik Rotschwanz die tragische Geschichte eines Plans verewigt. Der arbeitslos
gewordene Schneider Lasik Rotschwanz erhält eine Anstellung in einer Gouvernementsabteilung für
Tierzucht, die den Auftrag hat, die Vermehrung von Rassekaninchen im gesamten Gouvernement Tula zu
beobachten. Er fragte seinen Vorgesetzten Petrow, wo denn die zu beobachtenden Kaninchen seien. Dieser
sagte, er solle im Schrank unter den Papieren herumkramen. Lasik entdeckt, dass sein Vorgänger den
Empfang der Rasseladung bestätigte, dass sich aber im Transportkasten nur tote Zuchtexemplare
befanden. Die Kaninchen waren wahrscheinlich bei einem Fluchtversuch von herrenlosen Hunden getötet
worden. Lasik zermartert sich das Gehirn, wie er diese grausame Kaninchenerinnerung zum Fortpflanzen
bringen kann. Er wendet sich an seinen Vorgesetzten Petrow, kommt aber schlecht bei ihm an: "Arbeiten
Genosse, Arbeiten, Fortpflanzen! Hervorbringen! Intensivieren! Haben Sie begriffen? Sehen Sie diese
vergleichende Tabelle? Erstens Fleisch, zweitens Fell, drittens geringe Unkosten, viertens
Zeitersparnis." "Verzeihung, Genosse Petrow", fragt Lasik Rotschwanz, "aber woher wird
dieses prächtige Fell oder gar das Fleisch hervorwachsen, wenn ihre stummen Vorfahren von
unorganisierten Hunden zerrissen worden sind? Ich kann lediglich diesen im Zirkular verewigten Kummer
fortpflanzen. Aber davon werden wir keinerlei schöne Tabelle erhalten, weil sie doch, verzeihen Sie,
wie zum Trotz krepiert sind."
Auf solche Ketzereien lässt sich
Petrow aber gar nicht ein. Man werde wohl schon aus Moskau neue Rassekaninchen schicken. Aber die Zentrale
sendet einen Fragebogen mit 17 Fragen, die Lasik Rotschwanz beantworten soll: Welchen Einfluss die
Entwicklung von Rassekaninchenzucht auf die wirtschaftliche Lage der Landbevölkerung, auf ihr
kulturelles Leben, auf ihre Familienbeziehungen habe? Ob im Zusammenhang damit eine Erhöhung der
Geburtenziffer zu beobachten gewesen sei, und was in runden Zahlen das Verhältnis zwischen der Anzahl
der Kaninchen und dem Verbrauch von Seife je Bauernhof sei, wollte man in Moskau wissen.
Lasik beschließt, die Fragen
wahrheitsmäß zu beantworten. Auf die erste Frage, wie groß im Gouvernement Tula die Kopfzahl
der Kaninchen am Tage der Ausfüllung des Fragebogens sei, antwortet er standhaft: "Ein Grabmal in
Gestalt eines mein Herz zerreißenden Zirkulars." Bei den 16 übrigen Fragen setzt er einen
wahrhaft tragisch wirkenden Strich. Nach Geplänkeln mit seinem Vorgesetzten schreibt er: "Da das
verstorbene Pärchen am 18.11.1924 nach Tula geschickt worden ist, kann man die
Kaninchenbevölkerung des Gouvernements am heutigen Tage mit 11726,5 Köpfen ansetzen." Aus
Moskau wird eine Kommission geschickt, die zunächst Lasik gratuliert, weil in seinem Gouvernement die
Zahl der Kaninchen größer als in der gesamten Sowjetunion ist. Die Kommission spricht die
Vermutung aus, er habe eine besonders günstige Futternahrung gefunden, worauf Lasik bescheiden
antwortet, er habe die Kaninchen ausschließlich mit der im Dienst vorgegebenen Fantasie
gefüttert.
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