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Anfang November hat das polnische Parlament in erster Lesung einen Antrag auf
Änderung der Verfassung behandelt.Artikel 38 soll wie folgt neu formuliert werden: "Die Republik
Polen garantiert vom Augenblick der Empfängnis an jedem Menschen den rechtlichen Schutz des
Lebens." Der Antrag wurde von der erzkonservativen, katholisch-fundamentalistischen Liga der
polnischen Familien eingebracht, die Teil der aktuellen Regierungskoalition ist und den Bildungsminister
stellt. Er wurde darüber hinaus von den Abgeordneten der Bauernpartei Samoobrona und von der Partei
für Recht und Gerechtigkeit (PiS) unterzeichnet, der die beiden Brüder Kaczynski angehören
respektive der Staats- und der Ministerpräsident.
Feministische Organisationen,
Gewerkschaften und linke Parteien haben dagegen am 4.November eine landesweite Demonstration in Warschau
organisiert. Sie haben die internationale Öffentlichkeit um solidarische Unterstützung gebeten.
Das Gesetz über Familienplanung,
Schutz des Embryos und die Voraussetzungen für eine legale Abtreibung stammt aus dem Jahr 1993; es
wurde 1997 einmal abgeändert. Es erlaubt Abtreibungen nur in drei Fällen: wenn Leben oder
Gesundheit der Frau bedroht sind; wenn der Fötus einen genetischen Defekt oder eine schwere und
unheilbare Krankheit aufweist; oder wenn die Schwangerschaft Folge einer Vergewaltigung oder von Inzest
ist. Die allgemeine Haltung der Öffentlichkeit gegenüber der Abtreibung führt jedoch infolge
ihres Verbots dazu, dass selbst legale Abbrüche nicht vorgenommen werden. Viele Frauen haben auf diese
Weise wegen der Heuchelei der Ärzte und Politiker Leben und Gesundheit verloren.
Das Verbot der Abtreibung widerspricht dem
Recht auf selbstbestimmte Mutterschaft, den Menschenrechten und dem europäischen Standard. Es
verhindert Abtreibungen nicht, im Gegenteil es drängt Frauen in die Illegalität. Nach offziellen
Angaben gibt es in Polen im Jahr 150 Abtreibungen. Unabhängige Zentren aber schätzen, dass die
Zahl der illegalen Abtreibungen zwischen 80000 und 200000 liegt (etwa so viele wie in Deutschland, bei
halber Bevölkerungszahl). Erste Opfer sind vor allem finanziell schlechter gestellte Frauen, die nicht
die Mittel haben, eine illegale Abtreibung zu bezahlen.
Die Gesundheit der Frauen leidet massiv
darunter. Es gab bereits erste Todesfälle, weil schwangeren Frauen ärztliche Behandlung
verweigert wurde. Deshalb laufen derzeit eine Reihe von Prozessen gegen die Republik Polen vor dem
Europäischen Menschenrechtshof.
Die Mehrzahl der Bevölkerung
akzeptiert Schwangerschaftsunterbrechung allerdings nicht nur, wenn Leib und Leben der Frau oder des
Fötus in Gefahr ist, sondern auch aus sozialen Gründen. Doch die Politiker setzen sich
darüber hinweg, darin von einigen Ärzten unterstützt, die sich anmaßen, über Wohl
und Wehe der Frauen zu entscheiden. Illegale Abtreibungen finden in Polen in privaten Praxen zum Preis von
20003000 Zloty (500750 Euro) statt häufig vom selben Arzt, der sich geweigert hat,
den Eingriff im Krankenhaus vorzunehmen. Die Verhütungspille RU-486 ist nur auf dem Schwarzmarkt zu
haben. Unter solchen Umständen kommt es immer häufiger vor, dass Frauen, die unter für sie
untragbaren persönlichen und wirtschaftlichen Umständen gezwungen werden, das Kind auszutragen,
den Säugling aussetzen.
Die UN-Menschenrechtskommission hat sich in
ihrem Bericht von Oktober 2004 des Problems der bedrohlichen Lage der polnischen Frauen angenommen, die
keinen Zugang zu Schwangerschaftsabbrechung haben. Auch der Menschenrechtsbericht der EU von 2004 und 2005
ist darauf eingegangen.
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